Von Gloria Grünwald (Interview) | Miriam Fischer (Artikel)
Am 25. November ist der Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen. Hintergrundinfos und das komplette Interview mit Bettina Jahn von UN Women Deutschland findest du hier.
Bettina Jahn ist Pressesprecherin von UN Women Deutschland und hat im egoFM Reflex-Interview mit Gloria unter anderem erklärt, welche Maßnahmen notwendig sind, um Frauenrechte weltweit zu stärken, was Männer tun müssen, um sich aktiv gegen Gewalt an Frauen einzusetzen und warum auch Sportereignisse wie die Fußball WM dazu führen können, dass die Gewalt gegen Frauen steigt.
Bettina Jahn über Gewalt gegen Frauen
Das komplette Interview zum Anhören
egoFM Krissi über ihren Song "Partymaus"
Das komplette Gespräch zum Anhören
Geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen
Jede dritte Frau weltweit erlebt mindestens einmal geschlechtsbasierte Gewalt in ihrem Leben. Das sind mehr als 852 Millionen Frauen weltweit. Frauen, die zusätzlich von weiteren Diskriminierungsformen betroffen sind, beispielsweise von Rassismus, Homofeindlichkeit oder Ableismus, sind noch einmal mehr gefährdet.
Dabei gibt es sehr viele unterschiedliche Formen von Gewalt, zum Beispiel häusliche Gewalt, sexualisierte Gewalt, digitale Gewalt, ökonomische Gewalt, sexualisierte Belästigung am Arbeitsplatz, Stalking, Mobbing, psychische Gewalt, Gewalt im Namen der "Ehre", Zwangsverheiratung, Genitalverstümmelung, Menschenhandel oder die drastischste Form: Femizid. Am 25. November ist der Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen, auch Orange Day genannt. Die Farbe Orange symbolisiert dabei eine Zukunft ohne Gewalt gegen Frauen.
Die Corona-Pandemie hat beispielsweise die Gewalt im häuslichen Umfeld verschärft, das bestätigt auch Bettina Jahn im Interview: Während der Corona-Lockdowns sind die Anrufe und die Beratungskontakte über das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" enorm angestiegen und auch die Statistik zu Partnerschaftsgewalt des Bundeskriminalamts hat 2020 einen deutlichen Anstieg verzeichnet. 2021 gingen diese Zahlen wieder leicht zurück, sie sind aber dennoch deutlich höher als vor der Pandemie.
"Die Zahlen sagen, dass jeden dritten Tag eine Frau [in Deutschland] durch Gewalt ihres Partners stirbt, dass jeden Tag zehn Frauen durch ihren Partner oder Expartner vergewaltigt oder sexuell genötigt werden, alle viereinhalb Minuten erlebt eine Frau in Deutschland partnerschaftliche Gewalt. Das sind heftige Zahlen, die man erstmal so sacken lassen muss, aber da muss man auch ganz klar festhalten, dass das eben nur die Fälle sind, die wirklich zur Anzeige gebracht wurden und dass es sich dabei nur auf Gewalttaten bezieht, die innerhalb von Partnerschaften geschehen sind. Alle anderen Gewalttaten gegen Frauen kommen da gar nicht vor." - Bettina Jahn
Es scheint außerdem so zu sein, dass die Gewalt gegen Frauen während und nach Fußball-Weltmeisterschaften deutlich steigt, das zeigen zwei Studien aus England. Dabei ist der Faktor Alkohol allerdings deutlich größer als die Emotionen während des Fußballspiels.
Digitale Gewalt
Digitale Gewalt kann zum Beispiel in Form von Hass, Bedrohungen oder Anfeindungen stattfinden, aber auch ungewollte Dickpics oder ungewollte Deepfakes zählen beispielsweise dazu.
"Digitale Gewalt ist dabei aber gar nicht so sehr getrennt zu betrachten von analoger Gewalt, sondern ist im Grunde genommen eine Fortführung der Gewalt, die eben im - in Anführungszeichen - realen Leben schon passiert." - Bettina Jahn
Social Media macht diese Formen von Gewalt sehr einfach, auch weil die Hemmschwelle noch einmal niedriger ist. Laut einer Studie von Plan International haben 70 Prozent der Mädchen in Deutschland schon digitale Gewalt auf Social Media erlebt, erzählt Bettina Jahn. Die Strafverfolgung im Internet ist allerdings noch sehr viel schwieriger als im analogen Leben. UN Women setzt sich deswegen auch dafür ein, dass das Netz kein straffreier Raum ist.
