Leben in zwei Welten

Leben in zwei Welten

Amiena Zylla im Interview mit egoFM Max

Amiena ist in Südafrika mit einem weißen Vater und einer Schwarzen Mutter aufgewachsen. Wie war ihre Kindheit und würde sie heute noch mal dort leben wollen?

Amiena Zylla ist Yogalehrerin, Tänzerin und Buchautorin. Ihre Kindheit verbrachte sie in Südafrika. Ende der 80er-Jahre beschloss ihre Familie allerdings, nach Deutschland zu ziehen. Was der Auslöser war und welche Erinnerungen sie heute mit dem Land verbindet, hat sie uns im Interview erzählt.
  • Amiena Zylla über ihre Kindheit in zwei Welten in Südafrika

Aufwachsen in zwei Welten

Die Eltern von Amiena führten eine in Südafrika verbotene Mischehe. Der Vater weiß, die Mutter Schwarz. Das Aufwachsen war für Amiena so, als würde sie in zwei Welten leben. War sie mit ihrem Papa unterwegs, hatten sie sämtliche Rechte weißer Menschen und durften zum Beispiel auf Parkbänken sitzen, die "for whites only" reserviert waren. Mit ihrer Mutter dagegen wurden sie einmal sogar aus einem Zug geworfen, weil sie sich aus Versehen in einem Waggon befanden, in dem nur weiße Menschen erlaubt waren.

"Das Groteske war es, dass meine Eltern nach außen hin diese Ehe nicht führen durften. Nach außen war dann meine Mama oft meine Nanny. Das war ganz schwer, weil sie Angst hatte, […] öffentlich als Mama [und] Tochter durch die Gegend zu gehen […] wenn ich als Baby geweint habe, haben meine Eltern wahnsinnige Angst in der Wohnung gehabt, dass eine Polizeikontrolle kommt und dass sie erwischt werden, dass sie doch ein Paar sind und zusammenleben." – Amiena Zylla

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Von Südafrika nach München

Wegen ihres Vaters hatte Amiena zwar die Vorteile, dass sie unter anderem Geige und Klavier am College of Music lernen konnte. Im Alter von 11 Jahren spitzte sich die Situation für Amiena und ihre Familie aber immer weiter zu. Amienas Papa war politisch engagierter Künstler, sie selbst war Teil einer politischen Tanzgruppe, die unter anderem bei verbotenen ANC Meetings (einer Widerstandsbewegung im Kampf gegen die Apartheid) auftraten. Diese Treffen konnten sehr gefährlich sein, denn das Militär hätte sie jeder Zeit auflösen und sogar schießen können. Als dann in ihrem Zuhause eingebrochen wurde und die Kunst ihres Vaters zerstört wurde, war es für die Familie Zeit, eine Pause von Südafrika einzulegen und nach München zu ziehen. Geplant war sie eigentlich nur für drei Monate, aus dieser Zeit wurden aber viele Jahre. Bis heute ist die Familie nie komplett nach Südafrika zurückgekehrt. Ihre Kindheit in Südafrika hat Amiena sehr geprägt und ihr auch Stärke mitgegeben. Allerdings hat sie die Zeit auch für bestimmte Themen sensibilisiert.
"Hass ist ein zu starkes Wort, aber alles, was mit dem Thema Ungerechtigkeit und Rassismus zu tun hat, da merk ich einfach da brodelt's dann in mir." – Amiena Zylla


Heutiges Miteinander in Südafrika

Auch heute, so Amiena, sei das Land immer noch geprägt von den langjährigen Erfahrungen in einem System von Ungerechtigkeit und Unterdrückung. Mischehen sind mittlerweile zwar erlaubt, trotzdem sind weiße und Schwarze Menschen noch immer nicht vollständig gleichberechtigt. Oft würden Schwarze niedrigere Arbeiten erledigen und weiße Menschen hätten bessere Jobs, sagt Amiena.
"Du wirst jetzt selten 'nen weißen sehen, der Straßenkehrer macht oder […] eine weiße Haushälterin […] Durch die neue Regierung mit Mandela hat sich das verändert, aber ich hab das Gefühl manchmal, das ist immer noch in dieser Findungsphase." – Amiena Zylla
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Rückkehr nach Südafrika?

Alle zwei Jahre versucht Amiena, in ihre Heimat zurückzukehren. Mittlerweile lebt ihr Vater wieder vollständig dort. Auch wenn ihr die Mentalität des Landes gefällt, könnte sie sich selbst trotzdem nicht vorstellen, wieder nach Südafrika zu ziehen.
"Ganz klares Nein, weil es mich zu sehr einschränken würde dort. Die Kriminalität ist weiter da […] und sobald es dunkel wird, kannst du eigentlich als Frau nicht alleine rumlaufen. […] Wenn ich dort bin und Urlaub mache, denke ich mir, ich würd am liebsten hierbleiben. Aber dann ist es diese Kehrseite, wo ich sage: Nee, ich würde niemals dort für immer leben wollen." – Amiena Zylla

Die Kriminalität hat mit Corona noch weiter zugenommen.

Das ständige Aufeinandersitzen, vor allem derjenigen die in Townships und kleinen Blechhütten leben, sei oftmals ein Grund für Reibereien, meint Amiena. Außerdem seien die Menschen lange nicht so versorgt, wie in Deutschland.



"Ein Stück Zuhause"

Eine Rückkehr schließt Amiena zwar aus, trotzdem fühlt sich das Land nach wie vor wie ihr Zuhause an. Immer wenn sie dort ist, merkt sie das erneut. Neben den negativen Erfahrungen, die sie als Kind erleben musste, von Apartheid über Rassismus bis hin zu Kriminalität, sind es trotzdem auch einige schöne Erinnerungen, die sie mit Südafrika verbindet.

 
"Das Meer, Sonne, Menschen, Herzlichkeit, Leichtigkeit […] für mich ist das nach wie vor, wenn ich in Südafrika bin, das ist für mich ein Stück Zuhause. […] Die Natur ist wunderschön. Das Essen ist das leckerste Essen auf der Welt. Es schmeckt einfach alles." – Amiena Zylla

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