Im Interview erzählt der Suchtmediziner Prof. Dr. Derik Hermann warum er dafür ist, Cannabis zu legalisieren und welche Rahmenbedingungen dafür gegeben sein müssen.
Viele Expert*innen aus der Suchtmedizin plädieren seit Jahren für einen zeitgemäßen Umgang mit psychoaktiven Substanzen und befürworten deswegen eine Cannabis-Legalisierung. Angesichts der aktuellen Koalitionsverhandlungen zwischen Grünen, FDP und SPD scheint eine solche Legalisierung nun tatsächlich gar nicht mehr so unwahrscheinlich. Ausschlaggebender Grund dürfte vor allem eines sein: Die aktuelle Strategie - die Kriminalisierung - funktioniert nicht besonders gut. Jährlich werden in Deutschland 200 bis 400 Tonnen Cannabis konsumiert und die Zahlen sind steigend.
Prof. Dr. Derik Hermann über Cannabis
Das komplette Interview mit Gloria
Deswegen ist Prof. Dr. Derik Hermann dafür, endlich einen anderen Weg einzuschlagen und Cannabis zu legalisieren
Allerdings nur, wenn dies sinnvoll umgesetzt wird, denn auch eine Legalisierung muss für Prof. Dr. Derik Hermann das Ziel haben, den Cannabis-Konsum so gering wie möglich zu halten. Der Suchtmediziner sagt klar, dass Cannabis nicht verharmlost werden sollte und durchaus zu Schäden führen kann, vor alle bei Jugendlichen. Deswegen sollten bei einer Legalisierung auch nicht dieselben Fehler gemacht werden, wie bei Alkohol und Zigaretten. Beides sind für Prof. Dr. Derik Hermann übrigens - ganz im Gegensatz zu Cannabis - tatsächlich sogenannte Einstiegsdrogen.
"Cannabis kann man nicht als Einstiegsdroge ansehen. Die Einstiegsdrogen sind eigentlich Tabak und Alkohol. Es gibt glaube ich keinen, der irgendwelche anderen, härteren Drogen nimmt, der nicht vorher auch Tabak und Alkohol konsumiert hat. Cannabis ist eben einfach eher eine leichtere Droge im Vergleich zu Kokain oder Heroin und der nächste Schritt - aber es ist einfach nur ein Schritt, der wie gesagt bei Tabak und Alkohol startet." - Prof. Dr. Derik Hermann
Auch wenn Cannabis also keine Einstiegsdroge ist und außerdem in Bezug auf Suchtfaktor und Schädlichkeit nicht mit Alkohol verglichen werden kann, ist Prof. Dr. Derik Hermann dennoch dafür, die Beschaffung von Cannabis klar zu regeln und zu begrenzen - im Rahmen der Legalisierung. Denn korrekt umgesetzt, bietet eine Legalisierung wesentlich mehr Kontrolle, als aktuell möglich. Und das ist wichtig, denn verharmlosen sollte man Cannabis auch nicht.
Im Mittelpunkt dieser Rahmenbedingungen soll vor allem der Jugendschutz stehen
Die Gehirnentwicklung von Jugendlichen zwischen 12 und 18 Jahren ist besonders empfindlich und kann durch Cannabis geschädigt werden. Durch den Konsum können dauerhafte Fehlverknüpfungen im Hirn entstehen, was unter anderem zu Psychosen führen kann. Allerdings fragen Dealer*innen nicht nach dem Alter und verkaufen auch Jugendlichen ohne weiteres Cannabis. Das soll sich im Rahmen einer Legalisierung ändern: Wenn sich der Schwarzmarkt langsam auflöst und der Verkauf erst ab 18 legal ist, könnte der Konsum bei Jugendlichen reduziert werden. Außerdem soll in diesem Rahmen auch das Image von Cannabis als Jugenddroge verändert werden und es muss klar kommuniziert werden, wie schädlich der Konsum für Jugendliche ist.
Abgesehen vom Jugendschutz ist es dem Suchtmediziner wichtig, dass Cannabis nicht als hippe Freizeitdroge beworben und angeboten wird und die Verfügbarkeit nicht rund um die Uhr gegeben ist.
Cannabis über Zigarettenautomaten anzubieten oder Cannabis-Gummibärchen zu verkaufen lehnt er deswegen auch strikt ab - durch eine Legalisierung soll nicht der Verkauf gefördert, sondern klare Rahmenbedingungen geschaffen werden.
Eine Legalisierung ermöglicht es außerdem, offen mit den Konsument*innen in Kontakt zu treten und gegebenenfalls Hilfe anzubieten oder Fragen zum Konsum zu beantworten. Ein weiterer großer Vorteil ist die Qualitätskontrolle: Wenn Cannabis legal erworben werden kann, kann auch sichergestellt werden, dass gewisse Qualitätsstandards erfüllt werden und keine schädlichen Stoffe enthalten sind. Das kann auch ein ausschlaggebender Grund für die Konsument*innen sein, Cannabis legal und nicht auf dem Schwarzmarkt zu erwerben.
"Man wird jetzt nicht von Null auf Hundert alle Ziele sofort erreichen, sondern es geht da um einen Prozess bei dem we gesagt der Jugendschutz im Vordergrund steht und man wirklich den Schwarzmarkt Stück für Stück reduzieren kann." - Prof. Dr. Derik Hermann
Die Sorge, dass durch eine Legalisierung mehr Menschen Cannabis konsumieren ist unbegründet, das zeigen Zahlen aus den USA und Kanada. Auch das dürfte ein auschlaggebender Grund sein, warum nun auch Parteien in Deutschland ernsthaft über eine Cannabis-Legalisierung diskutieren.
"Ich glaube, dass die meisten Menschen die Cannabis konsumieren wollen in Deutschland das auch schon längst tun und deswegen [nach einer Legalisierung] nicht viele dazu kommen würden." - Prof. Dr. Derik Hermann
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