Fehlende Diversität in Redaktionen

Fehlende Diversität in Redaktionen

Journalist Malcolm Ohanwe im Interview

Malcolm Ohanwe arbeitet für verschiedene öffentlich-rechtliche Sender und hat gemeinsam mit Marcel Aburakia den Podcast "Kanackische Welle". Im Interview mit Max hat er über fehlende Diversität im Journalismus gesprochen.

In vielen Redaktionen arbeiten immer noch zu einem Großteil weiße Männer mit akademischem Background. Das liegt unter anderem auch an dem sogenannten Similar-to-me-Effekt, sagt Malcolm.

Der Similar-to-me-Effekt 

Malcolm stellt klar, dass grundsätzlich die Person eingestellt werden sollte, die ihren Job am besten macht. Wenn aber natürlich überproportional viele Menschen in Redaktionen weiß sind oder aus einem bestimmten sozialen Milieu kommen, stellt sich für ihn die Frage, ob sich tatsächlich einfach die beste Person durchgesetzt hat, oder ob bei der Auswahl noch andere Gründe eine Rolle gespielt haben.

"Grundsätzlich geht es darum, dass überhaupt diejenigen Leute, die die besten Fähigkeiten haben - die am besten recherchieren können, die zuverlässig sind, die intelligent sind - eine Chance bekommen. Und wenn alle Menschen, die dort [in Redaktionen] sind, dieselbe Herkunft haben oder alle Männer sind, dann wage ich zu bezweifeln, das dem so ist und dann glaube ich, dass das meistens andere Gründe hat [als die Qualifikation]." - Malcolm Ohanwe

Einer dieser Gründe ist laut Malcolm der Similar-to-me-Effekt - Denn wissenschaftlich bewiesen stellen Menschen in Machtpositionen eher Menschen ein, die ihnen ähnlich sind. Männer stellen also lieber Männer ein, weiße Menschen lieber weiße Menschen und weiße Männer eben lieber weiße Männer.
  • Malcolm Ohanwe zu Gast bei Max
    Das komplette Interview zum Anhören


Malcolms Weg in den Journalismus 

Als Malcom sich dafür entschieden hat im Medienbereich arbeiten zu wollen, dachte er, sein sein Weg sei aufgrund seines Backgrounds schon vorbestimmt. Ihm wurde immerhin oft geraten, in die Entertainment-Richtung zu gehen und außerdem wurde er regelmäßig mit Persönlichkeiten wie Daniel Aminati oder Mola Adebisi verglichen. Also hat Malcolm ein Praktikum bei taff gemacht und dachte, er würde mal bei VIVA oder MTV arbeiten. Erst nach und nach ist ihm klar geworden, dass er  diese Richtung vielleicht gar nicht intrinsisch motiviert eingeschlagen hat, sondern sich nur den Erwartungen von anderen angepasst hat. 

Als ihm das bewusst wurde, hat er angefangen, dem Bayerischen Rundfunk immer wieder Themen vorzuschlagen, Praktika gemacht und nicht locker gelassen, bis er irgendwann ein Volontariat beim BR bekommen hat.

Aber auch während seines Volontariats beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk wurde Malcolm vereinzelt mit Vorurteilen konfrontiert.

Von einem Mentor wurde ihm einmal empfohlen, mehr in die Richtung Comedy zu gehen - wie Simon Pearce - anstatt in Reportagen vor der Kamera stehen zu wollen. Außerdem hatte er Angst davor, nach einiger Zeit wieder abgesägt zu werden.

"Als ich dann das Volo beim Bayerischen Rundfunk hatte, wusste ich schon, dass ich auch irgendwie auf den sozialen Medien auf meine Arbeit aufmerksam machen muss. Ich hatte Angst, in einem Laden festzustecken und sobald mein Habitus, meine Art, mein Style nicht mehr en vogue sind oder das nicht mehr kokett gefunden wird, dann sieht's schlecht aus. Und so hab ich jetzt irgendwie zehn öffentlich-rechtliche Sender, für die ich arbeite und wenn's mal da nicht so klappt, kann ich wo anders hin gehen. Das war meine Strategie." - Malcolm Ohanwe


Neben dem Similar-to-me-Effekt gibt es noch ein anderes Problem: Viele Redaktionen denken, sie müssten ihre Anforderungen herabsetzen, wenn sie mehr Menschen mit Zuwanderungsgeschichte einstellen wollen.

"Da ist dieses gleichsetzen von Qualitätsverlust, nur weil jemand einen Namen hat, der nicht deutsch klingt oder weil er aus einem Land kommt, das nicht in Europa liegt. Das ist so kompletter Bullshit, aber so gehen ganz viele Talente, die so viel können, aufgrund von Vorurteilen verloren." - Malcolm Ohanwe 

Alles in allem ist Malcolm aber sehr glücklich, beim BR zu arbeiten, da er bei vielen anderen Sendern nicht hätte so viel ausprobieren und eine solche Karriere hinlegen können, sagt er.

Selbstermächtigung durch Social Media

Durch Social Media und das Internet im Allgemeinen können sich Menschen heute ihren Platz in den Medien selbst erkämpfen. Wenn also Redaktionen bestimmte Inhalte nicht veröffentlichen wollen, weil sie Angst davor haben, sie seien zum Beispiel "zu nischig", gibt es immer noch die Möglichkeit, es selbst zu tun. Dass das funktioniert und beim Publikum ankommt haben zum Beispiel Minh Thu Tran und Vanessa Vu mit ihrem Podcast "Rice and Shine" oder auch Malcolm gemeinsam mit Marcel Aburakia und ihrem Podcast "Kanackische Welle" bewiesen.

Inzwischen ist "Rice and Shine" ein Produkt von WDR und ZEIT ONLINE und "Kanackische Welle" gehört zu funk.



Malcolm hofft allerdings, dass die öffentlich-rechtlichen Sender in Zukunft selbst solche Formate entwickeln und es nicht mehr nur die Aufgabe von Einzelpersonen ist, diversere Inhalte an die Öffentlichkeit zu bringen. Zu viele Redaktionen denken bei ihren Inhalten oft nur an weiße, ältere Menschen und vernachlässigen es, ob beispielsweise auch eine 34-jährige Frau mit albanischem Vater und türkischer Mutter von den Inhalten angesprochen wird, sagt Malcolm.

"Und das finde ich halt einfach nicht fair, das ist nicht in Ordnung weil am Ende zahlt jeder diesen Rundfunkbeitrag und wir sind ja auch gesetzlich dazu verpflichtet, die Gesellschaft und die verschiedenen Personengruppen abzubilden." - Malcolm Ohanwe

Diese Deutungshoheit von Redaktionen, zu entscheiden was gesendet wird und was nicht, wird durch das Internet und Social Media also aufgebrochen. Trotzdem sind Redaktionen in der Verantwortung, sich nachhaltig damit auseinanderzusetzen, was Menschen mit anderen Lebensrealitäten interessiert.

Von etablierten Chefredaktionen wünscht sich Malcolm deswegen, dass sie selbst nach talentierten und diversen Persönlichkeiten Ausschau halten und ihr Geld und ihre Strukturen nutzen, um diese Menschen zu pushen. 

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