Die geheime Kraft der Bäume

Die geheime Kraft der Bäume

Was Bäume können

Von  Viktoria Molnar
Dass Bäume das Klima beeinflussen, ist bekannt. Wir zeigen dir, was sie sonst noch drauf haben.


Regen

Hast du dich schon mal gefragt, woher der Regenwald seinen Namen hat? Klar, dort regnet es viel, aber wie kann in extrem heißen Gebieten Regen entstehen? Die kurze Antwort lautet: Bäume. Die lange: Bäume schwitzen. Wenn uns Menschen zu heiß ist, dann flüchten wir uns in den Schatten. Bäume hingegen können sich nicht unter den nächsten großen Baum flüchten, um sich vor der starken Sonne zu schützen. Sie stehen da, angewachsen und der extremen Hitze ausgesetzt - vermeintlich zumindest. Über ihre Wurzeln nehmen Bäume Wasser auf, welches sie dann über die Blätter abgeben. Ein Teil verdampft - die Bäume transpirieren, sprich sie schwitzen. Das Wasser, welches verdunstet, lässt Wolken entstehen und dann, du ahnst es, fängt es an zu regnen. Und die Bäume können runterkühlen. 

Ein einzelner Baum kann hunderte Liter Wasser pro Tag verdunsten – mehrere Badewannen also. Bei großen Wäldern handelt es sich hierbei um riesige Mengen: Brasilianische Klimawissenschaftler*innen schätzen, dass der Amazonas Regenwald täglich rund 20 Billionen Liter Wasser ausstößt – 17 Prozent mehr, als der Fluss Amazons transportiert. Der Amazonas Regenwald ist also enorm wichtig für das Weltklima. Doch jedes Jahr werden es weniger Bäume. Für Landwirtschaft, Bergbau und Energiegewinnung, wird unaufhaltsam gerodet. Laut Klimaforscher*innen könnte der Amazonas bald einen Kipppunkt erreicht haben und sich dann rasend schnell zu einer Savanne entwickeln. Und wenn es erstmal soweit ist, wird es vermutlich zu spät sein, ihn zu retten.

Kommunikation

"Viele dieser Bäume waren meine Freunde: Geschöpfe, die ich von Nuss und Eichel an kannte. Sie hatten eine eigene Stimme." So hat es schon Tolkien in seinen Herr der Ringe Büchern beschrieben und damit nicht allzu falsch gelegen: Bäume können kommunizieren. Zwar nicht akustisch, dafür ziemlich facettenreich. Der ganze Wald funktioniert wie ein riesiges Netzwerk. Über das Wurzelgeflecht, das Wood Wide Web, wie es Forscher*innen nennen, verbünden sich Bäume mit Pilzgeflechten, die den Waldboden durchziehen. Damit können Bäume große Distanzen überwinden und sowohl Nährstoffe als auch Informationen quer durch den Wald schicken. Grundlage für dieses Verhalten ist eine Symbiose mit den Pilzen: Sie versorgen den Baum mit entlegenen Nährstoffen, wohingegen der Baum wiederum Zucker an die Pilze abgibt, die diese nicht selbst bilden können. 

Innerhalb der Bäume kommunizieren Baumkrone und Wurzelspitzen miteinander, zum Beispiel darüber, ob genug Wasser und Nährstoffe vorhanden sind. Wenn nun Schädlinge in der Baumkrone auf dem Vormarsch sind und der Baum beispielsweise von einem gemeinen Nagekäfer angefressen wird, so schickt er Bitterstoffe in die Blätter, um den Feind abzuschrecken. Da der Baum aber keine Fluchtmöglichkeit hat, muss er sich in besonders heiklen Situationen auf einen Trick verlassen: Über die Luft sendet er Duftstoffe aus. Mit diesen lockt er Vögel und Käfer an, die zur Hilfe eilen und die Angreifer*innen fressen. Anders als erwartet, ist der Baum also nicht schutzlos: Dank seiner Kommunikationsfähigkeit gelingt es ihm zu überleben. Oder wie Tolkiens Baumbart es ausdrücken würde: Als Baum braucht es viel Zeit etwas zu sagen. Also sagen wir nur etwas, wenn es sich wirklich lohnt.

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  • Kommunikation
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  • Erinnern und Vergessen
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  • Sehen
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Erinnern und Vergessen

Die erste große Liebe, festgehalten in der Rinde eines Baumes. Noch 20 Jahre später wird das Herz da sein. Vor allem aber wird der Baum die Erinnerung an diese Verletzung im Zweifel nie vergessen und an seine Kinder weitergeben.  Denn Bäume haben ein Gedächtnis: Das brauchen sie sogar zwingend, damit sie sich im Frühling erinnern können, dass zuvor Winter war und nun der richtige Zeitpunkt zum Blühen gekommen ist. Vor allem verlängerte Kältephasen müssen sie sich einprägen. Klingt simpel, ist in der Realität aber relativ komplex: Die Informationen dieses Gedächtnisses sind in Genen gespeichert. Diese wiederum sind von Eiweiß Verpackungen umhüllt, welche markiert sind. Diese Markierungen geben an, ob die Information gelesen werden kann oder nicht. Im Prinzip, wie bei einem simplen Computer.

Im Winter beispielsweise brauchen die Bäume Gene, die das Blühen unterdrücken. Im Frühling hingegen dürfen diese Gene nicht entpackt werden, damit die Bäume austreiben können. Der Baum gibt diese Information beim Wachstum von Zelle zu Zelle weiter. Mit diesem Gedächtnis speichert er seine Erinnerungen, die er teilweise auch an die nächste Generation weitergibt. Doch Bäume können auch vergessen. Sie müssen es sogar: Die genetische Erinnerung an die Kaltzeit beispielsweise muss gelöscht werden, damit die Pollen der neuen Bäume im Frühling ungestört gedeihen können. Dieses Phänomen ähnelt der Neuformatierung einer Computer-Festplatte. Bäume können also Vergessen und sich erinnern. Vielleicht erinnern auch wir uns bei der nächsten großen Liebe genau daran: Ist es notwendig unsere Liebesschwüre in die Rinde dieses Geschöpfes zu ritzen oder hält sie auch so ewig.

Sehen

Stell dir vor, du bist ein Baum wie damals im Schultheater. Du kannst dich weder bewegen noch sprechen. Aber du hast eine Fähigkeit, die dich trotzdem an allem teilhaben lässt: Du kannst sehen. Und so wie dich die Scheinwerfer blenden, kann auch der lebendige Baum Licht wahrnehmen. Über Lichtrezeptoren in den Blättern sieht er Strahlungen in allen Schattierungen. Und das ist wichtig: Bäume brauchen das Licht, um Energie zu gewinnen und um Informationen zu sammeln: zum Wachsen und für die Entwicklung.

Denn, wenn es Herbst wird, verliert auch das Licht an Stärke und die Bäume begreifen, dass sie sich auf den Winter vorbereiten müssen. Sie stoppen ihre Chlorophyll Produktion. Die Folge: Ihre Kronen werden braun, rot und gelb. Und zum Schluss verlieren die Laubbäume ihre gesamte Blätterpracht. Die Bäume gehen in den Energiesparmodus. Wenn es dann Frühling wird, wachen die Bäume auf und mit ihnen ihre Sehstärke. Über die Lichtrezeptoren nehmen sie wahr, wann sie keimen und wann sie blühen sollen. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass Bäume sich nach dem Licht ausrichten. Genau, wie der Baum im Schultheater.

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