Einsamkeit ist kein Tabuthema

Einsamkeit ist kein Tabuthema

Ein Psychotherapeut spricht übers einsam sein

In Großstädten wohnen immer mehr Menschen, doch die wenigsten kennen sich. Ein Grund für Vereinsamung.

Wahrscheinlich hatte die Angst jede*r schon mal

Die Freund*innen gehen weg und man selbst bleibt aus irgendwelchen Gründen zu Hause, im schlimmsten Fall erleben sie etwas richtig gutes ohne einen. Und Zack - man fühlt sich allein und ausgeschlossen. Doch dieses Gefühl muss man nicht einfach hinnehmen und sollte es auch gar nicht auf Dauer. Denn man kann sich auch selbst helfen.

Wir haben mit dem Beziehungsexperten Stefan Woinoff gesprochen und einige Fragen zum Thema Einsamkeit gestellt...

 

Was ist Einsamkeit?

Der Psychotherapeut definiert Einsamkeit als das Gefühl des ausgeschlossen Seins. Auch im Gehirn reagiert bei einsamen und Menschen die sich ausgeschlossen fühlen, der gleiche Teil. Im Gegensatz zum einfachen Alleinsein, mit dem man ja auch sehr glücklich sein kann.

Besonders interessant: Gerade in Großstädten fühlen sich viele Menschen einsam, da dort zwar viele wohnen, sie sich aber nicht als Teil einer Gemeinschaft begreifen, weil sie die anderen nicht kennen und nicht mit ihnen reden.

Das heißt hier entsteht das Gefühl des Ausgeschlossenseins. Wenn aber Großstädter zum Beispiel in die Natur gehen, fühlen sie sich dort als Teil und somit deutlich weniger oft einsam. Digitale Medien haben übrigens einen ähnlichen Effekt auf uns, da wir die Personen nicht mehr im echten Leben sehe und vielleicht sogar mitkriegen, was sie alles ohne uns machen, also wo wir ausgeschlossen sind.

Was ist das Problem mit der Einsamkeit?

Die Schwierigkeit ist nicht, dass man sich an einem Tag einsam fühlt, sondern wenn es sich über einen längeren Zeitraum erstreckt. Denn einsam sein macht körperlich krank! Tatsächlich wird dieses Gefühl im Kopf wie echte Schmerzen verarbeitet, die man auch tatsächlich spüren kann. Außerdem hat der Mensch in der Evolution gelernt, dass er nur in der Gruppe überleben kann. Fällt diese Gruppe durch dauerhaftes Alleinsein weg, kann es sich bis hin zur Todesangst aufschaukeln, da der Zustand vom Gehirn als bedrohlich wahrgenommen wird. Dadurch entsteht auch ein dauerhafter Stressfaktor, der zusätzlich krank macht – klar, wenn man den ganzen Tag Schmerzen und Angst hat.

Wie kann ich mir Hilfe holen?

Eine der wichtigsten Dinge ist: Bloß nicht resignieren und sich mit der Einsamkeit abfinden, das macht es nur noch schlimmer.

Etwas knifflig, aber man muss selbst aktiv werden. Das beste Mittel ist Partnerschaft, auch im hohen Alter. Des weiteren hilft es natürlich seinen Freundeskreis zu pflegen. Das ist natürlich nicht einfach, doch es gibt auch kleinere Schritte die man machen kann. Eine Hilfe kann sein sich selbst bewusst etwas gutes zu tun und so neues Selbstvertrauen aufzubauen für neue Kontakte. Wer neu ist in einer Stadt fängt am besten ein Hobby an, ob man dabei viel mit Menschen zu tun hat ist im ersten Moment zweitrangig.

Auch in Facebook- oder Selbsthilfegruppen (beispielsweise vom Selbsthilfezentrum München) kann man Gleichgesinnte treffen - und dabei kann man sich auch vor Augen halten, dass alle Gruppenmitglieder*innen im selben Boot sitzen, man muss also keine Angst vor Ablehnung haben, wenn man diesen Schritt tut. Auch Spiritualität kann helfen Einsamkeit zu überwinden und sich geborgen zu fühlen.

