Das komplette Interview aus egoFM Reflex mit Prof. Dr. Brumm
Von Gloria Grünwald (Interview) | Miriam Fischer (Artikel)
Durch Entlastungspakete und Sondervermögen werden die Staatsschulden in Deutschland stetig größer. Aber wie schlimm ist das eigentlich, auch mit Blick auf folgende Generationen?
Prof. Dr. Johannes Brumm ist Wissenschaftler und forscht am Lehrstuhl für Makroökonomie des Karlsruher Instituts für Technologie daran, wie langfristige finanzpolitische Maßnahmen die Ressourcen und Risiken zwischen den Generationen verteilen können. Im Interview mit egoFM Gloria erklärt er, inwiefern die Staatsschulden in der Zukunft zu Problemen führen können und welche Lösungsansätze es gibt, um dies zu verhindern.
Prof. Dr. Brumm über generationengerechte Finanzpolitik
Das komplette Interview aus egoFM Reflex
Staatsschulden trotz Schuldenbremse?
Vor der Pandemie stand Deutschland in Sachen Staatsschulden eigentlich ganz gut da, immerhin lag der Schuldenstand mit 59,7 Prozent gerade so im Rahmen des Maastricht Vertrags, der die Staatsverschuldung innerhalb der EU regelt. Doch die Entlastungen der vergangenen Jahre haben zu immer höheren Schulden geführt. Dabei sind Staatsschulden in einem gewissen Maß kein Problem und angesichts der Pandemie und der Energiekrise auch normal, erklärt Prof. Dr. Johannes Brumm. Problematisch wird es aber, wenn die Schulden zu hoch werden. Denn dann steigen die Zinsen, was im Extremfall dazu führen kann, dass wie beispielsweise in Griechenland ein Schuldenschnitt gemacht werden muss oder es wie in der Weimarer Republik zu einer Hyperinflation kommt.
Aber auch, wenn ein solcher Extremfall nicht eintritt, haben zu hohe Staatsverschuldung und die damit einhergehenden hohen Zinsen natürlich negative Konsequenzen. Dann stellen Anleger*innen nämlich zwangsläufig einen größeren Teil ihrer Mittel dem Staat und nicht den produktiven Unternehmen zur Verfügung, erklärt Prof. Dr. Brumm.
"Das kann der Wirtschaft schaden und damit sowohl den heutigen, als auch den zukünftigen Generationen." - Prof. Dr. Johannes Brumm
Um zu verhindern, dass Schulden immer höher und dann einfach an die nachfolgenden Generationen weitergegeben werden, gibt es die Schuldenbremse.
Seit sie 2009 eingeführt wurde, ist im Grundgesetz verankert, dass der Bund neue Schulden nur bis zu einem maximalen Wert von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aufnehmen darf. Wie leicht das umgangen werden kann, zeigen allerdings Doppel-Wumms und Co. – das Stichwort lautet Notfallklausel, die in Krisenzeiten angewandt werden kann. Außerdem sind sogenannte Sondervermögen seit letztem Jahr von der Schuldenbremse ausgeschlossen. Wie genau das alles funktioniert, erklären wir hier im egoFM Reflexikon. Dort erklären wir auch, was unter Inflation zu verstehen ist und welche Folgen sie hat.
200-Milliarden-Euro-Entlastungspaket
Der Bundestag hat vor Kurzem 200 Milliarden Euro zur Abfederung der Energiekrise genehmigt. Das heißt aber nicht, dass auch die gesamte Summe ausgegeben wird, erklärt Prof. Dr. Brumm. Genau wie bei der Pandemie geht es auch hier darum sicherzustellen, dass weder Haushalte, noch Unternehmen, ohne, dass sie etwas dafür können, in existenzielle Schwierigkeiten geraten.
"Aber wie teuer das dann wird, hängt ja sehr davon ab, wie sich vor allem der Gaspreis entwickelt. Und da sehen wir aktuell eine gewisse Entwarnung in den letzten Tagen und Wochen - zum Großteil weil das Wetter [...] so warm ist, jetzt im Oktober - aber die Aussicht ist extrem unsicher und davon wird abhängen, wie teuer es dem Staat letztlich kommt." - Prof. Dr. Johannes Brumm
Notfälle wie beispielsweise die Pandemie und die Energiekrise zeigen also, dass es sinnvoll ist, einen solchen Spielraum in Bezug auf die Schuldenbremse zu haben. Kritiker*innen sind allerdings der Meinung, dass diese Ausnahmeregelungen auch ein zusätzlicher Anreiz dafür sind, mehr Schulden anzuhäufen. Prof. Dr. Brumm hält die Schuldenbremse aber trotzdem grundsätzlich für wirksam, da es zumindest einen gewissen politischen Aufwand braucht, diese zu umgehen.
