Sechs Wochen am Stück frei, schon um 14 Uhr Feierabend und auch sonst ist der Lehrer*innenberuf ziemlich entspannt. Oder? Nicht wirklich – wir haben mal nachgefragt...
Ein unterschätzter Beruf
Wir reden diese Woche übers Thema Schule, den ersten Schultag, erste Schulfreund*innen, Noten und natürlich die passende Musik, aber auch über ernstere Themen wie zum Beispiel Mobbing. Und wir wollen die zu Wort kommen lassen, die uns neben unseren Freund*innen jahrelang begleitet haben – die Lehrer*innen.Wie ist es auf der anderen Seite des Klassenzimmers?
So richtig viel wissen wir ja nicht über den Job – das ändern wir heut mal. Wir schnappen uns ein paar der gängigen Vorurteile, die es zu dem Beruf gibt und verraten dir, was dir dein*e Lehrer*in zu dem Thema wahrscheinlich nie gesagt hat – es aber gern getan hätte:- "Lehrer*innen haben ständig Ferien!"
- "Lehrer*innen werden super bezahlt und müssen wenig leisten."
- "XY? Das ist Aufgabe der Lehrer*innen."
- "Jede*r kann Lehrer*in werden."
- "Der*die Lehrer*in ist zu streng, ich beschwer’ mich jetzt!"
- 10 gute Gründe, doch Lehrer*in zu werden
Disclaimer: Nicht nur im Bereich Bildung und bei den Lehrkräften gibt Mängel und einen Notstand. Zum Pflegenotstand erfährst du hier und hier mehr und hier haben wir direkt mit einer Intensivpflegerin über die Missstände in ihrem Job gesprochen. Und dort findest du alle unsere Interviews und Artikel zu verschiedensten Berufen.
"Lehrer*innen haben ständig Ferien!"
Ja, Lehrer*innen verlassen nach Schulschluss die Schule, gehen nach Hause und sind auch in der Ferienzeit nicht allzu oft im Schulgebäude anzutreffen. Das heißt aber nicht – wie oft angenommen wird – dass sie Feierabend oder frei haben. Es gibt im Lehrer*innenberuf einfach keine festen Arbeitszeiten, auch das Privatleben ist mit dem Job durchzogen. Das fängt mit Korrekturen und Stundenvorbereitung nach der Schule und zum Ende der Ferien an, geht über Abendveranstaltungen wie Elternabende, Dienstberatungen, Fortbildungen, Elternarbeit, Klassenfahrten bis zu einzelnen Notfällen, wenn die Eltern zu Hause beim Lehrer oder der Lehrerin durchklingeln. Allein die Unterrichtszeit ist fest verankert, alle anderen Arbeiten werden nicht dokumentiert.
"Lehrer*innen werden super bezahlt und müssen dafür wenig leisten."
Wir haben's gerade schon angedeutet – als Lehrer*in machst du oft viel Zeug, was dir nicht angerechnet wird, wie zum Beispiel die ganze Klassenlehrer*innentätigkeit. Da gehört tatsächlich eine Menge dazu: Statistiken, Protokolle, Zeugnisse, Beurteilungen, Beratungen, Organisatorisches von der Planung der Klassenfahrt, über Kontrolle der Anwesenheit aka Sammeln von Entschuldigungen, Ansprechpartner*in für Elternanfragen sein, Durchsetzung von Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen, Schüler*innengespräche, Klassenkonferenzen, Diagnostik, Förderung für Schüler*innen mit besonderem Förderbedarf (emotional/ sozial, sprachlich, Thema Inklusion,...) und die damit verbundene Zusammenarbeit mit Sozialarbeiter*innen, Förderschulen, der Berufsberatung… Die Liste ist wirklich ziemlich lang. Die Behauptung, Lehrer*innen hätte wenig zu tun, ist einfach falsch. Es gehört weit mehr zum Job als "nur" Frontalunterricht.Und zum Finanziellen – du gehörst als Lehrer*in zu den Menschen, die besser verdienen, ja. Entspricht der Verdienst aber der erbrachten Leistung? Nein. Lehrer*in ist ein sozialer Beruf – ein Punkt, der für die meisten weit mehr im Vordergrund steht, als der Lohn. Für viele sind daher die Schüler*innen der Antrieb und die Motivation.
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"Das ist Aufgabe der Lehrer*innen."
Erziehung, emotionaler Support, aktuelle Sachverhalte erklären,... Der Spagat zwischen dem, was von Lehrer*innen (neben den Basics) gefordert wird und dem, was in den Schulen tatsächlich umsetzbar ist, wird immer größer. Es fehlt an Personal und die meisten Schulen sind in Sachen Ausstattung auch leider noch nicht im Jahr 2024 angekommen. Natürlich hat auch nicht jedes Elternhaus die Voraussetzungen dafür – aber in der Schule geht hier langsam einfach die Kapazität aus. Okay, halt – das streichen wir kurz: Die Kapazität ist eigentlich schon lange nicht mehr vorhanden.Um Schüler*innen angemessen zu unterrichten und zu supporten, kommen viele einfach mit privaten Ressourcen (Geld und Zeit) auf. Entweder wir entlasten Lehrer*innen hier in ihren Aufgaben und in ihrer Verantwortung – oder es wird etwas für den personellen Engpass getan.
