Kapitalismus überwinden fürs Klima

Kapitalismus überwinden fürs Klima

Warum wir Ökosozialismus brauchen

"System Change not Climate Change" ist ein wichtiger Slogan der Fridays For Future Aktivist*innen. Warum das so wichtig ist erfahrt ihr im Interview mit Bruno Kern.

Ausbeutung von Mensch und Natur

In unserer egoFM Themenwoche geht es ums Thema (Selbst-)Ausbeutung. Das Thema Ökosozialismus hakt gleich mehrere Aspekte von Ausbeutung ab - die von Mensch und Natur. egoFM Elise hat sich für uns mit Bruno Kern getroffen. Er ist Autor des Buches Das Märchen vom grünen Wachstum und Mitbegründer des Netzwerk Ökosozialismus.
  • Ökosozialismus
    Im Gespräch mit Bruno Kern

Was ist Ökosozialismus?

"Ökosozialismus geht zunächst davon aus, dass eine ökologisch nachhaltige und ausbeutungsfreie Gesellschaft unter dem Vorzeichen des Kapitalismus nicht funktionieren kann. Das heißt, wenn wir ökologische Nachhaltigkeit wollen, müssen wir den Kapitalismus perspektivisch überwinden. Das muss man sich so vorstellen wie ein Fahrrad, das sich ständig vorwärts bewegen muss, um im Gleichgewicht zu bleiben und dieses Wachstum geht aus ökologische Gründen nicht mehr. Im Gegenteil: Wir werden in einen Schrumpfungsprozess eintreten müssen und der ist natürlich kapitalistisch nicht mehr organisierbar." - Bruno Kern

Bruno Kern geht dabei weiter als die Kritik am Konsum.

Langfristig werden Konsumentscheidungen, wie beispielsweise eine Kreuzfahrt zu machen, zwar nicht mehr möglich sein. Es geht dabei aber eher um die politische Regelung einer ökologisch und sozial sinnvollen Wirtschaft. Das starke Wort Verzicht ist dabei kein hilfreicher Begleiter, denn verzichten kann man nur auf das, worauf man einen Anspruch hat. Der Wohlstand Deutschlands hingegen basiert auf der Ausbeutung des globalen Südens.
"Verzicht - diesen Begriff verwende ich deswegen nicht gern, denn verzichten kann ich eigentlich nur auf etwas, worauf ich einen Anspruch habe. In den reichen Industrieländern ist es eigentlich so, dass wir uns einseitig Ressourcen angeeignet haben, auf die wir eigentlich keinen Anspruch haben. Deswegen rede ich nicht so gern von Verzicht." - Bruno Kern



Der Wohlstand, Zeit zu haben 

Er ist außerdem überzeugt davon, dass viele der Dinge, die perspektivisch nicht mehr möglich sein werden, von vornherein für das sogenannte "Gute Leben" gar keinen Gewinn darstellen. Es sei eher eine Befreiung vom Überfluss. Dazu kommt, dass oft gar keine Zeit vorhanden ist, um Möglichkeiten überhaupt zu nutzen. Der Ökosozialismus hätte also auch einen neue Sicht auf Wohlstand, nämlich Zeitgewinn!
"Die Zeit, die wir heute im Hamsterrad von Erwerbsarbeit und Produktion verbringen, wird wesentlich kürzer sein und wir werden viel mehr Zeit zur Entfaltung unserer Persönlichkeit haben." - Bruno Kern

Der Besitz vieler Dinge sei außerdem ein Stressfaktor und vermehre nicht unbedingt den Wohlstand.

"Die vielen Optionen die wir haben können wir ja gar nicht nutzen, denn die knappste Ressource über die wir verfügen ist die Ressource Zeit. Lebenszeit." - Bruno Kern



Erneuerbare Energie muss in Zukunft die einzige Energie sein.

Aber auch erneuerbare Energien haben ihre Grenzen. In einer Wirtschaft, die auf Wachstum angewiesen ist, führen auch erneuerbare Energien nicht weiter. 
"Wir kommen nicht daran vorbei über absolute Verbrauchsreduktionen zu reden. Nicht nur darüber zu reden in welchen Zeiträumen erneuerbare Energien alte Kohlekraftwerke ablösen können. Sondern darüber zu reden, wo können wir absolut den Verbrauch reduzieren. Daran werden wir nicht vorbeikommen." - Bruno Kern



Was ist mit der Lebensqualität?

Auch wenn perspektivisch einige Dinge nicht mehr konsumierbar sein werden, geht es zunächst gar nicht um Einschränkungen des konkreten Lebens. Der Kapitalismus ist schließlich nicht auf die Bedürfnisse der Menschen ausgelegt, deswegen müsse man anfangen bei den Dingen, die die Lebensqualität gar nicht betreffen. Ein großes Beispiel hierfür ist der kapitalistische Leerlauf. Stichwort: Geplante Obsoleszenz.
"Wir haben es heute damit zu tun, das künstlicher Verschleiß damit erzeugt wird, dass Firmen die am Verkauf bestimmter Produkte Geld verdienen, dafür sorgen, durch Einbau technischer Schwachstellen, auch über die Software und so weiter, dafür sorgen, dass sie nur eine kurze Lebensdauer haben. Das könnte man politisch unterbinden." - Bruno Kern



Eine ganz große Menge an Ressourcen fließt in Dinge, die absurd sind.

Mehr als 35 Prozent der Kunststoffproduktion geht in die Verpackungsindustrie. Bruno Kern würde hierfür Pfandsysteme vorschlagen, bestimmte Verpackungen könnte man einfach verbieten. Das Weißblech einer Red Bull Dose verbraucht zum Beispiel sehr viel Energie - mehr, als sie dir gibt.



Warum wird das alles nicht einfach umgesetzt? 

Das Problem ist das System, in dem gewirtschaftet wird. Denn selbst wenn die Politik ein Interesse daran hat, langfristig den Klimawandel zu verhindern, sind sie trotzdem auch darauf angewiesen, Interessen von Konzernen mitzudenken. 
"Manchmal ist es durchschaubarer Lobbyismus, der wirklich absurd ist und der dann die Politik einknicken lässt, aber das Problem ist ja ein bisschen grundsätzlicher. Unser Staat hängt ja sozusagen am Tropf einer wachstumsgetriebenen Wirtschaft. Und da fällt es also auch schwer, Dinge umzusetzen, die jeder, der einen gesunden Hausverstand hat, eigentlich als vernünftig erkennen würde." - Bruno Kern 

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