Mediatorin und Diplompsychologin Lisa Camen über Schuld in Konflikten
Wer hat die Schuld daran, dass wir uns gerade anschreien? Ganz klar – immer der*die andere. In der Mediation sucht man Wege, Schuldzuweisungen zu überwinden.
"Er*Sie hat angefangen!" Klingt nach Kindergarten. Spielt aber, wenn wir ehrlich sind, auch in vielen Streitgesprächen unter Erwachsenen eine Rolle, wenn auch in anderen Worten. Wenn Zwei sich streiten, freut sich der*die Dritte. Und das wäre in unserem Fall Lisa Camen. Denn sie lebt davon, den Streit der ersten beiden zu schlichten. Die Diplompsychologin, Paartherapeutin und Mediatorin spricht im Interview mit egoFM darüber, wie der Mensch typischerweise mit Schuld umgeht, gibt Tipps, wie man sich am besten entschuldigt und macht deutlich, warum in einer gesunden Beziehung ein Seitensprung kein Weltuntergang sein muss.
Wer ist schuld?
Mediatorin Lisa Camen im Interview
Schuld und Sühne
Schuldgefühle plagen uns, weil wir wissen, dass wir etwas falsch gemacht und uns über moralische Werte hinweggesetzt haben. Das ist vor allem im sozialen Miteinander notwendig. Ein friedliches Zusammenleben ohne Schuldgefühle wäre wohl kaum möglich.
Doch auch wenn Schuld so wichtig ist, wird sie oft abgewehrt. Klar, wer schuld ist, muss Verantwortung übernehmen und sich Fehlverhalten eingestehen. Und das möchte niemand sonderlich gern. Da wird lieber jemand anders gesucht, der*die schuld sein könnte.
Strukturierte Konfliktlösung in der Mediation
Aber warum wollen wir eigentlich immer jemanden die Schuld in die Schuhe schieben?
"Naja, Schuld ist etwas, was wir von früher – Kindheit an - erlernt haben, nämlich in der Form, dass wenn wir einen Schuldigen haben, einen Verantwortlichen haben für die Misere. Und deshalb ist Schuld für denjenigen der Schuld ist, eine große Belastung. Und für denjenigen, der nicht Schuld ist, eine große Entlastung. Und zwar vor allem im moralischen Sinne."
Wenn zwei Konfliktparteien in die Mediation kommen, steht für sie meistens schon fest, wer die Schuld trägt. Diese klare Rollenverteilung gilt es dann erst einmal aufzulösen. Mit Hilfe der sogenannten Gewaltfreien Kommunikation sollen beide Seiten eine Stimme bekommen. Jeder soll ausdrücken, wie sich für ihn*sie die Situation darstellt und was er*sie dabei empfindet. Nur so kann eine Seite Verständnis für die andere aufbringen.
Die Suche nach der Win-Win-Situation
Besonders wichtig dabei: Als Mediatorin ist Lisa Camen allparteilich. Sie begleitet das Gespräch immer mit dem Ziel, für beide Seiten die beste Lösung zu finden.
Auch in der Paartherapie spielt Kommunikation eine wichtige Rolle. Es soll thematisiert werden, was wer wie empfindet. Und das am besten auch in schwierigen Situationen, wie wenn ein*e Partner*in fremdgegangen ist. Für Lisa Camen geht es hierbei nicht darum, dass eine Seite der anderen verzeiht, sondern darum, dass beide Seiten gemeinsam mit dem, was passiert ist, umgehen.
"Fremdgehen kann passieren."
How to: Entschuldigen.
Zum Schluss noch ein Tipp für alle, denen es schwerfällt, sich zu entschuldigen:
Mach ganz deutlich, wofür du dich entschuldigst.
Zeige, dass du dich damit beschäftigt hast, welche Auswirkungen dein Handeln auf die andere Person hatte. Und stelle dar, wie die Situation für dich war.
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