Zwischen Coronahilfen, Grundeinkommen und Ungleichheit

Zwischen Coronahilfen, Grundeinkommen und Ungleichheit

Wirtschaftsprofessor Enzo Weber im Interview 

Von  Max Frohberg
Ungleichheit. Die Coronakrise hat eben dieses Phänomen so sichtbar gemacht wie kaum ein anderer Umstand. Fehlende Coronahilfen, Millionensubventionen für Fluggesellschaften und Pflegepersonal das am Existenzminimum verdient, all das trägt dazu bei ein Gefühl von Ungerechtigkeit herzustellen.

Über genau diese Themen hat Wirtschaftsprofessor Enzo Weber mit uns im Interview gesprochen und uns Antworten auf unsere Fragen gegeben. 

  • Wirtschaftsprofessor Enzo Weber im Interview 


Was war denn nun das Problem mit den Coronahilfen? 

Der Begriff der Coronahilfen bezeichnet Leistungen, die gezahlt wurden um finanzielle Ausfälle zu kompensieren. Dabei wurde festgestellt, dass dort wo bereits Systeme implementiert wurden auch Gelder ausgezahlt werden konnten. Das Kurzarbeitergeld wurde schon vor Corona eingeführt, mit Beiträgen finanziert und konnte dann auch relativ zügig ausgeschüttet werden. Für größere Firmen wurden zusätzlich jedoch auch größere Beträge in die Hand genommen was unseren Interviewpartner aber grundsätzlich ein richtiger Schritt war.

Großunternehmen haben enorm hohe Fixkosten.


Neben den internen Arbeitsplätzen hängen da ja auch noch Netzwerke von Zulieferer*innen und Auftragnehmer*innen dran, deswegen hat es schon eine Berechtigung diese dann auch zu unterstützen.
"Aber das Ungleichgewicht auf der anderen Seite - das hätte man schneller ausgleichen müssen. Dieses ist das Problem bei der Sache, denn gerade viele Selbstständige wurden lange nicht subventioniert." - Prof. Dr. Enzo Weber

Ihnen wurde nahegelegt Grundsicherung zu beantragen, was für einige existenzgefährdend war.

Grundsicherung

Hinter diesem Wort verbirgt sich das System des Arbeitslosengeldes. Entgegen dem bedingungslosen Grundeinkommen ist dieses an Forderungen geknüpft. Diese sind, dass der Lebensunterhalt nicht anderweitig bestritten werden kann und dafür Sorge getragen wird, dass er möglichst schnell wieder selber bestritten wird. Für das Thema bietet es sich jedoch an etwas weiter auszuholen. 
"Wir hatten Mitte der 2000er eine Massenarbeitslosigkeit, der sind wir Herr geworden. Diese war viel höher als jetzt zu Corona. Die Arbeitslosenzahlen sind gesunken und vor allem die Chancen auf einen Job sind im Vergleich zu damals enorm gestiegen." - Prof. Dr. Enzo Weber

Das hatte jedoch auch seinen Preis.


Durch die Sozialreformen der damaligen Bundesregierung unter dem Namen Agenda 2010 wurden den Arbeitgeber*innen mehr Freiheiten in der Anstellung Arbeitsloser gegeben. Diese Freiheiten resultierten dann jedoch nicht in besseren Arbeitsplätzen sondern in Minijobs und vor allem befristeten Anstellungsverhältnissen wie Leiharbeit. Es wurde also mehr Druck auf die Arbeitnehmer*innen ausgeübt, was zu mehr Ungleichheit führte. 
 
"Heute haben wir keine Massenarbeitslosigkeit mehr. Wir müssen also nicht mehr schauen wie wir die Beschäftigung noch höherdrücken können sondern müssen aus jedem einzelnen Arbeitsplatz mehr machen. Also die Qualität und Perspektiven dieser Jobs steigern." - Prof. Dr. Enzo Weber
 

Bessere Jobs mit mehr Perspektive 


Das wünschen sich auch die Pflegekräfte, deren Arbeitsfeld in letzter Zeit ebenfalls heftig kritisiert wurde. Dabei gäbe es relativ einfache Möglichkeiten die Arbeitsstandards zu heben, da die Pflegearbeitgeber*innen meist öffentlich finanziert werden. Das heißt man könnte durch Ausbau und finanzielle Unterstützung den Standard der Branche verbessern, wichtig ist dabei vor allem das Abschließen von Tarifverträgen welche in anderen Branchen längst der Standard sind. Diese Regeln gewisse Mindeststandards und Rechte des Arbeitnehmers bzw. der Arbeitnehmerinnen die in der Anstellung eingehalten werden müssen. 
 