Hier siehst du die politischen Forderungen von UN Women Deutschland:
Gleichzeitig wird auf Social Media aber auch viel Awareness für das Thema geschaffen, beispielsweise unter dem #TextMeWhenYouGetHome, der trendete nachdem Sarah Everard im März 2021 auf ihrem Nachhauseweg entführt und ermordet wurde. Einen Artikel dazu findest du hier. Hashtags und Online-Kampagnen sind auf jeden Fall ein wichtiges Mittel, um auch bei Männern Aufmerksamkeit zu schaffen und diese zu erreichen, sagt Bettina Jahn, aber:
"Zum einen ist es auch ein bisschen bitter, wenn erst solche Fälle extremer Gewalt und solche Hashtags dazu führen, dass Männer Aha-Momente haben, weil eigentlich müsste sich jeder Mann auch einfach nur mal mit den Frauen in seinem Umfeld unterhalten, die glaube ich alle diese Momente kennen, dass sie Angst haben auf dem Nachhauseweg oder dass sie selbst schon Gewalt erfahren haben. Zum anderen zeigt sich leider, dass Frauen, die online auf Gewalt aufmerksam machen oder feministisch aktiv sind, besonders viel Hass ausgesetzt sind. Und [das] eben vor allem durch Männer." - Bettina Jahn
Die Schuld an gewaltvollen Übergriffen wird häufig den Frauen selbst zugeschrieben, das Stichwort heißt Victim Blaming. Einen Artikel dazu findest du hier. Leider bekommen deswegen auch vor allem Frauen Verhaltenstipps und nicht Männer.
"Gewalt gegen Frauen sollte keine Normalität sein, vor der wir Frauen uns schützen müssen. Das Problem der Gewalt liegt nicht bei uns Frauen, sondern bei den Männern. In erster Linie natürlich bei den Tätern, aber auch bei den Männern, die eben tatenlos zusehen, wenn der Kumpel [zum Beispiel] eine Frau begrapscht oder bedrängt." - Bettina Jahn
Leider ist Alltagssexismus tief in unserer Gesellschaft verwurzelt, weswegen es umso wichtiger ist, schon Jungs zu erklären, dass Liebe sich niemals in Gewalt äußert, dass es wichtig ist, Frauen und Mädchen zu respektieren und dass ein Nein auch immer Nein bedeutet, merkt Bettina Jahn an. Einen Artikel zum Thema Consent findest du übrigens hier. Ein extrem wichtiger Schritt für Männer ist es außerdem, eigene Verhaltensweisen zu reflektieren und zu ändern und immer einzuschreiten, wenn sie Gewalt gegen Frauen - egal in welcher Form - bemerken. Bettina Jahn sagt ganz klar:
"Männer müssen solidarisch sein mit allen Frauen, die Gewalt erlebt haben und helfen, ihnen eine Stimme zu verleihen. [...] Es zeigt sich einfach, dass Männer eine wichtige Vorbildfunktion für andere Männer haben." - Bettina Jahn
UN Women Deutschland | Bettina Jahn
Hier findest du Hilfe:
Die WHO benennt Gewalt als eines der größten Gesundheitsrisiken für Frauen. Weltweit suchen sich allerdings weniger als 40 Prozent der Frauen, die Gewalt erleben, Hilfe und nur weniger als zehn Prozent gehen zur Polizei. Wenn du selbst Opfer bist oder Menschen aus deinem Umfeld betroffen sind - oder du einen Verdacht hast - kannst du dich an das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" wenden: Unter der Telefonnummer 08000 116 016 sowie online (mit der Möglichkeit zu chatten) unter www.hilfetelefon.de bekommst du konkrete Hilfe. 365 Tage im Jahr, rund um die Uhr, in 18 Sprachen, anonym und kostenfrei.
"Partymaus" von Fliegende Haie
egoFM Krissi hat mit ihrer Band Fliegende Haie den Song "Partymaus" veröffentlicht. Anders als der Titel zunächst vermuten lässt, geht's in dem Song aber nicht um einen unbeschwerten Abend, sondern um den Nachhauseweg, der als Frau zum Katz und Maus Spiel wird. Der Song basiert auf einem persönlichen Erlebnis von Krissi. Die ganze Hintergrundgeschichte und welche Reaktionen die Band nach der Veröffentlichung bekommen hat, kannst du weiter oben hören.
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