Können wir Kunst vom Künstler trennen?

Können wir Kunst vom Künstler trennen?

Eine Frage ohne Antwort

Die aktuelle Diskussion um die neue Michael Jackson-Doku gibt uns (mal wieder) zu denken: Kann man Kunst und Künstler voneinander trennen? Oder sollten wir die Filme, Musik oder Werke von Künstlern, denen Missbrauch vorgeworfen wird, ganz aus unserem Leben verbannen?

Er hat wundervolle Musik gemacht und mit seinen Songs Geschichte geschrieben. Durch ihn wurde der Moon Walk berühmt. Für den Friedensnobelpreis wurde er gleich zweimal nominiert. Er war und ist der King of Pop: Michael Jackson.


Und doch war nicht alles so wunderbar, was der King of Pop zu Lebzeiten gemacht hat.



Eine TV-Doku bringt neue Missbrauchsvorwürfe ans Licht

Eine neue Dokumentation namens Leaving Neverland  lässt die Diskussion um die Missbrauchsvorwürfe gegen Michael Jackson von Neuem aufflammen. 2005 war Michael Jackson bei einem Gerichtsprozess freigesprochen worden. 

Jetzt melden sich zwei neue Stimmen zu Wort, die Michael Jackson Kindesmissbrauch vorwerfen. 
Die beiden Männer Wade Robson und James Safechuck erzählen in Leaving Neverland, sie seien als Kinder Gäste auf seiner Neverland Ranch gewesen und dort von Michael Jackson sexuell missbraucht worden. Laut ihrer Aussage im Film sind sie erst heute an die Öffentlichkeit gegangen, weil sie damals zum Schweigen erpresst worden seien oder selbst nicht realisiert hätten, dass ihnen Unrecht geschieht.

Die Doku ist in den USA auf dem Sender HBO bereits ausgestrahlt worden und kommt am 3. und 4. März im UK-Fernsehen. Einen deutschen Ausstrahlungstermin gibt's inzwischen auch. Pro7 wird Leaving Neverland  am 6. April zur Primetime um 20:15 Uhr ausstrahlen. Bis dahin kannst du dir hier schonmal den Trailer aus dem Netz ansehen:



Ob die neuen Anschuldigungen gegen Michael Jackson wahr sind, wissen wir nicht. Michael Jackson ist tot und kann sich dazu weder äußern noch posthum verurteilt werden. Journalisten, die den Film bereits sehen konnten, berichten aber, dass sie den Film als eine sehr glaubwürdige Darstellung der Ereignisse empfunden hätten. Das Lesen dieser Schlagzeilen hinterlässt bei uns einen mehr als üblen Beigeschmack. Denn die Frage, die wir uns jetzt alle (wieder) stellen müssen:

Können wir Michael Jacksons Musik trotzdem noch guten Gewissens hören?



Und das gilt nicht nur für Michael Jackson


Es ist in der jüngsten Zeit nicht der einzige Fall, über den wir uns Gedanken machen müssen. Mehreren Künstlern wird aktuell sexueller Missbrauch vorgeworfen.


Allen voran hat der Fall R. Kelly eine Riesenwelle geschlagen. Dem Sänger wurden Kinderpornografie und sexuelle Gewalt gegen minderjährige und erwachsene Frauen vorgeworfen. Eine Petition versuchte, eine Absage der Deutschlandkonzerte von R. Kelly durchzusetzen.
Und hatte Erfolg. Für seine Vergehen musste R. Kelly ins Gefängnis, wurde allerdings zuletzt von einer Freundin freigekauft.

Ryan Adams ist momentan auch ganz groß in den Medien. Allerdings nicht wegen seiner inzwischen 16 veröffentlichten Alben. Im Gegenteil, man schreibt über ihn, weil er junge Frauen unter dem Deckmantel einer Karriere-Sprung-Hilfe psychisch missbraucht haben soll und mit sexuellem Fehlverhalten auffiel.

Nicht nur in der Musik gibt es Anschuldigungen solcher Art. Wir erinnern uns an die Vorwürfe gegen den House Of Cards-Schauspieler Kevin Spacey. Ihm wird in mehr als 30 Fällen Belästigung und sexuelle Übergriffigkeit gegenüber jungen Männern vorgeworfen.

Und diese Liste könnte noch ewig weitergeführt werden. Nach dem Weinstein-Skandal, bei dem der amerikanische Filmproduzent Harvey Weinstein beschuldigt wurde, sich über mehrere Jahrzehnte hinweg sexuell an Frauen vergangen zu haben, ging der #MeToo Hashtag in den sozialen Medien viral. Er sollte auf sexuelle Belästigung und Missbrauchsfälle aufmerksam machen und wurde millionenfach verwendet.


Aber nochmal zurück zur Ausgangsfrage:

Müssen wir die Kunst solcher Menschen boykottieren?

Die Frage dreht sich hin und her in unseren Köpfen. Auch für uns egos stellt die Frage nicht nur privat, sondern auch im Redaktionsalltag ein Dilemma dar. Ryan Adams war mit seinen Songs schon lange in unserer Playlist vertreten. Und was tun mit den Michael Jackson Platten, die wir alle zuhause haben und die wir bisher immer als Schätze unserer Musiksammlungen betrachtet haben?

Gehört die Kunst zum Künstler oder kann man beides voneinander trennen? 


Denn bei allem Respekt vor den Missbrauchsopfern bleibt eben auch die Tatsache, dass Michael Jackson einen essentiellen Teil des popkulturellen Gedächtnisses weltweit ausmacht. Als Künstler ist er eine Legende. Man kann ihn nicht einfach löschen und vergessen. Bis heute prägt er auch viele Künstler, die wir im egoMusikprogramm spielen, mit seiner Musik.

Er wird ziemlich sicher für immer - oder noch sehr lange - in den Köpfen der Menschen bleiben. Aber dürfen wir seine Songs noch immer gerne mögen und uns freuen, wenn wir sie hören? Oder werden wir in Zukunft immer einen kleinen Stich spüren, wenn die ersten Takte von "Thriller" oder "Billie Jean" irgendwo erklingen?

Reaktion in Großbritannien

Im Angesicht des Ausstrahlungstermins im britischen Fernsehen hat der Radiosender BBC2 Michael Jackson ab sofort aus seinem Musikprogramm verbannt. Auch der Norwegische Rundfunk spielt aufgrund der Dokumentation, Leaving Neverland, ab Freitag für zwei Wochen keine Michael Jackson Songs mehr. Nur, wie lange die Redaktionen das wirklich durchhalten können, bleibt abzuwarten. Schließlich gehen die Meinungen in diesem Fall stark auseinander und es gibt genug Menschen, die die Musik von Michael Jackson weiter im Radio hören möchten.



Was denkst du? Ist es wirklich gerechtfertigt oder sogar notwendig, Filme, Musik oder andere Kunst aus unserem Leben zu verbannen, weil die Urheber sich als Personen strafbar gemacht haben oder es zumindest Vorwürfe gegen sie gibt? Diskutiere mit auf der egoFM-Facebookseite.

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