Als ob die Wohnungssuche nicht schon schwer genug wäre, kommt dabei für viele noch Diskriminierung hinzu. Welche Rechte Betroffene haben, erklärt Sebastian Bickerich.
Der Wohnungsmarkt ist ein ganz schön hartes Pflaster. Die Mieten steigen immer weiter an und bei Massenbesichtigungen muss man sich gegen hunderte andere Mitinteressierte durchsetzen. Zu denen werden aber nicht mal alle eingeladen und das oft einfach nur wegen ihrer Sexualität oder einem Nachnamen, den Vermieter*innen nicht als "deutsch" wahrnehmen. Dabei ist Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt eigentlich verboten. Sebastian Bickerich von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes erzählt von Schlupflöchern, die unfaire Behandlung begünstigen und wie Betroffene bei Diskriminierung vorgehen sollten.
Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt
Sebastian Bickerich im Interview mit egoFM Elise
Umfrage und Testings belegen Diskriminierung
Jeder dritte Mensch, der eine Zuwanderungsgeschichte hat, hat in den letzten zehn Jahren Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt erlebt. Das belegt eine repräsentative Befragung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Laut Sebastian Bickerich zeigen das auch sogenannte Testings. Dabei bewerben sich Menschen mit gleichen Daten, aber unterschiedlichen Namen. Die Ergebnisse: Wer einen "typisch deutschen" Nachnamen hat, findet leichter eine Wohnung. Häufig werden auch Regenbogenfamilien diskriminiert oder Menschen mit Behinderung, die dann zum Beispiel keine Unterstützung für Barrierefreiheit erhalten.
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
Dabei ist Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt verboten. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetzes schreibt vor:
"Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen." – Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
Allerdings gibt es einige Schlupflöcher, die die Diskriminierung begünstigen. In einem direkten Umfeld, wenn also jemand eine Einliegerwohnung mietet, die sich in unmittelbarer Nähe der Vermieter*innen befindet, gilt das Benachteiligungsverbot nicht, denn dann greift als Ausnahmeregelung das sogenannte Näheverhältnis. Sebastian Bickerich erzählt, dass die Antidiskriminierungsstelle diese Regelung schon häufig kritisiert hat, weil sie die Benachteiligung fördert. Manchmal ist es aber gar nicht unbedingt ein Schlupfloch, durch das es zur Diskriminierung kommt, sondern einfach das Unwissen der Vermieter*innen.
"Vielen ist das Diskriminierungsverbot so nicht klar. Gerade privaten Vermieter*innen, die häufig denken, 'Naja, das ist vielleicht für einige große Vermieter*innen oder für Wohnungsbaugesellschaften relevant, aber doch nicht für mich'." – Sebastian Bickerich
Hürde für Betroffene
Dazu kommt, dass es für Betroffene relativ große Hürden gibt, wenn sie Diskriminierung geltend machen wollen. Einerseits haben sie nur zwei Monate dafür Zeit. Andererseits müssen sie das Erlebte allein vor Gericht bringen, ohne Hilfe von Mieter*innenverbänden oder Antidiskriminierungsverbänden.
"Ein Verbandsklagerecht, das gibt's im Diskriminierungsschutz nicht. Und das müsste dringend eingeführt werden. Die Ampel-Koalition hat erst kürzlich angekündigt, das deutsche Diskriminierungsrecht überarbeiten zu wollen. Und wir hoffen, dass sich die Fristen und Klagemöglichkeiten für Betroffene jetzt vereinfachen werden." – Sebastian Bickerich
Wohnung gefunden und trotzdem diskriminiert?
Selbst wenn Menschen eine Wohnung gefunden haben, kann es noch zu Diskriminierung kommen. Sebastian Bickerich erzählt von einem Fall, bei dem Mieterhöhungen in einem Mietshaus in Berlin-Kreuzberg nur für Familien mit türkischer oder arabischer Herkunft anfielen, für alle anderen Mieter*innen allerdings nicht. Manchmal kommt es auch zu Mobbing durch Nachbar*innen. In einem Mehrfamilienhaus seien aber eigentlich auch die Vermieter*innen dafür zuständig, dass Diskriminierung innerhalb der Mieter*innen unterlassen wird.
Wenn du bei der Wohnungssuche oder während eines Mietverhältnisses merkst, dass du aus irgendeinem Grund diskriminiert wurdest, hat Sebastian Bickerich folgenden Ratschlag:
"Lassen Sie sich beraten, holen Sie sich fachkundige juristische Beratung. Und versuchen sie, möglichst genaue Indizien zu sammeln, die die Diskriminierung belegen können." – Sebastian Bickerich
Möglichkeiten sind hier zum Beispiel auch wieder Testings, Zeug*innen, die die Diskriminierung belegen können oder Gedächtnisprotokolle. Gerade wenn und weil so etwas häufig mehrmals passiert, werden die oft vor Gericht anerkannt, meint Sebastian Bickerich. Wenn du dir die Diskriminierung vergegenwärtigt hast, kannst du dich zum Beispiel von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes beraten lassen. Es gibt aber auch regionale Antidiskriminierungsstellen, die kostenlos juristische Erstberatung anbieten. Eine Liste findest du hier.
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