Dark Tourism: Reisen an die düstersten Orte der Welt

Dark Tourism: Reisen an die düstersten Orte der Welt

Zwischen morbider Faszination und Aufklärung

Konzentrationslager, Städte wie Tschernobyl und Fukushima oder ehemalige Hochsicherheitsgefängnisse wie Alcatraz sind nicht nur Orte, an denen furchtbare Katastrophen stattgefunden haben, sondern auch beliebte Tourismus-Attraktionen. Wir haben mit einem Experten über den sogenannten Dark Tourism gesprochen.

Christian Eckert ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Tourismus der Katholischen Universität Eichstätt und beschäftigt sich in seiner Promotion mit Orten des Dark Tourism.
  • Christian Eckert über Dark Tourism
    Das Interview zum Nachhören

Dark Tourism als wissenschaftlicher Begriff

Der Begriff Dark Tourism entstand erst in den 1990ern und bis heute gibt es keine einheitliche Definition. Im Kern geht es aber um Tourismus an Orten, die mit den Aspekten Tod, menschlichem Leid und Naturkatastrophen in Verbindung stehen.

Das sind bekannte Orte wie Konzentrationslager, Ground Zero oder Tschernobyl, aber auch wirklich spezielle Orte, wie das Gefängnis in der Bucht von Kapstadt, in dem Nelson Mandela saß oder das ehemalige Hochsicherheitsgefängnis Alcatraz.

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Die Begrifflichkeit ist zwar neu, die Faszination für diese Orte aber nicht

Neben dem wissenschaftlichen und dem medialen Interesse, rücken auch Formate wie die Netflix-Doku "The Dark Tourist", das Thema heute mehr und mehr in eine öffentliche Wahrnehmung. Grundsätzlich reicht Dark Tourism aber bis ins antike Rom zurück:

Gladiatorenkämpfe im Kolosseum oder öffentliche Hinrichtungen im Mittelalter wären nach heutigem Verständnis auch Dark Tourism, genauso wie das Besuchen von Kriegsschauplätze nach den beiden Weltkriegen, erzählt Christian Eckert.

Dark Tourism – Morbide Faszination?

Christian Eckert macht klar, dass ein Großteil der Menschen diese Orte aus einer bildungsorientierten Haltung heraus besuchen und etwas über die Geschichte der Orte lernen wollen.

"Es gibt an solchen Orten natürlich ganz klar auch diejenigen Besucher, die wirklich den Kick suchen […] aber es ist schon auch so, dass man ganz klar sagen kann, dass ist eine kleine Minderheit letzten Endes." – Christian Eckert

Dark Tourism ist ein riesiger Bereich innerhalb der Tourismusbranche.

"Teilweise sagen Wissenschaftler sogar, es ist eigentlich von der Kategorie her mit das am meisten verbreitetste Angebot, das es im Tourismus gibt." – Christian Eckert

Darüber, ob das wirklich so ist, kann man natürlich streiten, aber Fakt ist, dass das Besuchen dieser Orte sehr weit verbreitet ist und dementsprechend einfach, sie zu besuchen. Dark Tourism ist aber natürlich oft auch nur ein kleiner Bestandteil, einer größeren Reise. Wenn man sowieso schon in New York ist, schaut man sich eben auch Ground Zero mal an.

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Der Einfluss von Social Media

Einen gewissen Einfluss darauf, welche Orte von Tourist*innen besucht werden, hat auch Social Media, denn vor allem Instagrammer*innen nutzen die Orte als Kulisse, um sich zu präsentieren.

"Wenn wirklich viele Leute jetzt nach Tschernobyl reisen […] muss man schon auch sagen, wie moralisch vertretbar ist es denn eigentlich, so einen Ort auch als Kulisse zu benutzen." – Christian Eckert

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Das Internet bietet gleichzeitig aber auch die Möglichkeit, sich vorher über den Ort zu informieren und sich reflektierte Gedanken zu machen. Herr Eckert macht aber auch deutlich, dass es auch seitens der Verwaltung dieser Orte geregelt sein muss, wie mit dem Ort angemessen umgegangen und man den verschiedenen Interessensgruppen gerecht werden kann:

 "Da ist natürlich auch eine gewisse Aufklärung, eine gewisse Bildungsarbeit von den entsprechenden Einrichtungen vor Ort dann gefragt, eine Sensibilisierung der Leute und ich glaube, dass dann das ganze Thema Dark Tourism an sich auch nichts Verwerfliches ist. Man muss eben immer versuchen, einen möglichst reflektierten Zugang zu so einem Ort zu haben." – Christian Eckert



Ob man diese Orte besuchen sollte oder nicht, können wir nicht beantworten, aber ein respektvoller Umgang und eine reflektierte Auseinandersetzung mit der Geschichte dieser Gebiete sollte eine Grundvoraussetzung für den Besuch sein.

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