In schlimmen Fällen kannst du natürlich auch die kostenfreie Nummer der Telefonseelsorge anrufen, denn Sorgen kann man teilen.

Die Menschen dort sind 24 Stunden für dich erreichbar und haben immer ein offenes Ohr. Die Telefonseelsorge bietet außerdem eine Chat-Beratung an, falls du nicht gerne telefonierst.



Die nicht ganz so klassischen Tipps gegen Einsamkeit

Beginnen wir leger – auf einen Tanzkurs bist du sicherlich auch schon mal gekommen, vielleicht hast du ja sogar schon einen besucht. Vielleicht aber auch nicht, weil es dir a) zu blöd ist oder b) du einfach niemanden hattest, der gerne mit dir einen Kurs besuchen wurde. Im Falle von b) gibt's eine gute Nachricht: Es existieren auch Single-Tanzkurse. Du brauchst keinen oder keine Partner*in und viele Tanzschulen bieten diese Kurse auch für verschiedene Altersklassen an. Du musst also als Student keine Angst haben, dass du von einem fünf Dekaden älteren Herr angefasst wirst -  oder andersrum.

Du bist schon etwas erfahrener und alleine, hast aber total gerne Kinder um dich? Dann bewerbe dich als Leihoma oder -opa.

Damit kannst du etwas Gutes tun und zugleich Einsamkeit bekämpfen. Im Internet gibt es mehrere Portale, die Omas und Opas an Familien mit Kindern vermitteln. Die Leihgroßeltern nehmen die Kinder zum Beispiel einmal die Woche nach der Schule oder dem Kindergarten zu sich und unternehmen Ausflüge zum Spielplatz oder in den Zoo.

Es soll doch lieber was Musikalisches sein?

Die Antwort sind Singkreise, auch die gibt es für alle Altersgruppen. Um mitzumachen muss man kein Profi sein, es reicht Spaß am Singen mitzubringen. Unter Anleitung werden dann meist wöchentlich verschiedene Lieder zum Besten gegeben, natürlich alles in der Gruppe.

Nun Dinge, von denen jetzt viele bestimmt zum ersten Mal hören

Schluss mit in den Keller gehen zum Lachen.

Du fühlst dich nicht nur einsam sondern auch traurig? Viele Menschen in ähnlichen Situationen hat Lachyoga geholfen. In sogenannten Lachclubs treffen sie sich draußen, um – richtig geraten – gemeinsam herzhaft und laut zu Lachen. Bei Interesse einfach im Internet nach Lachyoga suchen und gut fühlen.

30 fremde Menschen sitzen sich in einem Raum gegenüber und starren sich wortlos an.

Das Experiment Eye Contact gibt es seit fast vier Jahren in München. Dahinter steckt eine prima Möglichkeit jemanden kennenzulernen und sich Teil einer Gemeinschaft zu fühlen, ohne dabei reden zu müssen. Die Termine werden in der Gruppe Eye Contact Munich über Facebook geteilt.

Für die Hartgesottenen: Die Kuschelparty.

Diese Party hilft auf alle Fälle gegen Einsamkeit. Wie der Name schon sagt geht es bei diesen Veranstaltungen um körperliche Nähe. Ziel ist es, dass fremde Menschen sich näher kommen und entspannen und loslassen können. Um das Ganze nicht zu komisch für alle Beteiligten zu machen, gibt es Moderator*innen, die am Anfang auch Spiele machen, um Berührungsängste abzubauen.




Hast du noch mehr Tipps?

Dann gerne her damit, am besten via Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!



Radiohören gegen Einsamkeit

Manchmal hilft es schon, das Radio anzuschmeißen und Musik und Moderationen zu lauschen. Klick hier aufs Bild und du gelangst direkt in unseren Live-Stream:

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