Hilfe für Stalking-Opfer

Hilfe für Stalking-Opfer

Karl-Günther Theobald vom Weissen Ring e. V. im Interview

Karl-Günther Theobald ist Diplom Psychologe und arbeitet beim Weissen Ring e.V. als Berater für Opfer von Stalking. Im Interview hat er uns erzählt, wie Stalking überhaupt definiert wird und welche Möglichkeiten Betroffene haben, um sich zu wehren.


Das Zentralinstitut für seelische Gesundheit geht davon aus, dass es in Deutschland jährlich 600.000 Fälle von Stalking gibt, wovon 20.000 angezeigt werden (Stand 2019)


Viele Menschen denken bei Stalking sofort an prominente Persönlichkeiten und ihre Fans - der Großteil findet allerdings im privaten Bereich statt. Laut Karl-Günther Theobald handelt es sich bei 50 Prozent der Stalking-Fälle um Ex-Partner*innen. Dabei ist anzumerken, dass es überwiegend männliche Täter (insgesamt 80 Prozent) und weibliche Opfer (ebenfalls 80 Prozent) sind. Fälle, in denen prominente Persönlichkeiten gestalkt werden, machen insgesamt nur zwei Prozent aus. 
 

Ab wann kann überhaupt von Stalking gesprochen werden?

Wissenschaftler*innen haben festgelegt, dass erst dann von Stalking gesprochen werden kann, wenn die Vorfälle mindestens vier Wochen anhalten, es verschiedene Handlungen gibt - zum Beispiel Telefonanrufe, Briefe oder an der Haustür klingeln - und diese Handlungen in einer hohen Frequenz auftreten, üblicherweise mehrmals täglich. 
"Das Problem bei Stalking ist, dass die einzelne Tat [...] nichts Wildes ist. Es ist die Masse und die Vielfalt die es macht." - Karl-Günther Theobald

Deswegen fällt es vielen Opfern auch so schwer, sich einzugestehen, dass ihnen gerade etwas schlimmes passiert und es sich nicht nur um Kleinigkeiten handelt.

  • Karl-Günther Theobald spricht über Stalking
    Das Interview zum Nachhören

In der Realität hat Karl-Theodor es oft mit Fällen zu tun, die von mehreren Monaten bis hin zu Jahren andauern und bei denen die Opfer bis zu hundertmal täglich kontaktiert werden. Die psychischen Folgen die dabei entstehen können, sind nicht zu unterschätzen:
"Vom Erscheinungsbild sieht es sehr aus wie eine posttraumatische Belastungsstörung. Es gibt Leute die haben Schlafstörungen, werden depressiv, kriegen wirklich Sinnkrisen." - Karl-Günther Theobald


Den Stalker*innen geht es oft darum, das Opfer sozial zu isolieren

Zum einen wird die Person im Bekanntenkreis, auf der Arbeit, in Vereinen und überall wo es eben geht schlecht geredet, zum anderen will der*die Stalker*in so viel Platz und Zeit im Leben des Opfers einnehmen, dass andere Personen überhaupt keine Chance mehr auf Kontakt zum Opfer haben. Aus diesem Grund betont Karl-Günther Theodor auch wie wichtig es ist, als Opfer das eigene Umfeld zu informieren und offensiv an die Sache ranzugehen - das erschwert dem*der Täter*in, zu isolieren.

Karl-Theodor rät Betroffenen, einmal klar zu sagen, dass man keinen Kontakt möchte und danach nicht mehr zu reagieren.

Denn viele Stalker*innen fassen jegliche Reaktion - selbst solche die klar ablehnend sind - als erfolgreiche Kontaktaufnahme auf.
"Das ist diese Geschichte, dass eine negative Reaktion im Prinzip einen Stalker noch ermutigen kann, weiterzumachen." - Karl-Günther Theobald


Juristisch gesehen gibt es zwei Möglichkeiten gegen die Täter*innen vorzugehen:

Zum einen kann eine einstweilige Verfügung nach dem Gewaltschutzgesetz erwirkt werden. In diesem Fall wird ein Näherungsverbot gerichtlich ausgesprochen, dessen Nichteinhaltung eine Straftat darstellt. Wichtig ist hierbei anzumerken, dass es für eine einstweilige Verfügung noch keine stichfesten Beweise braucht, sondern eine plausible Darlegung genügt.

Zum anderen können die Taten angezeigt werden. Dann müssen von Opferseite allerdings genügend Beweise vorgelegt werden. Hierfür hat der Weisse Ring auch die App No Stalk entwickelt, mit der Opfer alle Geschehnisse dokumentieren können - das ist ist für eine Anzeige extrem wichtig.

Wenn der Stalking-Fall noch ganz am Anfang steht, kann die Polizei außerdem auch eine Gefährder*innenansprache halten. Dabei gehen sie zum*zur Täter*in und stellen klar, dass sie diese*n auf dem Radar haben und im Bick behalten. Quasi eine Vorwarnung.

Bei allen polizeilichen und juristischen Schritten muss allerdings im Hinterkopf behalten werden, dass der*die Täter*in sich dadurch angegriffen fühlen kann und deswegen in Zukunft noch irrationaler handeln könnte.



Weitere Hilfe findest du auf der Website des Weissen Rings, über das Opfertelefon 116 006 oder bei vielen Beratungsstellen vor Ort.

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