Die Angriffe des russischen Militärs auf Ukraine halten seit sechs Tagen an. Kriegsreporter Christan Wehrschütz ist vor Ort und hat mit uns über die aktuelle Lage gesprochen.
Krieg gegen Ukraine
In der Nacht auf den 24. Februar hat Russland einen Militärangriff auf Ukraine gestartet. Militäreinrichtungen, Städte im ganzen Land und auch die Hauptstadt Kyjiw, die im Fokus des Kriegs steht, werden seitdem von russisch geführten Truppen angegriffen. Die NATO, die EU und viele Staats- und Regierungschef*innen weltweit verurteilen den Angriff als Völkerrechtsbruch und verhängen Sanktionen. Der Internationale Strafgerichtshof will eine Untersuchung möglicher Kriegsverbrechen einleiten und die NATO hat bereits letzte Woche Truppen an den NATO-Grenzen stationiert - Pläne, Soldat*innen in die Ukraine zu senden, gibt es seitens der NATO aktuell nicht. Zahlreiche Staaten wollen aber Waffen liefern.
Hilfe und Solidarität für Ukraine: Möglichkeiten, was du gerade tun kannst, findest du hier.
Christian Wehrschütz im Interview
Christian Wehrschütz ist Osteuropareporter des ORF, Kenner der Lage und berichtet seit Jahren über Ukraine und Russland. Am Donnerstag letzte Woche hat er sich mit seinem Team auf den Weg nach Kyjiw gemacht und die letzten Tage von dort aus berichtet, heute morgen haben er und sein Team sich allerdings auf den Weg aus der Stadt heraus gemacht. Von dort aus haben wir mit ihm gesprochen.
Christian Wehrschütz über die Lage in der Ukraine
Das komplette Interview zum Anhören
Die Lage in Kyjiw
Aktuell bewegt sich ein mehr als 60 Kilometer langer russischer Militärkonvoi auf Kyjiw zu und es wird ein Großangriff befürchtet. Sollte Strom und Internet ausfallen, könnten Christian Wehrschütz und seine Kolleg*innen außerdem nicht mehr berichten - auch deshalb verlassen sie die Stadt und wollen sich im Westen von Ukraine eine neue Basis aufbauen.
Vor einigen Wochen haben wir bereits mit Tim Bohse vom Deutsch-Russischen Austausch gesprochen. Das komplette Gespräch und Hintergrundinfos zu den vergangenen Entwicklungen gibt es hier. Außerdem findest du in unserem egoFM Reflexikon einen geschichtlichen Abriss von Ukraine von 1991 bis heute. Die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln wird immer schlechter, die Regale in den Supermärkten, die überhaupt noch offen haben, werden zunehmend leerer. Besonders problematisch ist außerdem, dass auch Benzin und Diesel kaum noch erhältlich sind. Viele Menschen haben also vielleicht ein Auto zur Verfügung mit dem sie flüchten könnten, sind aber aufgrund des Kraftstoffmangels nicht in der Lage, die Stadt beziehungsweise das Land zu verlassen.
Die Menschen, die noch in Kyjiw sind halten sich hauptsächlich in den eigenen Wohnungen oder U-Bahnschächten auf - Wehrschütz sagt deutlich, dass die breite Masse der Bevölkerung keine Chance auf Schutz hat.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat letzte Woche den Kriegszustand ausgerufen und für die nächsten 90 Tage eine allgemeine Mobilmachung angeordnet - männliche Staatsbürger zwischen 18 und 60 Jahren dürfen das Land derzeit nicht verlassen. Neben der territorialen Verteidigung gibt es also auch Freiwillige aus der Bevölkerung, die erstmals Waffen in die Hand nehmen, außerdem gibt es viele Veteranen, die bereit sind, sich wieder zu bewaffnen. Gegen Panzer ist das natürlich nur bedingt effektiv, außerdem sieht man deutlich, dass Ukraine in der Luftverteidigung und Luftabwehr stark unterlegen ist, sagt Christian Wehrschütz.
Nichtsdestotrotz ist der Widerstand gegen Putin und das russische Militär wesentlich größer als gedacht.
"Ich glaube das Wladimir Putin die Lage hier völlig falsch eingeschätzt hat, die [Menschen der russischen Regierung] haben gedacht das ist in ein, zwei, drei Tagen erledigt. Aber das was sich hier abspielt zeigt eben, das dem nicht so ist." - Christian Wehrschütz
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