Die dunklen Seiten des Internets

Die dunklen Seiten des Internets

Ein Abstecher

Das Darknet: Was es ist, wie man reinkommt und wann man sich kriminell macht.

In How to Sell Drugs Online (Fast) baut der Schüler Moritz Zimmermann in kürzester Zeit mit einem kleinen Team einen Online-Versand für Drogen im Darknet auf. Die beliebte deutsche Serie klärt schonmal so einige Hintergründe zum mysteriösen Thema Darknet - aber lässt einige Fragen offen.

Vom Darknet haben die meisten von uns schonmal irgendwie gehört.

Dem einen spuken Geschichten von Onlineshops für Drogen und Waffen durch den Kopf, Begriffe wie Bitcoin, Blockchain und Tor-Browser kommen der anderen in den Sinn. Aber wie das alles zusammenhängt und funktioniert, das versteht dann wohl doch eher die Minderheit.
Unsere Redakteurin Vicky wollte es genauer wissen und hat dafür mit Robert Helling vom Chaos Computer Club (CCC) und mit Mario Huber, dem Leiter des Dezernats für Cybercrime des bayerischen Landeskriminalamts gesprochen. Außerdem unternimmt sie den Selbstversuch:

Wie leicht kommt man denn eigentlich ins Darknet?

  • Das Darknet
    egoFM Vickys erster Ausflug ins Darknet


TOR in eine andere Welt

Vorneweg: Darknet ist kein eindeutig definierter Begriff. Robert Helling vom CCC meint dazu:
"Das Darknet ist der Teil des Internets, der nicht offensichtlich für jeden sichtbar ist. Manche meinen, da gehört schon alles, was man nicht einfach über Google findet dazu. Ein alternativer Ansatz ist zu sagen, dass das Darknet der Bereich ist, in dem verschlüsselt kommuniziert wird – zum Beispiel über TOR."

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Anonymität im Netz – wie funktioniert das?

TOR steht für The Onion Router und ist ein System das dafür sorgt, dass alle Nutzer*innen im Darknet anonym sind. Das funktioniert ungefähr so: Dein Rechner greift nicht direkt auf eine Website zu, sondern über eine Kette von vielen anderen Nutzer*innen, die sich überall auf der Welt befinden können. Wer die Anfrage ursprünglich gesendet hat, ist dadurch nicht mehr nachzuvollziehen. Robert erklärt das folgendermaßen:
"Es ist wie wenn du einen Briefumschlag, auf dem der Empfänger steht, nicht direkt abschickst, sondern ihn in ganz viele andere Briefumschläge, auf denen jeweils ein anderer Empfänger steht, steckst. Du hast dann also ganz viele Briefumschlagschichten – eben wie bei einer Zwiebel. Die erste Person, die deinen Brief erhält, öffnet ihn und sendet ihn dann an die nächste Person weiter. So kennt ein Glied dieser Kette immer nur die Person vor und nach sich – der ursprüngliche Sender und letzte Empfänger sind aber unbekannt."
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Surfen mit mehreren Weltumrundungen

Um an diesem System teilzunehmen muss man nichts weiter tun als den kostenlosen Tor-Browser runterzuladen. Das ist auch der erste Schritt in Vickys Selbstversuch. Das Runterladen und Installieren ist ganz einfach, sobald man dann beginnt zu surfen, dauert alles ewig. Schon auch verständlich, wenn jede Anfrage von Nutzer*in zu Nutzer*in unter Umständen mehrmals um die Welt, geht. Dafür ist man dann ja auch richtig anonym – oder etwa nicht? Robert Helling sagt dazu:
"An sich ist die Verschlüsselung sehr gut – man müsste das halbe Tor-Netzwerk kontrollieren, um eine Person eindeutig zu identifizieren und das wäre höchstens für sehr große Geheimdienste möglich. Aber man kann sich eben auf andere Weise verraten. Zum Beispiel kann festgehalten werden, welche Schriftarten auf deinem Computer gespeichert sind. Da es da sehr viele gibt, ist es nicht unwahrscheinlich, dass die Kombination genau dieser Schriftarten einzigartig ist. Wenn man dann später mit demselben Computer Online-Shopping oder ähnliches betreibt, taucht genau diese Kombination wieder auf. Und schon kann der anonyme Computer dem bekannten zugeordnet werden."

Ist jeder Mensch, der im Darknet unterwegs ist, kriminell?

