Zoos haben keine Probleme mit Zoos. Klar. Tierschutzorganisationen schon. Irgendwie auch klar. Falls also irgendjemanden eine persönliche Meinung interessiert: Hier ist die unserer Autorin.
Argumente Pro & Contra Zoo auf dem Prüfstand
Wenn du gezielt danach suchst, findest du natürlich einige Gründe, die für Zoos sprechen und erklären, warum sie für die Artenvielfalt oder die tierische Aufklärung unerlässlich sind. Diese Gründe pro Zoo kommen aber meistens von Zooleitungen selbst - und die sind in der Sache also nicht wirklich unbefangen. Gleichzeitig kommen die Argumente gegen Zoos von Tierschutzorganisationen - da kann man jetzt auch sagen, dass die nicht ganz unbefangen sind. Eine Pro und Contra-Liste macht also eher wenig Sinn, denn alles, was die einen behaupten, meinen die anderen widerlegen zu können.Deswegen präsentiere ich nun etwas, auf das alle gewartet haben: Meine Meinung zu Zoos! Doch bevor es zur Sache geht, schmeiße ich erstmal selbst einen Begriff in den Raum: doppelte Moral! So, los geht es, und zwar mit einem kritischen Blick auf die vermeintlichen Pros zu Zoos.
Das Argument mit dem Artenschutz
Ein Eisbär, der in einem Zoo lebt, ist besser als ein Eisbär, der gerade dank der Klimakatastrophe ertrinkt - so könnte man das Argument von Zoos, sie würden ihren Beitrag zur Arterhaltung leisten, in etwa übersetzen. In Zoos können sich Tiere ungestört paaren und der Nachwuchs ist vor Fressfeinden und anderen Widrigkeiten sicher. Irgendwie klingt das auch logisch, zumindest bis zur ersten Ecke gedacht. Um die Ecke herum sieht das Ganze schon anders aus: es ist schlichtweg unnatürlich, es kommt schnell zu Inzucht und Nachwuchs mit genetischen Defekten, ist dementsprechend absolut nicht artgerecht und eher eine Fake-Arterhaltung. Ich meine: Soll das eine Entschuldigung sein, dass wir uns überhaupt nicht anstrengen müssen, Artensterben entgegen zu wirken, weil in irgendwelchen Zoos in irgendwelchen Tümpeln immer ein trauriger Eisbär liegt?Womit wir schon beim nächsten Punkt wären...
Das Argument der artgerechten Tierhaltung
Darum bemühen sich Zoos, klar. Und es hat sich auch schon ein bisschen was getan. Gehege sind dezent größer geworden und außerdem gibt es in den meisten nun auch Bereiche, in die Besucher*innen keinen Einblick haben und den Tieren als Rückzugsort dienen. Aber artgerecht? Auf einem begrenzten Terrain? In Gefangenschaft? Hm. Mit der freien Wildbahn kann man das nicht wirklich vergleichen. Aber klar: Immerhin haben manche Beutetiere weniger Stress, nicht auf dem Speiseplan eines Raubtieres zu stehen. Und die medizinische Versorgung ist in Zoos sicherlich auch besser als auf einer Eisscholle mitten im antarktischen Meer. Einerseits. Andererseits sieht es so aus, dass den Tieren in ihren Käfigen einfach scheiß langweilig ist. Was soll man auch tun, wenn die eigentlichen Aufgaben in der Natur per se nicht zu tun sind? Deswegen ist es eigentlich wichtig, auch Tiergehege mit reichlich Beschäftigungsmaterial auszustatten - und an diesen mangelt es in den meisten Zoos, weswegen die Tiere, gerade Menschenaffen, manisches Verhalten ausbilden. Schimpansen zum Beispiel sieht man oft im Schneidersitz vor und zurück schaukeln, manche verstümmeln sich auch selbst oder essen ihre eigenen Exkremente. Nein, sowas machen sie eigentlich nicht in freier Wildbahn.Naja, immerhin geht der Trend in manchen Zoos dezent etwas in Richtung Heimat. Im Tierpark Hellabrunn können Besucher*innen so zum Beispiel auch Kühe bewundern.
Das Argument: "Ja aber in Life of Pi wird doch erklärt, wie toll Zoos sind"
Kaum spuckt man die Worte: "Also puh keine Ahnung, ich finde das Konzept von Zoos ist irgendwie ziemlich kacke", kommt meistens innerhalb der ersten zweieinhalb Sekunden die Entgegnung: "Äh, hast du nicht Life of Pi gelesen?" Sogenannter Pi, der nebenher einen Schiffbruch mit Tiger hat, ist Sohn eines Zoobesitzers, der es doof findet, dass manche Menschen der Meinung seien, Zoos wären grausame Orte, die von verrückten, geldgierigen Leuten geleitet werden. Aber dies sei gar nicht so, sagt Pi. Gut, nun wissen wir an dieser Stelle bereits, dass Menschen, die irgendwie selbst im Zoogeschäft involviert sind, nicht unbedingt das schlechteste von ihrem Geschäft halten. Pi sagt also, Tiere seien auch in der Wildnis nicht frei, immerhin werden sie beschränkt von Hunger, Fortpflanzungsdrang und Fressfeinden. Und dann müssen sie außerdem noch andauernd ihr Territorium verteidigen. Pi sagt deswegen, dass Tiere Zoos vielleicht sogar bevorzugen, weil sie sich dort keine Sorge um Feinde, Nahrungsnot und territoriale Kämpfe haben müssen.Ganz ehrlich: Ich verstehe das sogar irgendwie.