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"Jede*r kann Lehrer*in werden."
Nein, denn für diesen Job – und das sollte mittlerweile aus vorangegangen Abschnitten deutlich geworden sein – braucht's mehr als gute Mathekenntnisse. Der pädagogische und soziale Anteil wird immer noch ziemlich unterschätzt. Quereinsteiger*innen, mit denen bundesweit versucht wird, den Lehrer*innenmangel aufzufangen, kommen daher oft auch mit falschen Erwartungen in den Beruf. Sie werden viel zu wenig begleitet und eingearbeitet (wie auch – alle, die das machen könnten, sind ja schon an beziehungsweise über der Belastungsgrenze). Übrigens – Statistiken zeigen, dass Lehrkräfte von Jahr zu Jahr häufiger krank sind. Die GEW (Gewerkschaft für Lehrer*innen) spricht von einem deutlichen Warnsignal aufgrund von Überlastung, es ist ein Kommen und Gehen an Schulen – die Leittragenden sind hier dann logischerweise auch die Schüler*innen (zum Beispiel massiver Unterrichtsausfall, der nicht mehr aufgearbeitet werden kann).Hinzu kommt dann noch, dass Lehrer*innen, die in Rente gehen, gar nicht gefragt werden, ob sie länger für schulische Aufgaben einsetzbar sind.
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by from discussion
inlehrerzimmer
"Der*die Lehrer*in ist zu streng, ich beschwer’ mich jetzt!"
Gut, wortwörtlich hat das so wahrscheinlich noch kein Elternteil gesagt, aber das Problem wurde uns so oder ähnlich öfter geschildert. Erinner dich mal an deine eigene Schulzeit – wie oft haben deine Eltern dem Klassenlehrer eine Mail geschrieben, weil er dir dein Tamagotchi in der Stunde weggenommen hat? Wie oft wollten sie ein Elterngespräch mit der Mathelehrerin, weil du Scheiße gebaut hast und nachsitzen musstest? Das kam nicht wirklich vor, oder?Irgendwie gab's hier früher mehr Vertrauen in die pädagogischen und erzieherischen Maßnahmen der Lehrer*innen. Wie sollen sich Lehrer*innen durchsetzen, wenn Erziehungsberechtigte bei jedem Mimimi vom Kind springen und sich beschweren? Klar, es gibt auch beschissene Lehrer*innen und hier sind Kritik und Gespräche auf jeden Fall angebracht. Ansonsten wünschen sich hier viele der Lehrenden einfach ein bisschen mehr Vertrauen und Respekt – schließlich ist es ihr Job.
10 gute Gründe, Lehrer*in zu werden
Wir wollen mit unserem Einblick kein Öl ins Feuer gießen, sondern die Lehrer*innen hier mal ein bisschen supporten und mehr Awareness für das Problem an den Schulen schaffen. Und auch wenn das alles abschreckend klingt, gibt es trotzdem genug Gründe, warum der Beruf für viele Menschen der Traumjob sein könnte:- Positiver Einfluss: Lehrer*innen haben die Chance, junge Menschen auf ihrem Lebensweg zu unterstützen, zu fördern und wirklich was zu ändern.
- Lebenslanges Lernen: Du lernst durch den Job ständig dazu und entwickelst dich immer weiter.
- Abwechslungsreiche Aufgaben: Kein Tag gleicht dem anderen.
- Erfolgserlebnisse und Dankbarkeit: Wenn Schüler*innen durch dich Fortschritte machen, Prüfungen bestehen und/oder Spaß am Lernen haben, ist das schon ziemlich toll, oder?
- Teamarbeit mit Kolleg*innen: Viele Lehrer*innen schätzen die Zusammenarbeit im Kollegium, wo sie sich gegenseitig unterstützen.
- Stabile Karriere: Der Job ist an sich oft eine langfristige und sichere Anstellung.
- Mentor*innenrolle: Lehrer*innen sind oft wichtige Vorbilder und Bezugspersonen für Schüler*innen.
- Vielfältige Themen: Es gibt die Möglichkeit, sich mit unterschiedlichsten Fachbereichen zu beschäftigen.
- Freude am Unterrichten: Du kannst nicht nur Wissen weitergeben, sondern auch kreativ den Unterricht gestalten.
- Die Gewissheit, dass du mit deinem Job wirklich etwas bewegen kannst – im Großen, wie im Kleinen.
Für viele einer der wichtigsten Gründe und auch ein kleines Fazit:
Lehrer oder Lehrerin sein ist kein Job, es ist eine Berufung.
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