Wie sich unser Verständnis von Luxus über die Zeit verändert hat und was der Auslöser dafür war, zeigen wir dir hier.
Kaviar, Champus & Pralinen
Per Definition sind Luxuswaren nicht unbedingt Produkte, die ein rationales Problem lösen. Vielmehr dienen sie dazu, eine sinnliche Erlebniswelt zu schaffen, emotionale Lösungen zu bieten und einen Traum, eine Vorstellung zu konkretisieren. Außerdem fungieren sie schon immer als Statussymbol, als Mittel zur Selbstbehauptung: "Ich kann es mir leisten!" So trennen sie also reich von arm - in finanzieller Hinsicht zumindest.
Das weiße Gold
Was heute viele Menschen von ihrer Breze pulen, galt Jahrtausende lang als einer der begehrtesten Rohstoffe der Welt: Das Salz. Was wir heute tonnenweise in Supermarktregalen finden, wurde bis vor rund hundert Jahren noch als Geschenk der Götter, als das weiße Gold bezeichnet. Wer Salz besaß, hatte Macht. Warum? Salz ist für uns Menschen lebenswichtig, da es unsere Körperfunktionen reguliert. Kurz gesagt ohne Salz sterben wir. Auf Gold kann man also verzichten, auf Salz eher nicht.
Doch bis vor gut einhundert Jahren war die Gewinnung kompliziert. Bohren, Hämmern und teuer Münzen. Zuvor unscheinbare Orte an den berühmten Salzstraßen der Antike oder des Mittelalters wurden damals im Nu zu reichen Handelszentren, Salzburg oder Halle an der Saale beispielsweise. Und wegen der Knappheit des Salzes kam es immer wieder zu blutigen Kriegen, zuletzt der Salzkrieg 1611 zwischen Salzburg und Bayern. Auch im alten Rom war der Rohstoff so wertvoll, dass die Römer*innen Salz zeitweise als Zahlungsmittel für ihre Legionäre nutzten. Aus dem lateinischen Wort sal entstammt übrigens auch das Synonym für Lohn: Salär im Deutschen oder Salary im Englischen.
Im 19. und 20. Jahrhundert dann brachten neue wissenschaftliche Methoden unentdeckte Salzvorkommen zum Vorschein: Salz war nun nicht mehr rar. Und spätestens mit der Aufhebung der Salzsteuer änderte sich die Wahrnehmung in der Gesellschaft: Salz wurde vom Luxusgut zum Massenprodukt. Heute ist das Salz mit Blick auf die Geschichte unglaublich günstig, wobei ein zu viel davon zu Bluthochdruck führt. Also wäre es womöglich gar nicht so verkehrt, das Salz wieder mehr als Luxusgut zu betrachten.
Der Stoff, aus dem Träume gemacht sind
Der chinesischen Mythologie zufolge, soll der Frau des gelben Kaisers bei einem Spaziergang im dritten Jahrtausend vor Christus etwas Ungewöhnliches passiert sein: Ein Kokon sei in ihren Tee gefallen. Als sie jedoch hinein griff, um das Stück herauszufischen, wickelte sich ein Faden ab. Daraufhin sei sie auf die Idee gekommen, den Faden zu verweben… Die Seide entstand. Legende hin oder her - die Seide kam erstmals 100 v. Chr. auf der Seidenstraße von China nach Rom und Byzanz. Die 7000 km lange Strecke stellte somit die erste Verbindung zwischen Europa und Asien dar.
Seidengewebe wurde im damaligen Europa gleich teuer gehandelt wie Gold, denn selbst produzieren konnte die Europäer*innen die weichen Fäden damals noch nicht. Und nur die Oberschicht konnte sich den Stoff leisten: Die alten Römer*innen trugen noch Tuniken mit Seidenfäden bestickt. Und am französischen Hof des Sonnenkönigs Ludwig dem 14. trugen sowohl Männer als auch Frauen Ornamente aus Seide an Strümpfen und Kleidern.
Die Chinese*innen hüteten ihr seidenes Geheimnis wie ihre Augäpfel: Die Ausfuhr von Seidenraupen und ihren Eiern stand in China unter Todesstrafe. Doch um circa 550 nach Christus kamen die Raupen nach Europa: Zwei persischen Mönchen gelang es, das Geheimnis aus China in das damalige Konstantinopel zu bringen. Von dort breitete sich die Produktion aus - über die ganze Welt.
Heute sind Indien, China, Japan, Brasilien und Thailand die größten Seidenproduzenten. Am Ruf der Seide hat sich aber bis heute nichts geändert, außer vielleicht, dass sich mittlerweile auch Erika Mustermann Seide leisten kann.
Luxus im Wandel
Das weiße Gold
Luxus im Wandel
Der Stoff, aus dem Träume gemacht sind
Luxus im Wandel
Der Tulpenwahnsinn
Luxus im Wandel
Nicht sexy, aber riecht gut
Nicht sexy, aber riecht gut
In der Nacht von Jesu Geburt kommen drei Sterndeuter zur Krippe nach Bethlehem, um ihren neuen König anzubeten. Als Geschenke bringen sie das Wertvollste, was sie zu der Zeit finden können: Gold, Weihrauch und … Myrrhe. Was beim ersten Hören eher nach Krätze klingen mag, war schon zu Lebzeiten Jesu ein sehr wertvolles und deshalb teures Geschenk.