Zuhause auf der Couch rumzufläzen und Netflix schauen taugt mir auch viel mehr, als mich mit unnötiger Bürokratie, Wohnungssuche in München oder Trollen im Internet abgeben zu müssen. Aber wenn ich den Erwachsenen in meinem Umfeld Glauben schenke, dann kann ich sagen: Der Scheiß gehört zum Leben dazu. Ich würde also nicht freiwillig in einen Käfig spazieren, um mich all dem zu entziehen, was mich stresst - denn das bedeutet sehr limitierte Lebensentscheidungsmöglichkeiten. Ich habe gesagt, ich liebe es auf der Couch rumzuvegetieren - definitiv. Aber hauptsächlich, weil ich genauso viele andere Sachen machen könnte.Das Argument vom Engagement für Naturschutzprojekte
Einige Zoos unterstützen mit einem kleinen Teil der Einnahmen zunehmend auch Naturschutzprojekte. Das ist riesig, um das einfach mal so zu sagen, und ist ein wirkungsvolles Mittel, das miese Image etwas zu polieren (wenn du jetzt deine Augen zusammenkneifst siehst du, wie ich zwischen den Zeilen mit dem Zaunpfahl winke). Gleichzeitig werden die meisten deutschen Zoos mit einigen Millionen Euro vom Staat subventioniert. Ich war nie gut in Mathe, habe aber irgendwie das Gefühl, dass das ein rechter Umweg für Gelder sind, die vermeintlich auf Tierschutz einzahlen sollten - warum fließen diese Beträge nicht einfach direkt in Naturschutzprojekte?"Würden diese Gelder direkt in den Artenschutz fließen, also den Erhalt der natürlichen Lebensräume bedrohter Tierarten, wären viele Tiere heute nicht vom Aussterben bedroht. Stattdessen investieren Zoos in teure Zuchtprogramme für Tierarten, die niemals ausgewildert werden können." - von der Peta-Webseite: "Die 8 größten Irrtümer über Zoos"
Die tatsächliche Wirtschaftlichkeit
Ich schenke Tierschutzorganisation, die die Absichten von Zoos kritisieren, schlichtweg mehr Glauben als wirtschaftlichen Unternehmen. Natürlich wird es auch diese und jene Zoos geben mit eher diesen oder eher jenen Interessen.Letztlich muss sich ein Zoo aber immer finanziell tragen, letztlich ist ein Zoo also immer: ein Unternehmen. Mit Lebewesen.
Was das heißt, wird gerade jetzt in der Krise ziemlich deutlich: Weil die Zoos geschlossen sind und keine Einnahmen, aber genauso viele Ausgaben haben (Futter für die Tiere, Pfleger*innen im Einsatz, etc. etc.) leiden diese gerade besonders finanziell. Also, der Zoo an sich - viele der Tiere genießen nämlich die Ruhe. Doch das kann sich noch ändern, immerhin sorgte der Tierpark Neumünster schon am Anfang der Pandemie für Aufruhr mit einer drastischen Ansage: Wenn es so weiter geht, müssten sie Notschlachtungen ins Auge fassen. Das Geld reiche hinten und vorne nicht. Nicht für die Haltung und Pflege, nicht für die Nahrung. Makaber ausgedrückt dachte sich die Zoodirektion wohl: Zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen! Immerhin könnten die geschlachteten Tiere, die dann nicht mehr gepflegt werden müssen, verfüttert werden. Jetzt kann man sich denken: "Ja ok, Corona halt, das trifft alle hart".Dabei sind Schlachtungen auch außerhalb der Krise bei manchen Zoos auch einfach eine wirtschaftliche Entscheidung.
Besonders fleißig und öffentlichkeitswirksam praktiziert dies der Zoo in Kopenhagen. Über die Jahre hinweg wurden hier einige Löwenbabys getötet, weil für diese im eigenen Zoo kein Platz war und sich auch sonst kein anderer Zoo die Tiere leisten wollte. Für einen großen Eklat sorgte auch die Tötung der Giraffe Marius in eben diesem Zoo - sie wurde öffentlich geschlachtet und dann auch gleich an Löwen verfüttert. Tierschutz und Artenerhalt riecht irgendwie anders.Es ist einfach so: Ohne staatliche Subventionen könnte kaum ein Zoo überleben. Und ist es nicht irgendwie so, dass Geschäfte, die nicht laufen, schlichtweg ein scheiß Konzept haben und dementsprechend völlig zu Recht nicht existieren sollten?
