Christoph Busch hört in seinem kleinen U-Bahn-Kiosk Leuten zu. Die eigentliche Leistung schreibt er aber seinen Besucher*innen zu: Sich Gehör verschaffen verlangt nämlich Mut.
Zeit zum Zuhören
Von Montag bis Donnerstag wird Christoph Buschs Kiosk in der Hamburger U-Bahn-Haltestelle Emilienstraße zu einer Anlaufstelle für etwas, das für die meisten eher banal und selbstverständlich klingt: das Zuhören. Für viele Leute ist es allerdings überhaupt nicht selbstverständlich, jemanden zum Reden zu haben, der sich Zeit nimmt und richtig zuhört.Im Interview erzählt uns Christoph Busch, dass er ursprünglich nur einen Ort gesucht hat, wo er in Ruhe schreiben kann, quasi ein ausgelagertes Büro am U-Bahn-Steig. Weil da aber nun mal sehr viele Leute vorbeikommen, hat er angefangen, diesen Leuten zuzuhören. Und das kann Christoph Busch anscheinend sehr gut, denn die Nachfrage war irgendwann so groß, dass er gar nicht mehr zum Schreiben gekommen ist. Er ist zum Zuhörer geworden. In einer Zeit der medialen Dauerbeschallung mache das ja heute keiner mehr. Mittlerweile schreibt er sogar wieder, nämlich ein Buch über all die Geschichten, die ihm im Kiosk erzählt wurden.
Man muss erstmal den Mut haben, seine Geschichte einer wildfremden Person erzählen zu wollen.
Christoph Busch hört den verschiedensten Leuten zu. Er sagt, von 16 bis 96 Jahre ist alles dabei. Leider haben aber die Geschichten seiner Besucher*innen ein gemeinsames Merkmal: sie sind tendenziell eher unglücklich. Das heißt nicht mal unbedingt, dass die Leute einsam sind und sonst niemanden zum Reden haben, sondern es gibt auch Situationen, wo es gut tut, wenn man seine*n Gesprächspartner*in nicht kennt. Christoph Busch nennt als Beispiel, dass manche Leute depressiv sind und ihre Angehörigen es Leid sind, länger zuzuhören. Oder auch, dass einem manche Dinge einfach zu peinlich sind, als dass man sie seinem näheren Umfeld erzählen will.Den eigentlichen Verdienst sieht Christoph Busch aber nicht bei sich selbst als Zuhörer, sondern vielmehr bei seinen Besuchern*innen, die sich überwinden und den Schritt zu ihm in den Kiosk machen. Die U-Bahn sei schließlich kein Ort, an dem man sich gerne unnötig lange aufhält. Es braucht Ruhe und vor allem Mut, sich die Zeit für ein Gespräch im Zuhör-Kiosk zu nehmen. Das kann dann schnell mal eine Stunde dauern, bei vereinbarten Terminen sogar zwei, damit noch Zeit für spontane Besuche bleibt. Christoph hat das Gefühl, dass seine Gesprächspartner*innen erleichtert sind, wenn sie seinen Kiosk verlassen. Er findet es schön, wenn manche von ihnen wieder kommen und ihm erzählen, wie ihre Geschichte weitergegangen ist.
Zuhören heißt Mitfühlen
Es lässt sich natürlich nicht vermeiden, so persönliche Erzählungen nicht an sich ranzulassen. Da würde sich Christoph Busch dann auch wie ein schlechter Zuhörer vorkommen. Denn Zuhören heißt ja auch Mitfühlen. Es gibt Geschichten, die wird er nie vergessen und schreibt sie auch in seinem Buch auf - anonym natürlich, damit sich keine*r seiner Besucher*innen verraten vorkommt.Christoph fände es schön, wenn es mehrere solche Kioske gäbe.
Andererseits sei seine Zuhörtätigkeit auch keine Ursachenbekämpfung, sondern schaffe nur Ersatz für die direkte zwischenmenschliche Kommunikation. Es gibt ja auch andere Anlaufstellen, wo einem zugehört wird, zum Beispiel die Seelsorge von Kirchen oder Hotlines. Oft sind diese Zuhöranlaufstellen aber einfach zu wenig bekannt. Da müsste mehr informiert und aufgeklärt werden, findet Christoph Busch. Das Problem ist für ihn nämlich nicht, dass wir das Zuhören verlernt hätten:"Wir müssen weniger das Zuhören lernen, sondern uns vielmehr trauen, ums Zuhören zu bitten."
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