Mythos Generationskonflikt

Mythos Generationskonflikt

Soziologe Professor Martin Schröder im Interview

egoFM Gloria hat sich mit dem Soziologen Professor Martin Schröder über Generationen unterhalten, ob es so was wie den Generationenkonflikt eigentlich gibt und welche Generationen am glücklichsten ist.

"Talking bout my generation"

- Nicht nur ein Zitat von The Who, sondern auch der Titel unserer Themenwoche. Darüber hat Gloria auch mit Prof. Martin Schröder gesprochen. Er ist Professor für Soziologie und forscht zu den Themen soziale Ungleichheit, Sozialstaat, Kapitalismusvarianten, Wirtschaftssoziologie, Generationen, Moral und Lebenszufriedenheit.
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    Soziologe Professor Martin Schröder im Interview


Der Generationenkonflikt

In welchem Jahr bist du geboren? Welcher Generation gehörst du eigentlich an? Millennial, Gen Z, Boomer - mit diesen soziologischen Generationsbegriffen kommt auch eine ganze Palette an Klischees daher. Die Millennial sind verwöhnt und faul, die Boomer sind engstirnig und rennen vor jeder noch so kleinen Veränderung schreiend davon. Und Gen Z ist komplett realitätsfern und hängt sowieso nur noch am Smartphone. Können wir uns gegenseitig so simpel in irgendwelche Schubladen stecken? 
"[Man sieht], dass Menschen unterschiedliche Einstellungen haben je nachdem, wie alt sie sind. Also jemand, der 50 Jahre alt ist, der denkt über vieles anders als jemand, der 20 Jahre alt ist. Und es ist auch so, dass alle Menschen in der Gesellschaft jetzt anders denken als beispielsweise vor 40 Jahren. Hätte man vor 40 Jahren gefragt, ob Homosexuelle heiraten dürfen, hätte kaum jemand ja gesagt. Jetzt sagen eigentlich fast alle ja." - Professor Martin Schröder 

Wenn man also empirisch vorgeht und sich die Daten anschaut, kann man uns doch nicht über einen Kamm scheren, obwohl wir im selben Zeitraum geboren sind.

Der Alterskonflikt

Aber warum gibt es dann diese ganzen Bezeichnungen für die verschiedenen Generationen, wenn dahinter doch kein Muster steckt? Laut Martin ist es einfach ein menschliches Bedürfnis, sich selbst irgendwo einzuordnen und dadurch zugehörig zu fühlen.
"Ein zweiter Grund kann aber eben sein, dass wie gesagt es ja durchaus so ist, dass sagen wir mal 20-Jährige anders denken als 60-Jährige. Das haben sie aber auch schon vor 50 Jahren. Und wahrscheinlich denken die heute 20-Jährigen auch in 40 Jahren so wie die heute 60-Jährigen. Nur - wir machen uns eben nicht klar, dass das Unterschiede im Alter sind, sondern finden es irgendwie cool zu sagen, ja die gehören jetzt heute zu einer neuen Generation - die sind ganz anders drauf als früher. Aber es ist eben nicht wirklich das, was die Daten zeigen." - Professor Martin Schröder

Auch lässt sich mit den Generationen - und deren Erfindung und Charakterisierung - Geld machen. Besonders in der Arbeitswelt gibt es Studien und Berater*innen, die Unternehmen auf eine neue Generation von Arbeitnehmer*innen vorbereiten, die vermeintlich mehr Work-Life-Balance wollen oder mehr Wert auf Freiheiten und Flexibilität setzen. Dass das aber durchaus etwas ist, was auch andere Generationen anstreben, wird dabei weggelassen. 
"Es macht viel, viel mehr Sinn, wenn man jetzt zum Beispiel feststellt, die 20-Jährigen denken anders als früher, dann ist es eigentlich fast immer so das ja das zwar zutrifft. Aber das normalerweise eine Veränderung ist, die die 40-Jährigen oder die die 60-Jährigen genauso mitmachen. Also es ist ja nicht so, dass die Jugendlichen auf einmal entdecken, dass Klimaschutz wichtig ist, aber alle anderen leben hinterm Mond und haben das überhaupt nicht bemerkt. Also man stellt diese Veränderung durchaus fest, nur sie betreffen eben in aller Regel nicht nur Menschen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt geboren wurden, sondern alle Menschen in der Gesellschaft." - Professor Martin Schröder



