Triggerwarnung!
Der Beitrag enthält rassistische Äußerungen
Wenn Menschen über Diskriminierung reden, die keine Ahnung von Diskriminierung haben...
Gut gemeint ist nicht gut gemacht - im Fall von Die letzte Instanz ist fraglich, ob ersteres überhaupt angedacht war. Immerhin muss man sich mal überlegen, wie man auf die Idee kommt, in einer Talkrunde über die Verwendung des Z-Wortes und andere Begriffe zu diskutieren und dazu nur Weiße Promis wie Thomas Gottschalk oder Janine Kunze einzuladen. Aufhänger ist unter anderem ein "Witz" von Comedian Barbara Schöneberger, die über Grillsauce von einer "Sauce ohne festen Wohnsitz" sprach.Ausgestrahlt wurde die Sendung zum ersten Mal Ende 2020 - und ging damals einigermaßen unter. Seit der Wiederholung vom Samstag ist der Aufschrei in den sozialen Netzwerken groß.
Aber nochmal kurz erklärt: In Die letzte Instanz diskutieren die eingeladenen Gäst*innen über vier (mehr oder weniger) kontroverse Fragen. In dieser Folge lautet eine der vier Fragen: "Das Ende der Z***-Sauce - ein notwendiger Schritt?"
So kurz nach dem Holocaust-Gedenktag am 27. Januar mehr als daneben, weil das Z-Wort unter der Herrschaft der Nazis im dritten Reich eine Sammelbezeichnung für eine Minderheit war, die wie Juden in Konzentrationslager deportiert wurde. Trotzdem und trotz aller Diskussionen über Diskriminierung durch Sprache hat sich das Wort im Deutschen gehalten.
Die Problematik wird in diesem Instagram-Post sehr gut zusammengefasst:
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Und obwohl Moderator Steffen Hallaschka aus einer Erklärung des Zentralrates Deutscher Sinti*zze und Rom*nja zitiert, der die Verwendung des Begriffes als diskriminierend ablehnt, entwickelt sich die Diskussion in der Sendung in eine grotesk rassistische Richtung.
Zum Beispiel beschreibt Thomas Gottschalk, wie er sich auf einer Party in Amerika als Jimi Hendrix verkleidet habe (inklusive blackfacing) und zum ersten Mal gewusst habe, wie sich Schwarze Menschen fühlten. Janine Kunze vergleicht die Diskriminierung durch das Z-Wort mit ihrer Stigmatisierung als blonde Frau mit großen Brüsten.
Der (vielleicht ungewollte) Tenor der Sendung: Die - ja genau die, die betroffen sind - sollen sich mal nicht so haben. Blöd nur, dass keine einzige Person anwesend ist, die aus erster Hand von derartiger Diskriminierung berichten könnte.
Twitter ist aufgebracht. Und diese Tweets bringen sehr gut auf den Punkt, was in dieser "letzten Instanz" alles schief gelaufen ist.
Twitter Reaktionen auf Die letzte Instanz
Autorin und Stand Up Comedian Jasmina Kuhnke findet klare Worte:Das hier ist das mit Abstand ignoranteste, arroganteste und diskriminierendste was ich seit langem im deutschen TV gesehen habe! Vier weiße Menschen, die erklären wie anstrengend und albern es ist sich mit Rassismus-Kritik auseinanderzusetzen. DANKE @WDR https://t.co/8aGob1kOr7
— ANSCHLAG auf Pressefreiheit Quattromilf (@ebonyplusirony) January 30, 2021
Die Grünen-Politikerin Aminata Touré ist enttäuscht...
Wollts mir nicht angucken, aber hab leider doch einige Sequenzen gesehen.
— Aminata Touré (@aminajxx) January 31, 2021
Muss befreiend sein, wenn man endlich wieder sagen darf, was man denkt.
1,5 Sek nachdem wir in Deutschland so getan haben, als würde uns die Bekämpfung von Rassismus interessieren. #DieletzteInstanz
...und entblößt die Auswahl der Gäst*innen...
Bereite mich immer vor, wenn ich zu einem Gespräch/Interview/Talkrunde eingeladen werde.
— Aminata Touré (@aminajxx) January 31, 2021
Finds nämlich peinlich mit Unwissenheit zu glänzen und nur mit Überlegenheit und Dominanzverhalten aufzutreten.
Aber vllt ist das ja Teil des Problems? Who knows? #DieletzteInstanz
...wie viele andere Tweets auch:
Die unsäglichen Äußerungen in #DieLetzteInstanz zeigen noch einmal, warum es abwegig ist, Rassismus komplett ohne Menschen mit Rassismuserfahrung zu diskutieren. Viele hätten gehofft, nach den Debatten des letzten Jahres weiter zu sein, nicht nur in der Zusammensetzung der Runde.