Der tatsächliche Speziesismus
Für mich sind Zoos einfach ein Paradebeispiel menschlicher Arroganz.
Entfernt auch bekannt als: Speziesismus. Also der Anschauung, dass der Mensch allen anderen Arten überlegen und daher berechtigt sei, diese so behandeln zu können wie er das will. Und das bedeutet auch, dass der Mensch der Meinung ist, andere Lebewesen töten, essen, quälen oder eben zur eigenen Unterhaltung einsperren zu können.Für Menschenaffen gibt es in diese Richtung einige Kampagnen, unter anderem diese hier von Peta, um ihre Haltung in Zoos zu verbieten. Immerhin teilen wir uns 98 Prozent der DNA mit diesen Lebewesen, dabei ist nicht nur ihr Körper, sondern auch ihr Fühlen und Denken dem unseren ganz ähnlich. Meine Unterschrift hat die Kampagne schon. Aber ich finde:
Wie ähnlich muss uns ein Lebewesen sein, damit wir eine angemessene Menge Empathie aufbringen können, es nicht leiden sehen zu wollen?
Warum reicht nicht schon die Tatsache, dass ein Tier ein Nervensystem hat, das es Schmerzen empfinden lässt? Warum reicht kein schlagendes Herz? Warum reichen keine Instinkte, die nur auf das Überleben aus sind? Warum reicht es nicht, dass die meisten Tiere Nächstenliebe zu ihren Kindern und Mittieren empfinden? Und wie arrogant kann man als Spezies Mensch eigentlich sein, wenn wir uns auch verzweifelte Gefühle wie Gefangenschaft, Optionslosigkeit und schlechtes Kantinenessen vorbehalten und anderen Lebewesen nicht zugestehen?
Nein, ich bin keine Freundin von Zoos. Trotzdem habe ich einen mickrigen Punkt, der vielleicht ansatzweise dafür sprechen kann.
Mein tatsächliches halbes Pro
Ich erinnere mich an meine Kindheit zurück und weiß, wie sehr ich Zoos einmal geliebt habe.
Ich konnte es nicht fassen, all diese tollen Tiere, die eigentlich auf fernen Kontinenten zu Hause sind, vereint an einem Ort und dann auch noch vor meiner Nase sehen zu können. Ich denke auf jeden Fall, dass mich das in meiner Tierliebe auch geprägt hat. Andererseits habe ich auch Naturdokus mit Tieren geliebt. Und Bücher - also denke ich nicht unbedingt, dass ich ein rüpelhafter Arsch wäre, wenn ich die Tiere nicht auch live gesehen hätte.Trotzdem (und ein bisschen auch deswegen) finde ich es gleichzeitig schwierig, meinem eigenen Kind Zoobesuche zu verwehren.
Womit wir nun endlich bei der versprochenen doppelten Moral wären: Ähnlich wie beim Fleischkonsum kann ich mein Kind aufklären und nur darauf hoffen, dass es eine empathische Entscheidung trifft. Dabei kann ich mir vorstellen, dass es einfacher ist ein Kind davon zu überzeugen, dass es uncool ist, Lebewesen wie muhende Kühe, oinkende Schweinchen und gackernde Hühner zu fressen - die meisten Kinder lieben Tiere immerhin (und sind gleichzeitig jung genug nicht sagen zu können: "AbEr DeS sChMeCkT sO gUt!"). Doch genau aus dem Grund - der Liebe, der Bewunderung, der Faszination - wird es wahrscheinlich schwerer sein, einem kleinen Fan nahezulegen, seinen Superstars nicht mal live sehen zu gehen. Natürlich ist es toll und beeindruckend - aber zu welchem Preis?Aber wie dem auch sei, ob es mir gefällt oder nicht: Die Entscheidung pro oder contra muss die eigene sein.
Tatsächlich unsere Entscheidung
Genau das finde ich auch in der Zoogeschichte problematisch. Warum müssen wir uns als Bürger*innen entscheiden, ob wir uns mit ein bisschen Tierwohl zufrieden geben oder es alternativ eben boykottieren? Warum kann sowas nicht einfach politisch geregelt werden? Dass Gehege eine bestimmte, angemessene Größe haben zum Beispiel (ich träume von Tausenden von Hektar). Oder dass wirklich bedrohte Tierarten in Zoos Einzug finden (laut Peta werden "nur 20 bis 25 Prozent aller weltweit bedrohten Säugetiere in Zoos gehalten – bei Reptilien sind es sogar nur drei Prozent"). Oder dass bestimmte Tiere nur mit dem Ziel gezüchtet werden, sie später wieder einmal auszuwildern.Aber, ach schade, während ich das schreibe merke ich schon, was das für eine dumme Bitte war. Denn dazu müsste Tierwohl in der Legislative einen dezent höheren Stellenwert haben. Dass dem nicht wirklich der Fall ist, sehen wir ja zum Beispiel an den vielen merkwürdigen Ideen über Tierwohl unserer Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - das ist aber ein ganz anderes Thema, mit dem ich hier gar nicht anfangen will.
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