Die Cybercrime-Abteilung der Polizei hat also durchaus ihre Möglichkeiten, vermeintlich anonyme User*innen zu enttarnen. Auch Vicky ist nicht uneingeschränkt anonym. Aber könnte man sie dann für ihr Experiment belangen? Mario Huber, Leiter des Cybercrime-Dezernats, antwortet darauf:
"Es gibt keinen Tatbestand 'Nutzung des Darknets' und den soll es auch nicht geben. Einfach nur eine Seite aufzurufen ist nicht strafbar, außer natürlich es handelt sich um eine Seite, auf der zum Beispiel direkt kinderpornografische Inhalte gezeigt werden."

Vicky will ihr Glück versuchen - in der Hoffnung, nicht auf eine solche Seite zu stoßen.

Sie sucht einfach mal "Marktplatz Drogen Darknet" im Tor-Browser - und findet prompt Seiten, auf denen diverse Links aufgeführt sind. Hinter denen lässt sich laut Mario Huber so ziemlich alles finden:
"Das meiste sind Online-Shops, in denen man jedes Rauschmittel das es gibt bestellen kann. Aber auch Kreditkarten, Personalausweise und Waffen werden angeboten. Das geht dann bis hin zu Dienstleistungen wie Hackerangriffen oder Auftragsmorden. Wie authentisch diese Angebote sind, weiß man aber natürlich nie."


Auf Streife im Netz

Vicky ist fast schon enttäuscht, als die meisten der Links nicht funktionieren. Robert Helling wertet das als Zeichen dafür, dass die Polizei immer erfolgreicher in der Eindämmung von Online-Kriminalität wird. Mario Huber erklärt das ungefähre Vorgehen seines Cybercrime-Dezernats:
"Ziel der Polizei im Darknet ist, die Seiten, auf denen Illegales angeboten wird, herunterzunehmen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Dabei gehen wir teilweise gezielt Webseiten an, aber sind auch ohne konkreten Verdacht auf Streife im Internet, wenn man so will."


Cannabis und Maschinengewehre

Letztlich findet Vicky doch was sie gesucht hat. Seiten, die von der Aufmachung her an eBay erinnern. Nur, dass hier statt ausgemusterten Klamotten und Möbeln Cannabis für sieben Euro das Gramm und das Maschinengewehr AK-47 für knapp 1.000 Euro angeboten werden. Kaufen will Vicky nichts - Robert Helling erklärt aber, wie das ablaufen würde:
"Man müsste dann vermutlich mit der Kryptowährung Bitcoins bezahlen und die Ware dann auf dem Postweg erhalten. Das ist dann auch der Punkt, an dem die Polizei am Häufigsten einschreitet."



Eine Kinderpornoseite aus der Gefängniszelle

Vicky hat jetzt genug. Sie will nicht auch noch mit einem anderen großen Thema im Darknet konfrontiert werden: Kinderpornografie. Mario Huber erzählt aus der Praxis:
"Kinderpornografie ist ein größer werdender Bereich, es gibt immer mehr Seiten mit immer mehr Usern. Wir hatten einen Fall mit einer Seite auf der Kinderpornografie von knapp 1.000 Nutzern ausgetauscht wurde. Da ist es irgendwann gelungen eine Telefonnummer des Betreibers herauszufinden. Es stellte sich heraus, dass dieser gerade wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger im Gefängnis saß und die Seite mit einem LTE-Stick und einem versteckten Laptop aus seiner Zelle heraus betrieben hat."



Die hellen Seiten des Darknet

Trotz all der Schattenseiten ist es in manchen Fällen auch wichtig, dass Menschen sich im Internet anonym austauschen können, insbesondere in autoritären Staaten. Robert Helling verdeutlicht:
"Darum unterstützen auch die USA das Darknet: Damit die Opposition in solchen Staaten eine Gegenöffentlichkeit darstellen kann, ohne dass bei den Akteuren die Geheimpolizei auf der Matte steht. Ein ganz simples Beispiel: Im Iran ist es verboten, Facebook zu nutzen. Über das Darknet wird das aber trotzdem möglich."

Mario Huber ergänzt:
"Auch für die Opposition in Weißrussland ist das Darknet gerade sehr wichtig. Aber es gibt auch Foren für Menschen mit bestimmten Krankheiten oder Neigungen, die das geheim halten wollen. Anonymität im Internet ist per se schon ein gute Sache!"

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