— Antidiskriminierung (@ADS_Bund) January 31, 2021
Knapp ein Jahr nach dem rassistischen Anschlag in #Hanau müssen sich Schwarze, PoC und Migrant:innen von Weißen anhören, wann sie sich gefälligst als Betroffene zu fühlen haben und wann nicht.#DieletzteInstanz
— Nasir Ahmad (ناصر) (@_nasir_ahmad_) January 31, 2021
#Deutschland am Mittwoch: *** Noch schnell ein Selfie mit einem Stolperstein auf Insta posten mit #HolocaustGedenktag ***
— Mohamed Amjahid (@mamjahid) January 31, 2021
Deutschland am Samstag: "Niemand darf mir meine Z*-Sauce wegnehmen, Minderheiten sind weinerlich und ziehen sich auch wirklich jeden Schuh an 🙄"
Gerade hat die Publizistin Marina Weisband noch zum Holocaust-Gedenktag im Bundestag gesprochen:
Dich nervt, dass du nicht Zigeunersauße sagen sollst.
— Marina Weisband (@Afelia) January 31, 2021
Sie erlebt täglich Ausgrenzung und Gewalt, die sich aus den Stigmata speist, die das Wort 'Zigeuner' in sich trägt.
Euer Leid ist nicht vergleichbar. Und es braucht keinen Kompromiss.#DieletzteInstanz
Journalist Malcolm Ohanwe macht einen Vorschlag, der unabhängig vom Beispiel Die letzte Instanz für jegliche Diskussionen - öffentlich oder privat - gelten sollte:
Lasst uns bitte normalisieren zu sagen:
— Malcolm Ohanwe (@MalcolmOhanwe) January 31, 2021
„Das kann ich nicht beurteilen, weil ich mich mit der Thematik nicht auseinandergesetzt habe. Deswegen würde ich dazu erst mal keine Meinung abgeben und das erstmal aussetzen und mich besser informieren“
Themenwoche "Kritik" bei egoFM
Leider passend sprechen wir diese Woche bei egoFM unter anderem darüber, wieviel und welche Kritik eigentlich erlaubt ist und warum ein Satz wie "Das wird man ja wohl noch sagen dürfen" im Jahr 2021 nicht mehr durchgehen darf. Kulturjournalist Thomas Edlinger bringt es im Interview mit egoFM Max gut auf den Punkt - zur Diskriminierung durch Sprache sagt er:"Da gibt's überhaupt keine Frage, die {Begriffe wie N****kuss) sollten natürlich verschwinden, weil sich dadurch viele Menschen beleidigt fühlen und es überhaupt keinen Grund gibt, einen beleidigenden Umstand in der Sprache aufrecht zu erhalten. Das Gegenargument wäre - wozu es aufrecht erhalten, um mit heroischem Bestemmen eine andere Menschen beleidigende Praxis aufrecht zu erhalten? Das ist dann quasi der Kriegsheroismus der letzten Verteidiger des Vaterlandes. Nicht mit mir." - Thomas Edlinger
Antwort des WDR auf die Kritik an Die letzte Instanz
Der WDR hat sich mittlerweile entschuldigt und die Sendung in seiner Mediathek mit einem Disclaimer versehen: "Die nachfolgende Sendung steht aktuell unter starker Kritik - und das zurecht. In der 'letzten Instanz' sollen kontroverse Themen auf unterhaltsame Weise diskutiert werden, und dabei darf natürlich jeder Gast seine Meinung äußern. Aber rückblickend ist uns klar: Bei so einem sensiblen Thema hätten unbedingt auch Menschen mit diskutieren sollen, die andere Perspektiven mitbringen und / oder direkt davon betroffen sind. Wir lernen daraus und werden das besser machen. Der Kritik an der Sendung müssen und wollen wir uns stellen und haben daher entschieden, diese aus Transparenzgründen in der Mediathek zu belassen."
Naja. So ganz überzeugend ist die Entschuldigung nicht. Das verdeutlich auch das Feedback zu den Entschuldigungen vom WDR, Micky Beisenherz und Janine Kunze:
Das Problem für Tom Buhrow ist, dass er durch sein Verhalten während #Omagate (Löschung des Videos, Anruf in Sendung inkl. Entschuldigung, Video auf Social Media-Plattformen) einen Maßstab gesetzt hat, an dem er nun gemessen wird. #DieletzteInstanz
— Nicole Diekmann (@nicolediekmann) February 1, 2021
Ich nehme es Frau #Kunze nicht ab, dass sie nicht wusste, was sie sagte. Diese Vehemenz, wie sie darauf pochte, bestimme Wörter sagen zu dürfen. Diese Überheblichkeit gegenüber dem Zentralrat der Sinti und Roma. Ich nehme ihr ihre Entschuldigung nicht ab.
— Hatice Akyün (@hatice_akyun) February 1, 2021
Ich hoffe, wir sind nicht so bedürftig, dass wir jetzt ernsthaft den verdünntesten Aufguss einer Entschuldigung von @mickybeisenherz als authentische Allyship würdigen. https://t.co/hJvvXHtvSu
— MALONDA (@fraumalonda) February 1, 2021
Warum diese Z-Frage eigentlich überhaupt und schon lange nicht mehr zur Debatte steht, bringt die Journalistin Anna Dushime mit einem älteren Statement auf den Punkt:
Drukos unter diesem tweet mal wieder Chefs Kiss aber danke an alle anderen die mir Feedback, Kritik und Nachrichten geschickt haben. 🧡 https://t.co/Z9ACdqrpfO
— Anna Dushime (@AnnaDushime) January 31, 2021
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