Die Vision: Einen sicheren Platz in einem Freibad schaffen - einem Ort, an dem Belästigung für viele Menschen Alltag ist.
Sichere Zone im Freibad
Am 3. September haben Männer zu einem Bereich im Thermalbad Vöslau in Niederösterreich keinen Zutritt. Sechs Stunden lang, von 13 bis 19 Uhr, gelangen FLINTA* mit dem Code "Women Almighty" in die gesperrte Zone. Der Eintritt von drei Euro pro Person wird vollständig an den Afghanischen Frauenverein gespendet. Initiiert wurde die Aktion von der Unternehmerin Madeleine Alizadeh aka dariadaria, die sich immer wieder für Feminismus und Umweltschutz einsetzt. Einmal nicht angestarrt, gefilmt oder begrapscht werden, nur weil man einen Bikini trägt - diesen Wunsch vieler FLINTA* erfüllt sie mit der Veranstaltung. FLINTA* sind Personen, die eine andere Geschlechtsidentität haben als cis-männlich. Die einzelnen Buchstaben stehen also für Frauen, Lesben, Intersexuelle, Nonbinäre, Transgender und Agender, der Stern für alle, die sich in keiner der Buchstaben wiederfinden, trotzdem aber nicht cis-männlich sind.
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Hassnachrichten als Reaktion
Alles kein Grund zur Aufregung, könnte man meinen. Aber dann kriechen die Internet-Trolls aus ihren Löchern und tun das, was sie am besten können. Seit Madeleine Alizadeh die Aktion angekündigt hat, wird sie von Hassnachrichten überflutet. In rechtsextremen Medien wurden Fotos von ihr veröffentlicht und sowohl in Kommentarspalten als auch auf Twitter muss man nicht lange suchen, bis man auf sexistische und rassistische Beleidigungen stößt. Auch das Bad erhält zahlreiche Anrufe und E-Mails von aufgebrachten Menschen.Doch wo liegt eigentlich das Problem? Den Reaktionen nach könnte man schließen, dass ab jetzt nur noch FLINTA* Zutritt zum kompletten Bad bekommen - für immer. Dabei wird die Zone nur an einem einzigen Tag für sechs Stunden gesperrt und das restliche Bad ist für alle normal geöffnet. Niemand, der an diesem Tag in das Thermalbad gehen möchte, wird daran gehindert. Ursprung der Empörung ist vermutlich nicht der kleine abgegrenzte Bereich, sondern, dass Männern lediglich aufgrund ihres Geschlechts der Zutritt verweigert wird. FLINTA* haben im Gegensatz zu Männern in ihrem Alltag allerdings häufig Situationen, in denen sie sich einschränken müssen - aus Angst vor Belästigung und Diskriminierung.
Oben ohne-Badegäst*innen schwinden
Sehr viele fühlen sich unwohl - immer weniger riskieren es, sich oben ohne zu bräunen. Die Zeitung Le Parisien berichtet unter Verweis auf eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ifob, dass nur noch 19 Prozent aller Frauen ohne Oberteil ans Wasser gehen. Vor zwölf Jahren waren es noch 34 Prozent. Entscheidender Grund für diesen Rückgang sei die Furcht vor Belästigung oder Bloßstellungen mit Fotos, zum Beispiel in sozialen Medien. Die Hälfte aller Frauen unter 25 Jahren hat Angst beim Oben ohne-Baden Opfer körperlicher oder verbaler sexueller Gewalt zu werden oder von Männern angegafft zu werden. Diese Ängste sind nicht unberechtigt, auch mit Oberteil kommt es schließlich oft genug zu Übergriffen.Madeleine Alizadeh hat schockierende Erfahrungen ihrer Follower*innen in einem Beitrag gesammelt, nachdem sie so viele Nachrichten von Personen mit der Meinung, die Aktion sei nicht nötig, erhalten hat. Dazu schreibt sie:
"Diese Geschichten sind keine Einzelfälle, sie sind Teil der Struktur, in der wir leben. Ich selbst kann unzählige Geschichten erzählen, seit ich denken kann, gibt es diese Berichte, die keine Anekdoten sondern Lebensrealität vieler Menschen sind. Und wenn jene, die von der Lebensrealität nicht betroffen sind, diese Erfahrungen bagatellisieren, klein reden und sich in keinster Weise solidarisch zeigen - dann wird sich nie was ändern. Wenn ich also heute um eines bitten darf, ist es sich hinzusetzen, zuzuhören. Zu lernen, dass Solidarität bedeutet, dass man etwas nicht selbst erlebt haben muss, um dennoch den Menschen die es erlebt haben, Raum und Unterstützung zuzusprechen." - @dariadaria
Neben den Hassbotschaften hat Madeleine Alizadeh auch viel Zuspruch von Menschen bekommen, die sich freuen, dass die Unternehmerin für die Probleme von FLINTA* sensibilisiert. Denn solange Aktionen wie diese solche Empörungswellen von nicht Betroffenen auslösen, sind diese sicheren Räume - frei von Belästigung und Diskriminierung - schlichtweg notwendig.
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