"Es ist vor allem eine öffentliche Entscheidung welche Wertschätzung, auch finanzieller Art man dem entgegenbringen möchte. Es ist eine politische Entscheidung die wir treffen können und auch sollten." Prof. Dr. Enzo Weber 
 

Doch wie finanziert sich das alles? 

Der Staat hat die Möglichkeit sich schnell liquide Mittel zu beschaffen. Dies tut er indem er sogenannte Staatsanleihen verkauft, welche man sich wie einen kleinen Privatkredit vorstellen kann. Du leihst dir als Staat also Geld bei jemandem und gibst dafür die schriftliche Zusage den Betrag zu einem späteren Zeitpunkt mit Zinsen zurückzuzahlen.

Eine weitere Einnahmequelle und gleichzeitig Werkzeug zur Umverteilung und Ausgleichselement ist die Einkommenssteuer.


Im Rahmen derer zahlen die Mehrverdiener*innen einen höheren Beitrag als diejenigen mit schwächeren Einkommen. Gemessen an der ungleichen Verteilung der Vermögen bei der einige wenige über genauso viel verfügen wie eine breite Masse an Menschen zusammen, muss man sich jedoch die Frage stellen ob dieser Ausgleich auch stattfindet. 
"Wir brauchen eine Umverteilung die im Wesentlichen über das Steuersystem läuft. Wir werden auch schauen müssen das die Kosten der Coronakrise sozial gerecht verteilt werden. Also das diejenigen die darunter nicht so sehr gelitten haben mehr Schultern." Prof. Dr. Enzo Weber

Es reicht jedoch laut Prof. Weber nicht, die Leute in ihren schlechten Jobs zu lassen und mit dem Steuersystem umzuverteilen, da dies nicht die Ursachen des Problems bekämpft. Diese finden sich eher in der zunehmenden Ungleichheit auf dem Arbeitsmarkt wieder, in dem eine Putzkraft in ihrem ganzen Leben nicht die jährliche Abfindungsprämie eines*r Konzernchef*in verdienen wird. Oder um es mit von Worten Prof. Weber zu sagen:
"Diese Menschen brauchen Perspektiven von vorne herein. Wir müssen die Jobs ändern." - Prof. Dr. Enzo Weber

Bei diesem Konzept wäre der Faktor Umverteilung wieder gegeben, da sich das Grundeinkommen aus den Steuergeldern finanzieren würde. Demnach zahlen manche mehr, manche weniger ein, am Ende bekommen alle mindestens einen gewissen Betrag ausbezahlt. Dies führt jedoch auch dazu das von dem Geld was über dem Grundeinkommen verdient wird ein relativ großer Prozentsatz an Steuern abgeführt werden müsste was die Anreize mehr zu tun eher hindert. Es kann den Menschen jedoch Freiheiten geben das zu tun was sie auch wirklich tun wollen und nimmt den finanziellen Druck heraus was für viele eine Beschäftigungsmotivation erzeugen kann.
"Auf der anderen Seite muss man es aber auch mal sehen welche Freude es macht auf eigenen Beinen zu stehen und was zu schaffen, welche Anreize das setzen kann. Man muss vor allem auch die extremen Kosten sehen, deswegen stehe ich dem ganzen eher kritisch gegenüber." - Prof. Dr. Enzo Weber


Und am Ende, was bleibt dann noch übrig?


Gerade für junge Menschen ist der Gedanke an die Rente zwar weit weg aber trotzdem nicht weniger bedrohlich. Es gibt jedoch Entwarnung:
"Grundsätzlich kann man sagen das wenn man in seinem Erwerbsleben durchgängig, viel arbeitet und ganz gut verdient das dann auch die gesetzliche Rente so wie sie heute gestaltet ist ausreichen sollte. Wir werden auch in Zukunft als Gesellschaft produktiv genug sein uns alle finanzieren zu können." - Prof. Dr. Enzo Weber

Geraten wird jedoch sich auch nebenher abzusichern, in etwa durch betriebliche Altersversorgung oder Aktienrenten.

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