Aufgrund der Inflation hat die Europäische Zentralbank am 27. Oktober den Leitzins zum dritten Mal dieses Jahr angehoben, diesmal auf zwei Prozent.
Der Zinssatz, den die Zentralbank setzt, ist allerdings ein sehr unscharfes Instrument wenn es darum geht, gegen wirtschaftliche Probleme wie die Inflation vorzugehen, sagt Prof. Dr. Johannes Brumm. Denn diese wird vor allem von externen Faktoren wie den Energiepreisen in Folge des russischen Angriffskriegs, den Nachwirkungen der Pandemie auf die Produktionsketten oder handelspolitischen Maßnahmen bestimmt. Er sagt deswegen:
"Die EZB kann eigentlich nicht anders, aber es hilft auch nur begrenzt, um es mal schnell zusammenzufassen." - Prof. Dr. Johannes Brumm
Generationengerechte Finanzpolitik
Zum einen ist die aktuelle Inflation nicht durch eine deutsche Staatsverschuldung ausgelöst, sondern vor allem durch Lieferkettenprobleme und Energiepreisinflation in Folge der Pandemie und des russischen Angriffskriegs. Zum anderen sind die steigenden Preise theoretisch kein großes Wohlfahrtsproblem, wenn die Löhne auch entsprechend steigen. Die Folgen von hohen Staatsschulden für zukünftige Generationen sieht Prof. Dr. Johannes Brumm deswegen an anderer Stelle:
"Wenn wir heute viele Schulden machen, dann schränken wir die Handlungsspielräume der zukünftigen Generationen ein. Man sagt technisch dazu, es gibt weniger fiskalischen Spielraum. Und das ist eigentlich das Problem." - Prof. Dr. Johannes Brumm
Zukünftige Generationen müssen diese Schulden zwar nicht zwangsläufig zurückzahlen, aber je höher sie sind, umso kleiner werden eben die Spielräume, um auf neue Krisen zu reagieren.
Es geht bei generationengerechter Finanzpolitik aber nicht nur darum, wie viele Schulden hinterlassen werden, sondern auch, welche Infrastruktur.
"Wenn man wenig Schulden hat ist das nur ein schwacher Trost, wenn Schienen, Straßen, Energie, Infrastruktur, Bildung und Natur [und das] alles heruntergewirtschaftet ist. Also in diesem Sinne kann es sogar im Interesse unserer Kinder sein, wenn wir mehr Schulden machen. Aber eben vorausgesetzt, dass wir diese dann zielführend einsetzen, um in die Zukunft zu investieren." - Prof. Dr. Johannes Brumm
Auch implizite Schulden spielen bei generationengerechter Finanzpolitik eine wichtige Rolle.
Gemeint sind Schulden im Renten-, Sozial- und Gesundheitssystem, denn auch diese Kosten kommen auf zukünftige Generationen zu. Prof. Dr. Brumm legt deswegen nahe, dass diese Kosten - zumindest zu einem Teil - durch entsprechende Reformen auch noch von der bevölkerungsstarken und relativ reichen Babyboomer-Generation getragen werden. In einer Forschung konnte er gemeinsam mit anderen Autor*innen aufzeigen, dass eine reine Umverteilung von jung nach alt - wie es bei unserem Rentensystem aktuell der Fall ist - nicht immer wohlfahrtssteigernd ist:
"Zum Beispiel, wenn die Alten zu guten Arbeitsmarktbedingungen gearbeitet haben und dann auch noch hohe Erträge auf ihre Ersparnisse erzielt haben - eben genau wie die Babyboomer-Generation das jetzt hat in Deutschland oder den USA - dann müsste man eigentlich drüber nachdenken, dass zu einem gewissen Grad von den Alten auf die Jungen umverteilt wird. Was man da [...] natürlich bedenken muss, ist die hohe Ungleichheit auch innerhalb der Generation. [...] Das muss man bedenken, aber sicherlich spricht viel für eine stärkere Belastung der Reichen innerhalb der heutigen Rentnergeneration." - Prof- Dr. Johannes Brumm
Das könnte beispielsweise funktionieren, indem deren Renten gekürzt werden oder Erbschaften und Immobilienbesitze stärker besteuert werden.
Aber auch bei Umverteilung, Sondervermögen, Entlastungspaketen, Fonds und Co. darf eins nicht vergessen werden: Geld allein kann strukturelle gesellschaftliche Probleme nicht lösen. Prof. Dr. Brumm betont deswegen, dass es auch darum geht, künftig effizienter an nachhaltigen Lösungen für künftige Generationen zu arbeiten.
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