Die glücklichste Generation

Martin forscht aber nicht nur zum Thema Generationen, sondern auch zum Thema Lebenszufriedenheit. Anfang letzten Jahres veröffentlichte Martin ein Buch dazu Wann sind wir wirklich zufrieden? Kommen wir alle kollektiv in einem bestimmten Alter an den Punkt, an dem wir rundumzufrieden sind? Hat das Alter überhaupt etwas damit zu tun?
"Das Alter hat leider etwas mit der Zufriedenheit zu tun - aber nicht auf die Art, wie wir es gerne hätten und auch nicht auf die Art, wie man es lange gedacht hat."  - Professor Martin Schröder

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Tatsächlich ging man in der Wissenschaft lange davon aus, dass Menschen bis zur Mitte ihres Lebens unzufriedener werden und dann immer wieder zufriedener. Als junger Mensch hat man viele Träume und Ziele und umso älter man wird, umso rationaler sieht man das Leben und auch seine Träume. Immer mehr Bubbles patzen und am Ende steht eine fette Midlife-Crisis hinter der Ecke. Nach einer Weile und mit fortschreitendem Alter gewöhnt man sich aber daran, dass das Leben eben nicht nur geradlinig nach Plan läuft, sieht das Ganze lockerer und wird wieder zufriedener.
"Das Schlimme ist aber tatsächlich, dass die neueren Untersuchungen zeigen, dass tendenziell eher mit zunehmenden Alter die Lebenszufriedenheit zurückgeht. Und das liegt fast nur daran, dass die Zufriedenheit mit der eigenen Gesundheit zurückgeht. Also Menschen, die weiterhin finden, dass es ihnen gesundheitlich gut geht, die bleiben auch bis ins hohe Alter zufrieden." - Professor Martin Schröder

Zufriedenheit der Generationen während der Pandemie

In den Medien wurde zu verschiedenen Zeitpunkten der Corona-Pandemie oft immer von einer bestimmten Generation gesprochen, die besonders davon betroffen sei. Einmal waren es die alten Menschen, die unter dem Lockdown litten, einmal die Kinder, dann die Eltern und aktuell stehen besonders wieder Jugendliche im Vordergrund der Diskussion. Tatsächlich sticht keine der Generationen zu einem bestimmten Punkt der Pandemie besonders hervor und war besonders unzufrieden. Laut Daten hat uns die Pandemie - was das Befinden angeht - alle gleich schlimm getroffen. Wie die Zufriedenheit in der Pandemie war (beziehungsweise ist), erklärt Martin auch in seinem Buch:
"Da muss man sagen, auf einer hunderter Skala - also von 0 bis 100 - ist die Lebenszufriedenheit erst mal um sechs Punkte runter gegangen. Das hört sich jetzt nach nicht so viel an, das ist aber ziemlich viel. Weil die Lebenszufriedenheit von Menschen normalerweise ziemlich stabil ist. Und sechs Punkte - das ist ungefähr so viel, wie wenn ich arbeitslos werde oder das ist ungefähr so viel wie wenn mein Partner oder meine Partnerin sich von mir trennt. Das ist also schon ein ziemlicher Hammer."- Professor Martin Schröder

Laut den Daten sieht es also so aus, dass für jede*n Deutsche*n die Pandemie so schlimm war wie ein Jobverlust oder wie eine Trennung. Aber Martin hat zum Glück auch gute Nachrichten - er geht davon aus, dass die Lebenszufriedenheit der Deutschen im Durchschnitt nach der Pandemie wieder wie vorher sehr hoch sein wird.

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