Autismus in Film und Literatur

Autismus in Film und Literatur

Wo Autismus differenziert betrachtet wird (und wo eher nicht)

Wir haben dir Serien, Filme und Bücher zusammengesucht, die sich mit dem Thema Autismus auseinandersetzen.

Das Thema Autismus hat schon lange Einzug gehalten in die Popkultur. Zahllose Bücher, Filme und neuerdings auch Serien schreiben manchen ihrer Charaktere autistische Eigenschaften zu. Die sind allerdings oftmals stark überzogen und mit Stereotypisierung verbunden. Die Unfähigkeit, Emotionen zuordnen oder ausdrücken zu können, Inselbegabungen, zwanghaftes Ordnungsverhalten und das Gleichsetzen von Genie- und Nerdtum mit autistischen Symptomen sind nur ein paar Beispiele, die nicht zwingend bei Autisten*innen auftreten, ihnen jedoch gerne mal klischeehaft zugeschrieben werden.

Das Missverstehen von Sprichwörtern ist allerdings nicht unüblich für Autisten*innen. Oft wird aber auch diese Eigenschaft bei fiktiven Charakteren völlig überzogen dargestellt. Was uns zu unserem ersten Beispiel aus der Serienwelt bringt…

Sheldon Cooper aus The Big Bang Theory wird oft nachgesagt, Autist zu sein.

Die Macher*innen der Serie haben das aber weder bestätigt noch dementiert. Sheldon ist der Prototyp aller klischeehaft dargestellten Serienfiguren. Er ist ein hochbegabter, neurotischer, emotionsloser und besserwisserischer Nerd.

Etwas differenzierter wird da schon der Hauptcharakter der Serie Atypical, Sam Gardner, dargestellt. Sam ist ein 18-jähriger Autist, ein guter Schüler und bereit für eine Freundin. Atypical schafft es dabei als eine der ersten Serien überhaupt, dass sich sogenannte „Overloads“, also Reizüberflutungen aus der Umwelt, die von Autisten*innen als Überforderung wahrgenommen werden, nicht mehr nur in Handlungsunfähigkeit äußern, sondern als schwierige Situationen, die erstmal verarbeitet werden wollen.

Auch die US Ausgabe der Sesamstraße geht mit gutem Beispiel voran. Seit dem Frühjahr 2017 ist eine neue Puppe in die Straße eingezogen. Sie heißt Julia, hat rote Haare, grüne Augen, ein pinkes Kleid und sie ist Autistin. Damit versuchen die Macher*innen der Sesame Street, Inklusion und den Umgang mit Randgruppen in ihr Programm zu integrieren. Um das möglichst authentisch und kindgetreu hinzubekommen, wurde die Figur der Julia über Jahre hinweg in enger Zusammenarbeit mit Experten, Organisationen und betroffenen Familien entwickelt.

Es gibt allerdings auch Bespiele für Seriencharaktere, die fälschlicherweise als eindeutig autistisch identifiziert werden.

Sherlock aus der gleichnamigen Serie zum Beispiel. Es ist lediglich Dr. Watsons Vermutung, dass Sherlock das Asperger Syndrom hat. Andere sehen in Sherlock aber nur einen hochfunktionalen Soziopathen. Gleiches gilt für Monk und Dr. House. Es ist aber fraglich, ob neurotisches Verhalten und tiefschwarzer Humor schon Indizien für Autismus sind.

Nicht nur Seriencharakteren, sondern auch Figuren aus Spielfilmen wird oft unfundiert eine Autismus-Störung nachgesagt. Forrest Gump erreicht zwar bemerkenswerte Dinge in seinem Leben, allerdings meistens durch glückliche Zufälle und nicht aufgrund einer besonderen, Autismus bedingten Begabung.

Die Mutter aller Filme über Autismus ist wohl Rain Man aus dem Jahr 1988.

In dem vierfach Oscar prämierten Film spielt Dustin Hoffmann die Rolle des autistischen Raymond Babbitt. Die Story orientiert sich an dem echten Fall des Kim Peek, ein Inselbegabter, der alles, was er je gelesen hat, auswendig wiedergeben kann. Einziger Haken an der Storyline: Eine Inselbegabung ist per se keine Eigenschaft von Autismus. Auch wenn Rain Man damit ein Stück weit die Stereotypisierung von Autisten*innen in die Wege geleitet hat, ist es immerhin der erste Film, der sich mit der Thematik auseinandersetzt.

Jüngere Beispiele der Filmgeschichte, die Autismus thematisieren, sind Lachsfischen im Jemen und Extrem laut und unglaublich nah. Letzteres führt deshalb besonders nett an das Thema heran, weil die Geschichte aus der Sicht eines Kindes erzählt wird. Und das derart überzeugend, dass die Buchvorlage von Jonathan Safran Foer mit Hollywoodgrößen verfilmt wurde.

Der 15-jährige Christopher Boone ist ein weiteres Beispiel für einen autistischen Erzähler, der seine Erlebniswelt mit kindlicher Naivität beschreibt. Mark Haddons Roman Supergute Tage oder die sonderbare Welt des Christopher Boone, das vielen Theaterproduktionen als Vorlage diente, erzählt super süß und anschaulich durch die ein oder anderen Zeichnung von Christopher, was in dessen Kopf vorgeht.

Extrem laut und unglaublich nah und Supergute Tage oder die sonderbare Welt des Christopher Boone sind Beispiele für fiktive Geschichten von Autisten. Wer es lieber dokumentarisch mag, dem sei Axel Brauns Autobiografie Buntschatten und Fledermäuse: Mein Leben in einer anderen Welt ans Herz gelegt. Im Interview hat uns der Autor erzählt, dass er mit diesem Buch versucht, den Leser an die Hand zu nehmen und die Dinge mit seinen Augen zu sehen.

Um bei der dokumentarischen Sichtweise zu bleiben: So manche Filmdoku wird dich mit Sicherheit mindestens genauso anrühren, wie ihre fiktiven Äquivalente aus Hollywood. Beyond the spectrum: a familiy’s year confronting autism begleitet eine Familie mit ihrem jungen Sohn, der von klein auf autistische Verhaltensmuster zeigt. Der Umgang mit dem kleinen Oskar ist zwar stellenweise Nerven aufreibend, birgt aber doch auch viele Belohnungen für seine Eltern. Besonderen Aaaww-Faktor gibt’s in der Doku Autism in Love. Hier beschreiben vier erwachsene Autisten*innen, wie sich zwischenmenschliche Beziehungen für sie anfühlen und wie sie mit dem abstrakten Konzept Liebe umgehen.

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