Dr. Manuela Troschke ist EU-Klimabotschafterin für Scientists for Future und hat im Interview die Ergebnisse der 26. Klimakonferenz bewertet.
Scientists for Future ist ein Zusammenschluss von Wissenschaftler*innen, die sich für den Klimaschutz einsetzen und die Schüler*innenbewegung Fridays for Future unterstützen. Dr. Manuela Troschke ist nicht nur EU-Klimabotschafterin von Scientists for Future, sondern auch Volks- und Betriebswirtin mit internationalem Forschungsschwerpunkt und hat mit egoFM Gloria die UN-Klimakonferenz eingeordnet.
Dr. Manuela Troschke über die Klimakonferenz
Das komplette Interview zum Anhören
Die COP26
Vom 31. Oktober bis zum 12. November fand dieses Jahr die 26. Klimakonferenz (auch 26th Conference of the Parties, kurz COP26) statt. Bereits ein paar Tage nach Beginn bezeichnete Klimaaktivistin Greta Thunberg die Klimakonferenz als ein "Greenwashing-Festival". Dr. Manuela Troschke versteht diesen Ärger sehr gut. Schon der Klimagipfel im April lieferte keine konkreten Ergebnisse und auch beim G20 Gipfel dieses Jahr wurde wenig Konkretes beschlossen - die COP26 reiht sich ihrer Meinung nach leider in diese Liste an Klimaschutz-Events eher bescheidenen Ergebnissen ein.
Dr. Manuela Troschke hat viele Punkte, die bei der COP26 unbedingt hätten beschlossen werden müssen, um das 1,5 Grad Ziel zu erreichen.
Besonders wichtig wäre es ihrer Meinung nach zum Beispiel gewesen, dass die Selbstverpflichtungen der Nationen zur Reduzierung von Treibhausgasen höher und konkreter sind und vor allem auch pünktlich abgeliefert werden müssen. Außerdem hält sie es für extrem wichtig, dass es eine transparentere Berichterstattung mit ausreichend Daten und Fakten gibt, um eine eine bessere Kontrolle darüber zu haben, welcher Staat sich wie am Kampf gegen den Klimawandel beteiligt. Denn nur durch Prüfungen und gegebenenfalls auch Sanktionen kann sichergegangen werden, dass unterzeichnete Beschlüsse tatsächlich umgesetzt werden.
Fast am wichtigsten findet Troschke aber, dass der Artikel 6 des Pariser Klimaschutzabkommens überarbeitet wird. Dieser regelt den internationalen Handel mit Emissionsrechten und -einsparungen und kann einerseits den globalen Klimaschutz ermöglichen, andererseits aber auch in einem Desaster enden, weil betrogen und gemogelt werden kann.
Es ist aber natürlich nicht so, als gäbe es keinerlei Ergebnisse bei der COP26:
Zum Beispiel wurde beschlossen, die Abholzung der Wälder bis 2030 zu stoppen und Methan-Emissionen zu reduzieren.
"Was in diesem Gipfel das Besondere war, ist, dass es eben sehr viele kleine Initiativen gibt. Das ist etwas Neues. Das mag man gut oder schlecht finden, aber jeder Schritt zählt." - Dr. Manuela Troschke
Sie sagt aber auch klar, dass uns diese Beschlüsse allein beim Klimaschutz nicht voran bringen werden. Nur wenn diese und viele weitere Schritte tatsächlich auch in der Realität umgesetzt werden, kann das 1,5 Grad Ziel erreicht werden.
Ein weiterer dieser kleineren Beschlüsse ist auch das sogenannte Verbrenner-Aus
Alle verkauften Neuwagen sollen spätestens ab 2040 emissionsfrei sein, das haben verschiedene Nationen und Automobilhersteller beschlossen. Deutschland hat sich allerdings an dieser Erklärung nicht beteiligt, obwohl es bereits eine EU-Richtlinie gibt, die die Neuzulassung von Verbrennerautos ab 2035 verbietet. Offiziell heißt es, dass Deutschland den Beschluss aufgrund einer Fußnote, welche auch synthetische Kraftstoffe ausschließt, nicht unterschrieben hat. Troschke sieht darin allerdings eher den Versuch, die deutsche Automobilbranche und ihre Befürworter*innen nicht zu verärgern. Schon in den Koalitionsverhandlungen wird versucht, das Thema Verbrenner-Aus an die EU auszulagern - ähnlich schätzt sie auch die Nichtbeteiligung an dem Beschluss der Klimakonferenz ein, sagt sie. Dieser ist allerdings sowieso nicht rechtlich bindend:
"Die erste Fußnote weist stark darauf hin, dass dieses Papier 'not legally binding' ist, das heißt also, es hat keine Gesetzeskraft. Insofern ist das fast ein bisschen eine lustige und eine traurige Angelegenheit, wie unsere Bundesregierung sich hier verhält. Das ist eine persönliche Meinung von mir." - Dr. Manuela Troschke
Deutschland ist allerdings nicht die einzige Nation, die hier und da nicht mitzieht. China zum Beispiel strebt Klimaneutralität erst bis 2060 an - wenn es eigentlich schon zu spät ist - und Australien will beim Kohleausstieg nicht mitmachen. In diesem Zusammenhang spricht sie auch das Problem des "Free-Riding" - Effekts an, das bei solchen kollektiven Gütern auftritt.
Dieser beschreibt, dass jemand den Nutzen eines Gutes auch dann erlangt, wenn keine Gegenleistungen erbracht werden und dementsprechend die Motivation sinkt, sich überhaupt zu beteiligen. In diesem konkreten Fall bedeutet das, dass es Nationen gibt, die davon profitieren, dass andere Länder ihre Emissionen reduzieren, sie selbst bemühen sich aber nicht, den Ausstoß von Treibhausgasen zu senken. Dieser Effekt hat für Dr. Manuela Troschke nur eine Folge: Andere Nationen müssen noch ambitionierter handeln.
Alles in allem hat Dr. Manuela Troschke das Gefühl, dass sich die Wege der Vorreiter*innen und Nachzügler*innen beim Thema Klimaschutz immer weiter trennen. Ihrer Meinung nach wird es in Zukunft immer schwerer werden, Beschlüsse zu finden, bei denen alle Staaten mitmachen.
"Ich glaube wir müssen uns damit abfinden, dass diese Zeiten ein bisschen vorbei sind und die Wege sich ein bisschen trennen. Denn zum Mitmachen zwingen kann man niemanden, das kann auch die UNO nicht. [...] Die vielen Initiativen, die sich jetzt gebildet haben, halte ich unter Umständen für schlagkräftiger als ein großes Dokument. Wichtig ist es aber, dass man sich nach wie vor trifft um technische Regeln festzulegen und da hoffe ich einfach, dass es schneller vorwärts geht als bislang. " - Dr. Manuela Troschke
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