Mit einer Pressemeldung zu Red Dead Redemption 2 lösten Rockstar Games einen weltweiten Shitstorm über Überstunden aus. Doch wie ist das eigentlich insgesamt in der Arbeitswelt? Und wie sieht das deutsche Gesetz dazu aus?
Zeit, über unsere Arbeitsbelastung zu reden.
Shitstorm in der Gaming-Szene
Für leidenschaftliche Zocker*innen ist Rockstar Games lange kein unbekanntes Unternehmen mehr. Spiele, wie die Grand Theft Auto-Reihe gehören zu den erfolgreichsten und meistverkauftesten Videospielserien. Mit einer Pressemeldung zu dem damals neuen und von Fans lang ersehnten Spiel Red Dead Redemption 2 löst das Unternehmen 2018 aber weltweite Diskussionen aus.Der Mitbegründer und Chef von Rockstar Games Dan Houser erzählt in einem Interview mit Vulture, einem Magazin der New York Times, von den Innovationen des Spiels und dem Aufwand, der in dem Spiel steckt.
Bis zu 100 Stunden pro Woche habe man daran gesessen.
Rechnet man das einmal runter, würde das für die Mitarbeiter*innen bedeuten, sie haben 14 Stunden pro Tag gearbeitet – und das sieben Tage die Woche.Sowohl die Presse als auch Community reagierten sofort lautstark und machten auf die unmenschlichen Arbeitszeiten des Unternehmens aufmerksam. Dieses rechtfertigt sich schnell und versucht die Meldung zu korrigieren: Ein solcher Zustand sei nur kurzfristig drei Wochen lang vorherrschend gewesen und hätte nicht alle Mitarbeiter*innen eingeschlossen, sondern nur Dan Houser selbst und drei weitere Mitarbeiter. Niemand würde von den Arbeitnehmer*innen erwarten, so viele Überstunden mitzumachen. Es gäbe lediglich viele Mitarbeiter*innen, die mit viel Leidenschaft am Projekt arbeiten und die zusätzliche Leistung freiwillig erbringen.
Ist aber nicht das erste Mal, dass man über Überstunden bei Rockstar Games spricht
Die Spielentwickler*innen sind bereits bekannt dafür, ihren Mitarbeiter*innen viele zusätzliche Arbeitsstunden aufzuhalsen. Nach der Pressemeldung zu Red Dead Redemption 2 äußerten sich via Twitter auch schnell ehemalige Arbeitgeber*innen zu ihren früheren Erlebnissen im Unternehmen.Sie bezeichnen den Arbeitsalltag dort als "toxic mess" und betonen, Überstunden seien nie wirklich freiwillig gewesen.
Viele haben nach wenigen Monaten wegen der Arbeitsbelastung gekündigt.
Rockstar Games animierte daraufhin aktuelle Arbeitnehmer*innen dazu, sich über Twitter über den momentanen Zustand zu äußern und das Image gerade zu biegen - aber auch diese Tweets sind nicht nur positiv. Während einige die Überstunden lediglich relativierten ("meistens nur bis circa 20 Überstunden pro Woche"), machten andere ihre Unzufriedenheit deutlicher.
Eklats wie diesen gab es bei Rockstar Games schon öfters. So hatten sich bereits beim ersten Teil des Spieles die Ehefrauen der Mitarbeiter zusammengetan und sich über die inhumanen Arbeitszeiten ihrer Partner lautstark beschwert. Und wenige Tage nach dem aktuellen Shitstorm zum zweiten Teil muss sich das Unternehmen auch einem Meeting mit der Tochtergesellschaft Rockstar Lincoln stellen, die eine Beschwerde über die Arbeitsbelastung und Überstunden der letzten Zeit eingelegt hat.
Gerade in der Gaming-Szene gibt es dieses Problem häufiger. Neue Spiele stehen für Innovationen, man muss sich immer neu beweisen und in jeder Hinsicht vergangene Spiele immer noch toppen.
