Felix Jaitner vom Deutsch-Russischen Austausch war zu Gast bei egoFM Elise und hat mit ihr über das Verhältnis zwischen Deutschland und Russland gesprochen.
Der Deutsch-Russische Austausch (DRA) ist eine Organisation, die die Völkerverständigung und den Austausch zwischen Deutschland und Russland - aber auch anderen post-sowjetischen Ländern - voranbringen will. Sie sind unter anderem in den Bereichen Menschenrechte, Inklusion, Bildung, Demokratie und Klima und Umwelt tätig.
Felix Jaitner vom Deutsch-Russischen Austausch
Das komplette Interview zum Anhören
Am 27. Mai 2021 wurde allerdings bekannt, dass der DRA von den russischen Behörden als "unerwünschte NGO" eingestuft wird, was ein Tätigkeitsverbot der Organisation in Russland mit sich bringt. Das bedeutet, dass alle Projekte vor Ort und die Beziehungen zu russischen Partner*innen eingestellt werden mussten.
"Das heißt, wir dürfen keinen Kontakt mehr mit diesen Personen haben, da sich sonst diese Personen in Gefahr begeben, als ausländische Agenten eingestuft zu werden." – Felix Jaitner
Warum der DRA so eingestuft wurden, weiß die Organisation selbst nicht, es hat aber auf jeden Fall weitreichende Folgen für die Arbeit des Deutsch-Russischen Austauschs.
Die Beziehung zwischen Deutschland und Russland
Die russischen Verhältnisse haben sich in den letzten 20 Jahren deutlich gewandelt. Felix Jaitner beschreibt diese Veränderung als national-konservative Wende, die auch in der Verfassungsänderung 2020 deutlich wurde. Felix merkt in diesem Zusammenhang aber auch an, dass diese Wandlung nicht erst mit der Person Putin begonnen hat, sondern ihre Wurzeln eigentlich schon in der autoritären Wende 1993 hat.
Die Verschlechterung des Verhältnisses zwischen Deutschland beziehungsweise zwischen der EU und Russland sind allerdings auch eine Reaktion auf Entwicklungen, die bei uns stattgefunden haben, sagt Felix Jaitner. Die autoritäre Wende in Russland wurde in der westlichen Presse kaum kritisiert, im Gegenteil: Sie wurde als Sieg der Demokratie gefeiert, was allerdings eine massive Fehleinschätzung war, sagt Felix.
"Wir sind gerade an einem Punkt, wo immer mehr Brücken, die früher mühselig gebaut wurden, eingeschlagen werden. Also sowohl die Seite dort, als auch wir hier wissen ganz wenig darüber, was eigentlich konkret im Land passiert und haben uns [so] in eine Situation manövriert, die so konfrontativ ist." – Felix Jaitner
Nordstream 2
Auch die erst vor Kurzem fertiggestellte Gaspipeline Nordstream 2 beeinflusst die Beziehung zwischen Deutschland/EU und Russland. Allerdings ist es in diesem Zusammenhang wichtig zu wissen, dass Renten, Gehälter, Sozialleistungen und Ähnliches in Russland maßgeblich durch Öl- und Gasexporte finanziert werden und Russland deshalb extrem auf regelmäßige Gasexporte angewiesen ist. Europa sollte allerdings unabhängig davon für sich reflektieren, wie sinnvoll Gas als wesentliche Energieimporte noch sind. Diese Debatte kommt für Felix Jaitner wesentlich zu kurz.
Klimaschutz
Klar ist, dass der Klimawandel ein globales Problem ist, dass auch nur gemeinsam gelöst werden kann. Allerdings sind die Voraussetzungen in Russland oder China ganz andere als bei uns: Die soziale Ungleichheit in diesen Ländern ist wesentlich höher als beispielsweise in Deutschland.
"Für diese Länder ist der Klimawandel und die Forderungen der EU nach Dekarbonisierung natürlich auch erst mal eine gewaltige Herausforderung – eine viel größere Herausforderung als vielleicht für Deutschland, wo das technische Know-how, wo die industrielle Basis viel eher gegeben ist." – Felix Jaitner
Außerdem merkt er an:
"[In diesen Ländern] gibt es natürlich auch erst mal ein berechtigtes Entwicklungspotenzial, dass Menschen erst mal in Würde und ökonomisch und sozial abgesicherten Verhältnissen leben. Das ist finde ich erst mal ein berechtigtes Bedürfnis." - Felix Jaitner
Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland
Laut Umfragen hat die ostdeutsche Bevölkerung mehr Verständnis und Sympathie gegenüber Russland, als die westdeutsche Bevölkerung - im Februar 2020 ergab beispielsweise eine Umfrage, dass etwa 25 Prozent der Ostdeutschen, aber nicht einmal sechs Prozent der Westdeutschen, Putin vertrauten.
Das liegt sicherlich unter anderem daran, dass die Kontakte in die Sowjetunion und damit auch nach Russland in Ostdeutschland wesentlich enger waren als in Westdeutschland, sagt Felix Jaitner. Es gab zum Beispiel Schul- und Universitätsaustausche. Das ist ein wesentlicher Punkt, denn die Furcht vor dem Unbekannten, vor dem, was man nicht kennt, ist erst einmal größer, als vor dem Bekannten. Hinzu kommt wahrscheinlich, dass das Misstrauen gegenüber Russland, das Westdeutschland während des Kalten Kriegs geprägt hat, in Westdeutschland auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung noch stark zu spüren ist.
Felix Jaitner hat im Gespräch aber durchaus auch die positiven Seiten Russlands betont
Er selbst ist zum Beispiel großer Fan der russischen Literatur. Außerdem bewundert er die Kreativität und die Lebensfreude, die sich viele Russ*innen angeeignet haben - trotz der Schwierigkeiten, die den post-sowjetischen Raum in den letzten 30 Jahren geprägt haben.
"Ich glaube auch, dass wir ganz viel lernen können von Russland, einfach einen Perspektivwechsel [einzunehmen], auch mal von außen auf das eigene Land, auf die eigene Gesellschaft zu gucken, ist immer sehr spannend und man lernt da glaube ich unheimlich viel über sich selbst." – Felix Jaitner
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