Die Musikbranche ist durch den Brexit in Gefahr

Die Musikbranche ist durch den Brexit in Gefahr

Neue Regelungen für Musiker*innen

"Get ready for Brexit." - Speziell Musiker*innen mussten sich auf dieses Jahr gefasst machen und kritisieren die inzwischen geltenden Visa-Regelungen scharf.

Brexit-Auswirkungen

Im Vorhinein wurden viele Vermutungen aufgestellt, was mit der Musikbranche im Vereinigten Königreich passieren würde, wenn der Brexit in Kraft tritt. Bis Ende 2020 befanden wir uns noch in der sogenannten "Übergangsphase", in der sich Künstler*innen und Crews noch hätten frei zwischen UK und EU bewegen können - wenn Corona nicht gewesen wäre.

Seit dem 1. Januar 2021 ist das Vereinigte Königreich kein Teil der Europäischen Union mehr und ist somit aus dem EU-Binnenmarkt und der Zollunion ausgetreten. 


Doch was bedeutet das jetzt konkret für Musiker*innen aus Großbritannien oder für Künstler*innen, die in Großbritannien touren und Konzerte spielen wollen? Spoiler: Nichts Gutes...

Hohe Kosten und großer Aufwand

Durch den Austritt müssen jetzt alle Musiker*innen, die in England, Schottland, Wales oder Nordirland spielen wollen, ein sogenanntes "Tier-5-Visum" erwerben. Dieses Arbeitsvisum ist 12 bis 24 Monate gültig und kostet aktuell 244 Britische Pfund. Ganz schön teuer, wenn man sich überlegt, dass das ja nicht nur Sänger*innen bezahlen müssen, sondern eben die komplette Band mit Team. 

Das Geld muss natürlich vor den Auftritten auf dem Tisch liegen - heißt im Umkehrschluss: höhere Eintrittspreise für die Besucher*innen. Der Mehraufwand für Veranstalter*innen, der ganze Papierkram und der Gang zum Amt könnte vielen Bands zu blöd und zu teuer sein, sodass weniger Touren in Großbritannien stattfinden. 

"There is a real risk that British musicians will not be able to bear the cost of extra bureaucracy and delays which would put some tours at risk. [...] If musicians and creators from overseas face barriers and costs getting into the UK, audiences here could miss out on seeing some of their favourite acts." - Jamie Njoku-Goodwin, Chief executive of UK Music

Aber auch umgekehrt kommt es natürlich zu Auswirkungen: Auch für britische Künstler*innen ist es jetzt komplizierter und teurer in der EU aufzutreten.


Neben benötigten Arbeitserlaubnissen und Visa-Anträgen gibt es auch noch ganz andere Probleme: Zum Beispiel ist das Recht, britischer Lastwagen in Europa die Tour-Ausrüstung zu transportieren, stark eingeschränkt. Die Lastwagen dürfen nur noch drei Orte anfahren, bis eine Zugmaschine mit europäischer Registrierung übernehmen muss. 

Kurzfristige Auftritte zwischen EU und UK werden durch die neuen Regelungen auch nur noch sehr schwer möglich sein, da die Besuche in der Regel viel Vorlaufzeit, Anträge und anderen Papierkram benötigen. 

Auswirkungen auf den Musikmarkt

Die großen Charaktere im Musikbusiness werden diese neue Regelungen nicht wirklich davon abhalten, in England beziehungsweise außerhalb des Königreichs zu touren. Sie haben das Geld und es lohnt sich. Die kleineren Bands, Newcomer*innen und junge Talente können sich teure Visa nicht leisten und haben deswegen weniger Chancen, groß rauszukommen oder in der Musikbranche durchzustarten.

Das ist unfassbar schade für die unzähligen noch kleinen Talente, die sich als fester Teil in der internationalen Musikbranche etablieren wollen. Erst Recht nach den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie, unter der die Musikbranche sowieso schon extrem leidet.

Außerdem wird vor einem künstlerischen "Brain Drain" in Großbritannien gewarnt


Schon jetzt ergreifen viele talentierte Musiker*innen einen anderen Job, weil sie unter den Folgen der Corona-Pandemie leiden - mit den erschwerten Bedingungen des Brexits könnte hinzu kommen, dass viel Künstler*innen versuchen in Europa zu arbeiten. Das könnte für die Musiklandschaft in Großbritannien extreme Folgen haben.



Die Visa-Regelungen werden von der Musikbranche scharf kritisiert - und es gibt Petitionen:

Zum einen gibt es die Petition über Petitions UK Government and Parliament. Hier wird ein generelles visumfreies Reisen in ganz Europa für arbeitende in der Veranstaltungsbranche gefordert:

We would like the UK Govt to negotiate a free cultural work permit that gives us visa free travel throughout the 27 EU states for music touring professionals, bands, musicians, artists, TV and sports celebrities that tour the EU to perform shows and events & Carnet exception for touring equipment." - Beschreibung der Petition


Der Vorteil bei dieser Art von Petition ist, dass die UK-Regierung alle Petitionen mit mehr als 100.000 Unterschriften im Parlament diskutieren.


Die Unterschriften wurden schnell erreicht (es sind schon weit über 200.000) und am 8. Februar wurde im Parlament debattiert. Hier kannst du dir die Debatte komplett anschauen. 
Craig Stanley (Vorsitzender des Interessenverbandes "Live Touring Group", der sich für Lösungen von Brexit-Problemen für die britische Livemusik-Industrie einsetzt) findet diese Debatte greift sowieso zu kurz. Er gibt zu bedenken, dass eine zentrale Lösung zwischen EU und UK nicht gefunden werden kann, da zum Beispiel Arbeitserlaubnisse von Land zu Land verschieden geregelt werden.

Craig Stanley rät außerdem europäischen Konzertveranstalter*innen, die aktuelle Corona-Pause zu nutzen, um sich mit den neuesten Bestimmungen vertraut zu machen. Denn um die Arbeitserlaubnis von nicht-EU-Bürger*innen müssen sich die Arbeitgeber*innen, also die örtlichen Promoter*innen, kümmern.

Eine weitere Petition über change.org fordert einen extra Musikpass, der mindestens zwei Jahre gültig ist, kostenlos oder billig zu erwerben ist, alle EU-Mitgliedstaaten umfasst und die Musiker*innen und ihre gesamte Crew von anderen Genehmigungen befreit. Dafür kannst du hier unterschreiben, das Ziel von 150.000 Unterschriften ist nämlich noch nicht erreicht.

Ende Januar haben über 100 britische Musiker*innen außerdem einen offenen Brief unterzeichnet.


Sie beklagen darin die Folgen des Brexits für die Musikbranche. Es unterschrieben zum Beispiel Ed Sheeran, Rita Ora, Queen-Schlagzeuger Roger Taylor und Dirigent Simon Rattle. Aktuell machen sich UK und EU gegenseitig für die problematische Lage für Künstler*innen verantwortlich und scheitern daran, eine Lösung zu finden.


Viele Musiker*innen sind frustriert von der Situation

Zum Beispiel auch Thom Yorke von Radiohead:

Elton John:


Oder Oh Wonder, die ihre Situation so auf den Punkt bringen:

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