Doch das Problem von Überstunden ist ein branchenübergreifendes Thema
Eine Milliarde Überstunden leisteten Beschäftigte in Deutschland alleine im ersten Halbjahr von 2018. Mehr als die Hälfte davon unbezahlt.Aber warum machen wir das denn mit?
Gerade in der Kreativ- oder Gesundheitsbranche und in Start-Ups können Mitarbeiter*innen davon Lieder singen. Der Leistungsdruck ist groß und der Anspruch der Arbeitgeber*innen und von einem selbst sitzt tief im Nacken.
Besonders Berufseinsteiger*innen haben oft einen großen Leistungswillen und nehmen Überstunden schnell in Kauf. Häufig ist der Gedanke an Selbstoptimierung, Karrieredruck und Perfektionismus allgegenwärtig und macht für einen selbst die ein oder andere zusätzliche Arbeitsstunde am Abend fast unumgänglich.
Oft macht es dabei auch einfach Spaß, man vermischt (im Idealfall) mit der Jobwahl Hobby und Arbeit und scheint in der Arbeitszeit aufzugehen - aber auch das geht nicht lange gut. Forscher*innen reden dabei von der "interessierten Selbstgefährdung" und warnen bei übermäßiger Belastung vor Herzleiden und Burnouts.
Und wenn wir es nicht freiwillig machen?
Bei Rockstar-Games gab es nach dem Shitstorm eine interne Neuerung. Überstunden sind jetzt ausdrücklich optional. Aber fährt man denn damit immer gut, den Stift hinzulegen und zusätzliche Stunden zu verweigern? Oft hat man das Gefühl, man wird dadurch auf das mentale Abstellgleis des Chefs oder der Chefin gestellt und verhindert sich vielleicht sogar selbst Karrierechancen.Sei es durch fehlende Kolleg*innen oder durch wichtige Deadlines - in manchen Situationen und Projekten gibt man dann auch nach und hängt Arbeitszeit an den Feierabend dran. Hat man dann mal Überstunden machen müssen und will sie an folgenden Tagen ausgleichen und früher gehen, verfolgt einen meistens ein ungutes Gefühl gegenüber des*der Arbeitsgeber*in und der anderen Kolleg*innen.
Obwohl wir dabei nur für uns einstehen, fühlt es sich falsch an. Und deshalb gibt man manchmal doch mehr klein bei, als man eigentlich wollen würde.
Was sagt das deutsche Recht dazu?
Probleme gibt es häufig schon alleine durch die gesetzlichen Regelungen, die nicht nur nicht allen bekannt sind, sondern oft auch gar nicht so leicht umzusetzen.Denn laut Arbeitszeitgesetz (ArbZG) ist nicht jede Stunde mehr tatsächlich eine Überstunde. Grundsätzlich kann man sagen, dass man nur Anspruch auf Vergütung oder Ausgleich der zusätzlichen Arbeitsleistung hat, wenn der*die Arbeitgeber*in diese ausdrücklich angeordnet beziehungsweise geduldet hat. Genau darüber gibt es aber natürlich häufige Streitigkeiten, weil es gar nicht so einfach ist, immer nachvollziehen und beweisen zu können, wann was vereinbart oder selbstverständlich war.
Gesetzlich ist auf jeden Fall geregelt, dass die Arbeitszeit im Normalfall eine Dauer von acht Stunden pro Tag nicht überschreiten darf. Nur im Ausnahmefall und nur für kurze Dauer seien Überstunden in Ordnung - aber auch das muss genau geregelt werden.
Wie viele Überstunden dabei in Frage kommen, wie sie ausgeglichen werden und ob der*die Arbeitnehmer*in sie verpflichtend leisten muss, muss nämlich alles im Arbeitsvertrag geregelt sein.
Allgemein ist deshalb zu sagen: Lieber alle Details von vornherein besprechen, vertraglich festmachen und im Notfall Juristen zu Rate ziehen, bevor es dann zu Problemen kommt.
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