Blackfacing im Elfenbeinturm

Blackfacing im Elfenbeinturm

Über -ismen auf der Bühne

Von  Miriam Fischer
Unsere Autorin würde auch lieber über anderes schreiben, als immer noch informieren zu müssen, dass Blackfacing rassistisch ist - scheinbar haben es aber immer noch nicht alle verstanden. Oder besser gesagt: wollen es nicht verstehen.


Vorhang auf für Rassismus?

Im Münchner Gärtnerplatztheater läuft seit letzter Woche Jonny spielt auf, eine Oper aus dem Jahr 1927. Dass sich weiße Menschen im Gegensatz zu 1927 allerdings heute nicht mehr ihre Gesichter schwarz anmalen um BPoC darzustellen, ist im Elfenbeinturm der Kunst- und Kulturszene aber anscheinend mal wieder egal. 

Und vorab: Ich hab eigentlich echt keinen Bock diesen Artikel zu schreiben. Ich hab kein Bock ein Theater anzugreifen, wenn nach zwei Jahren Pandemie gerade wieder Kultur stattfinden kann. Ich hab kein Bock mich an einem Shitstorm zu beteiligen, in einer Zeit, in der gerade sowieso schon alles so furchtbar ist. Und ich hab kein Bock im Jahr 2022 immer noch erklären zu müssen, warum Blackfacing indiskutabel und inakzeptabel ist. Aber anscheinend ist es nötig und deswegen sag ich es jetzt nochmal für alle:

Blackfacing ist rassistisch 

Das kannst du drehen und wenden und künstlerisch framen wie du willst - Blackfacing bleibt immer rassistisch. Deswegen interessiert mich das Stück auch nicht. Ich brauche es nicht komplett gesehen zu haben, um zu verurteilen, dass Rassismus reproduziert wird - da reicht der Fakt, dass ein weißer Mensch schwarz angemalt wurde, um eine BPoC darzustellen. Das ist niemals in Ordnung, auch nicht, um irgendwas zu unterstreichen oder zu beweisen. 

Machen wir ja bei anderen Sachen auch nicht – jemanden vors Auto schubsen, um zu zeigen, dass das nicht okay ist. Wer das nicht versteht - also wirklich nicht versteht - der*die muss sich einfach mehr mit dem Thema und den Perspektiven von Schwarzen Menschen auseinandersetzen. Es sind gerade übrigens die Internationalen Wochen gegen Rassismus - also sowieso eine gute Zeit, um sich als weiße Person bewusst mit dem Thema Rassismus auseinander zu setzen. Ein paar Empfehlungen dafür findest du hier. 

Ich glaube allerdings nicht, dass es bei diesem und anderen Beispielen an Wissen fehlt. Vielmehr brabbeln im Rahmen von Kunst und Kultur schnell irgendwelche Ulfs, Josefs und Lisas was von Kunstfreiheit, historischem Kontext, kritischer Auseinandersetzung oder sonst was.

Das ist pure Ignoranz und nichts anderes.

Denn wie ekelhaft Blackfacing ist, wissen die meisten. Es nehmen sich nur immer wieder Menschen bewusst heraus, ihre Kunst darüber zu stellen. Selbst in einem Stück über Rassismus, an dessen Entwicklung keine einzige Schwarze Person beteiligt war, hat jemand entschieden, dass Blackfacing in diesem Kontext okay ist - obwohl tausende Betroffene seit Jahren betonen, dass Reproduktion von Rassismus niemals okay ist. Das gilt beim N-Wort - das GANZ NEBENBEI bei besagter Inszenierung auch auf französisch gefallen sein soll - genauso wie bei Blackfacing. Und dass die bisherigen Kritiken des Stücks diese Ignoranz nicht klar anprangern, zeigt mal wieder wie sehr diese Szene doch teils von der Realität entfernt ist. 

Denn in diesem Fall hätte es klar heißen müssen: Entweder besetzt man Schwarze Rollen mit Schwarzen Menschen oder man lässt es. 

Der Regisseur sagt, auch bei der Uraufführung wurde geblackfaced und alles andere würde deswegen die Geschichte der Oper verändern. Aber ich bin jetzt mal ganz revolutionär: Dann spiel das Stück halt nicht. Wenn ein Stück nur inszeniert werden kann, indem Rassismus reproduziert wird - dann sollte es vielleicht einfach nicht mehr inszeniert werden. Get over it. Und: Solche und ähnliche Stücke in der Vergangenheit verstauben zu lassen, könnte noch einen anderen positiven Effekt haben - denn wenn man nicht Angst haben müsste, mit sämtlichen -ismen auf der Bühne konfrontiert zu werden, würde das Publikum vielleicht auch endlich etwas jünger und diverser werden. Und mal ehrlich, so viele gute Opern und Theaterstücke sind damals auch nicht entstanden, als dass man an diesen auf ewig festhalten müsste.



Also: Bitte macht den Vorhang einfach wieder zu

Ich will keine antisemitischen Texte von Lisa Eckhart auf der Bühne hören, ich will keinen schwarz angemalten Helmut Schleich beim BR sehen, ich will keine sexistischen Witze von Mario Barth im Fernsehen und ich will auch keine rassistischen Inszenierungen im Münchner Gärnterplatztheater. Und da braucht mir jetzt auch niemand mit Cancel Culture oder beschnittener Kunstfreiheit kommen. Reproduziert keine -ismen, dann läuft eure blöde Kunst auch nicht Gefahr, "gecancelt" werden. Und darüber, was mich an der Cancel Culture-Debatte nervt, kann ich mich ja dann ein anderes mal aufregen.

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