Wolfgang Beltracchi ist der größte Kunstfälscher der Nachkriegsgeschichte. Ermittler*innen gehen von einem Gesamtgewinn zwischen 20 und 50 Millionen Euro aus.
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31.03.2020
Wolfgang Beltracchi im Interview
Fälschung oder Imitation?
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Wolfgang Beltracchi über die Kunst des FälschensegoFM Feature
40 Jahre Kunstfälschung
Im Alter von 12 bis 17 Jahren ist er nach der Schule mit seinem Vater, der als Restaurator gearbeitet hat, in Kirchen gegangen und hat von ihm gelernt. Mit 17 ist er vom Gymnasium geflogen und daraufhin nach Aachen an die Werkkunstschule gegangen, um dort vier Jahre zu studieren:"Aber keine Malerei, das konnte ich ja schon. Also Illustration, viel Aktzeichnung, anatomische Zeichnung, bisschen Bildhauerei, Fotografie – alles was so dazu gehört." – Wolfgang Beltracchi
Fälschung oder doch nur Imitation?
Beltracchi ist zwar als Kunstfälscher in die Geschichte eingegangen, genau genommen hat er aber nur imitiert. Abgesehen von der Unterschrift natürlich..."Ich habe ja keine Bilder gefälscht, sondern nur die Unterschrift [...]. Ich hab ja Originale gemalt, die's einfach noch nicht gegeben hat. Und die Unterschriften waren Fälschungen, dafür bin ich auch verurteilt worden." - Wolfgang Beltracchi
Mit seinen Bildern wollte Beltracchi aber nie irgendjemanden vorführen. Er selbst sagt, er wollte einfach nur ein schönes Leben führen und seine Bilder malen.
Lange blieb der Betrug unentdeckt
Er beherrscht die Handschrift der Künstler und kann jede Epoche malen. Deshalb hatten alle seine Bilder auch Expertisen und waren im Werkverzeichnis - viele hatten sogar naturwissenschaftliche Gutachten. 40 Jahre lang hat keiner die Fälschungen bemerkt.Dann hat ihn eine weiße Farbe verraten:
"Ja ich glaube es war ein Zinkweiß, wo etwas Titanweiß drin war [...]. Nicht, dass es das nicht schon gegeben hätte, dieses Weiß [...], aber es war nicht sehr gebräuchlich. Da kam dann schon irgendwie die Frage auf, wie kommt das Weiß da rein." – Wolfgang Beltracchi
Dass sie irgendwann erwischt werden, war dem Ehepaar klar.
Allerdings haben sie nicht damit gerechnet, dass es zu einer Haftstrafe kommen wird."Wir haben's auch gar nicht so eng gesehen, also wir haben auch gar nicht gedacht, dass wir da jetzt irgendwie unbedingt ins Gefängnis gehen. Wir haben gedacht, wir werden uns schon einig. Da wir aber an die Deutschen geraten sind, sind wir da schwer auf dem Glatteis gelandet" – Wolfgang Beltracchi
Seine Haftstrafe hat er inzwischen verbüßt und Einsicht zeigt er auch.
Die Urkundenfälschung, für die er verurteilt wurde, bereut er. Die Bilder an sich aber natürlich nicht, sagt Beltracchi.Die große Frage: Sind noch unentdeckte Beltracchis im Umlauf?
"Jaja, natürlich, reichlich. Aber die werden natürlich auch nie enttarnt, weil die haben ja auch ne gute Geschichte, die sind ja auch schon relativ alt und haben auch alle ihre Gutachten." – Wolfgang Beltracchi
Beltracchi selbst geht davon aus, dass es insgesamt im Hochpreisniveau der Kunst drei bis fünf Prozent Fälschungen gibt. Falsche Zuschreibungen dagegen – vor allem bei alten Meistern - sind vermutlich viel häufiger.
"Kein Mensch kann diese Bilder wirklich auseinander halten. [...] Die ganzen großen Meister hatten auch ne Menge Schüler – und was haben die gemacht? Die haben versucht so zu malen, wie ihre Meister." - Wolfgang Beltracchi
Und dass man sich an anderen Künstler*innen orientiert, ist für Beltracchi normal und absolut nicht verwerflich. Im Gegenteil:
"Die Kids kommen an die Unis und wollen Kunst lernen. Und das erste was sie zu hören kriegen von ihren Professoren: "Du musst deinen eigenen Stil finden." Ja das ist ja gruselig, das ist so schlimm. [...] dann machen die alle irgendwas, wo sie meinen, das hat noch einer nicht gemacht. [...] ich kenne Künstler, die ihr Leben lang krampfhaft versuchen, was zu finden, was ein anderer noch nicht gemacht hat. Das ist so schlimm." – Wolfgang Beltracchi
Und was sagt ein Kunstfälscher dazu, wenn die eigenen Werke nachgemalt werden?
"Das ist mir sowas von egal. Das wär ja noch ein Ding, wenn mir das nicht egal wäre." – Wolfgang Beltracchi
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