Myrrhe, das wohlduftende Harz wird vom Myrrhenbaum gewonnen und wächst nur in extrem trockenen Gebieten, sprich in der Wüste. Also muss es importiert werden und das war damals schon teuer. Das Harz wurde als Salbe traditionell zur Wundheilung und bei Infektionen verwendet.
Auch die alten Ägypter*innen wussten schon um die Kraft des Harzes: Sie nutzten die Myrrhe, um die Wohlhabenden unter den Toten einzubalsamieren und so auf ihre Reise ins Jenseits vorzubereiten. So waren die Toten gefeit gegen Krankheiten und schlechte Gerüche - denn Myrrhe riecht gut. So gut, dass auch die Lebenden das Harz als Parfum nutzten. Und die Liebessüchtigen als Aphrodisiakum.
Auch heute noch ist der Myrrhenbaum gar nicht mal so irrelevant - seinen scheinbar magischen Heilkräften zum Danke, wurde er 2021 zur Arzneipflanze des Jahres gewählt. Und das lässt er sich auch kosten: Bis zu 200 Euro pro Kilo. Caspar, Melchior und Balthasar wussten also damals schon ziemlich genau, was sie Jesus da für ein Luxusprodukt brachten.
Der Tulpenwahnsinn
In Holland, Mitte des 16. Jahrhunderts, waren die Menschen verrückt nach einer Blumensorte. Die Zwiebeln der Tulpe waren gerade vom Osmanischen Reich nach Europa gekommen und die Blumen aus dem Morgenland wurden zu einem nachgefragten Tausch- und Sammlerobjekt. Und weil die Bürger*innen so verrückt nach den Blumen waren, mussten sehr viele Tulpen gezüchtet werden.
Vor allem in Holland etablierte sich in den 30er-Jahren des 17. Jahrhunderts eine regelrechte Tulpenzwiebel Industrie. Die intensive Zucht hatte neben der bunten Blumenpracht auch eine Kehrseite: Das Tulip-Mosaic-Virus. Dies war für trügerisch schöne Tulpenfarben verantwortlich und für einen der ersten Börsencrashs der Geschichte. Eine besonders prachtvolle Tulpe, eine purpur-weiß gestreifte Semper Augustus, wurde 1637 für heute umgerechnet eine Million Euro angeboten - für dieses Geld hätte man sich damals ein nobles Amsterdamer Stadthaus leisten können. Es ging so weit, dass Tulpendieb*innen in die Gärten reicher Bürger*innen einbrachen und auch der Botanische Garten blieb vor den diebischen Händen nicht verschont. Der Haken an der Sache, die Tulpen blühten höchstens ein, zwei Mal, danach starben sie. Viele Sammler*innen hatten in diese prachtvolle Tulpe investiert und nun war die Spekulationsblase über Nacht geplatzt. Für viele hieß das der finanzielle Ruin. Der Preis für eine Tulpe hat sich schon lange wieder normalisiert, doch die Niederlande ist immer noch der Hauptzüchter der osmanischen Schönheiten.
Mehr PS, weniger Pferde
Ob Bahn, Auto oder Flugzeug: Die Möglichkeit, sich schnell von A nach B bewegen zu können, ist und war schon immer Luxus. Doch die Vorstellung dessen, was nun eigentlich Luxus in der Mobilität bedeutet, befindet sich wie die Fortbewegung selbst im stetigen Wandel. In einer Zeit beispielsweise bevor es motorisierte Gefährte gab, war das Pferd Fortbewegungsmittel Nummer eins - auch für Otto-Normal-Verbraucher*innen. Die komfortablen und meist schnelleren Kutschen, die waren nur den Reichen vorbehalten.
Heutzutage aber ist das Pferd selbst Luxus - es steht oftmals für Kultur und Prestige. Das Auto hingegen parkt mittlerweile laut dem Bundesamt für Statistik in jeder zweiten deutschen Garage - oftmals sogar in doppelter Ausführung. Anfangs also Luxusware mittlerweile Alltagsgegenstand - sollte der Spritpreis aber weiter so ansteigen wie derzeit, könnte das Auto bald auch wieder Luxusgegenstand werden. Die Superreichen haben trotzdem noch jede Menge Fuhrparks, ungeachtet des ökologischen Fußabdrucks. Wer aber in puncto Fortbewegung Treibhausgas sparen will, der setzt sowieso lieber auf die Bahn. Deutsche Züge sind mittlerweile umweltfreundlich, aber auch oftmals teurer als die umweltschädlichen Alternativen.
Das Fliegen beispielsweise war, als die ersten Flugzeuge abhoben, noch Luxus, heutzutage sind Kurz - und Langstreckenflüge dank Billigfliegern aber oftmals utopisch günstig, günstiger eben als Züge. Nur ob die Flieger auch abheben, darüber kann man sich dank des Personalmangels derzeit sowieso nicht sicher sein.
Eins jedoch ist klar, ob Auto, Flugzeug oder Bahn, Luxus ändert sich ständig - liegt der neue Luxus also vielleicht darin, die Möglichkeit zu haben, die umweltfreundliche, aber teurere Alternative wählen zu können? Wenn ja, sollten wir unsere Umweltpolitik dringend überdenken.
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