Warum nicht den eigenen Abgang selbst gestalten, wenn wir noch am Leben sind?
Die eigene Kiste
"Das beste Mittel, eine Party zu sprengen, ist, wenn ich von meinem Tun, dem Sargbau erzähle." - Fred Theiner
Bei Schreinermeister Fred Theiner kannst du deinen Sarg selbst bauen. Im Interview hat er uns erzählt, wie er zu seinem ungewöhnlichen Beruf gekommen ist:
Sargbauer Fred Theiner
Das Interview zum Nachhören
Nachdem Fred Theiner an Magenkrebs erkrankt ist und ihm bei einer OP Speiseröhre, Magen und Milz entfernt wurden, sagt ihm sein Arzt, dass ihm noch drei Monate bleiben. Das ist jetzt mittlerweile 20 Jahre her und Fred Theiner ist wieder gesund.
So eine Erfahrung macht aber natürlich was mit einem. Er war damals junger Vater von vier Kindern und hat sich nach der OP durch ein Jahr Chemotherapie gekämpft. Schreinermeister war Fred schon vor seiner Krankheit - aber die Idee, Särge zu bauen, kam ihm nach dieser Erfahrung. Er bietet regelmäßig Workshops für maximal drei Teilnehmer*innen an, bei denen die Leute unter seiner Anleitung über drei Tage hinweg einen Sarg bauen. Manchmal soll es ihr eigener sein, manchmal bauen sie ihn für andere, zum Beispiel der junge Abiturient für seinen Opa.
Die Zielgruppe für diese Workshops ist dabei total bunt gemischt. Für den Sargbau-Workshop braucht man auch keine Vorkenntnisse mitzubringen. Von Diabetespatient*innen über Professor*innen bis zu Metzgerlehrlingen war schon alles dabei. Meistens rufen die Leute einfach bei Fred an und schon ein paar Wochen später kommt ein Kurs zustande.
Mit Herz und Holz
Das Schöne an seiner Arbeit ist für Fred Theiner einerseits der Austausch mit den verschiedensten Menschen und andererseits die handwerkliche Arbeit mit Holz, die in diesem skurrilen Kontext immer noch im Vordergrund steht. Das Särgebauen macht Fred nicht zum Geldverdienen, da könnte er auch einfach gewöhnliche Einrichtungsmöbel schreinern. Dieses Projekt ist für ihn eine reine Herzensangelegenheit, die in erster Linie auf Dankbarkeit beruht.
Die Workshops sollen zwar um das Arbeiten mit Holz gehen, aber wenn die Telinehmer*innen am Ende des Tages ihr fertiges Produkt sehen und sogar darin probeliegen können, entwickeln sie doch nochmal mehr Respekt vor dem Leben.
Das Gerücht, dass Fred Theiner manchmal in seinen Särgen schlafen soll, stimmt übrigens nicht. Das sei ihm nur einmal passiert, nach zu vielen Käsespätzle (und Bier).
Weniger Geld, mehr Bindung
Die DIY-Särge von Fred Theiner sind eine kostengünstige Alternative zum Fließbandprodukt. Die Kursteilnehmer*innen suchen sich die Holzbretter selbst aus, leimen sie zusammen und statten sie zum Schluss mit Baumwolle, Holzspähnen und Schafwolle aus. Kein Metall, keine Farbe und keine malaysische Kunstseide, wie es bei den industriell gefertigten Särgen der Fall ist (die übrigens alle nur in der Ukraine gefertigt werden). Die können schon mal mehrere tausend Euro kosten können. Es scheint, die Bestattungsindustrie könne Trauernden alles andrehen, so riesig ist das Business. Dagegen bekommt man den selbstgemachten Sarg schon für 900 Euro.
Bei der kreativen Gestaltung sind den Bastlern dabei keine Grenzen gesetzt: bemalen, schnitzen, schleifen - alles ist erlaubt.
Seine Särge nennt Fred Theiner übrigens Kiste. Das ist gar nicht abwertend gemeint, sondern angelehnt an den Namen seines Workshops, "Schwierige Kiste". Und überhaupt sei es doch so, dass wir im Leben von Kiste zu Kiste springen, von Krankenhaus zu Schul- und Ausbildungsgebäuden und wieder zurück - alles eher farblose Kisten.
"Die Tür, die wir aufmachen, machen wir auch wieder zu."
Fred Theiner hat während seiner Reise von grauer Kiste zu grauer Kiste ein bisschen Farbe in seinen Alltag gebracht. Und es freut ihn besonders, wenn er auch andere Menschen dazu inspirieren kann. Nachdem zum Beispiel mal ein IT-Manager mit Burnout seinen Kurs besucht hatte, hat er ein kleines Holzatelier aufgemacht, das er bis heute betreibt.
Für Fred ist es nie zu spät, umzudenken und für sich etwas Neues im Leben zu entdecken. Er hält es mit den Worten von Snoopy und Charlie Brown:
Snoopy: "Es ist gewiss, dass wir eines Tages sterben werden." Charlie Brown: "Ja, aber an allen anderen Tagen nicht."
Der Tod auf Social Media: My Coffin
Auch die Social Media-Kampagne #mypersonalcoffin versucht, das Thema Tod zu enttabuisieren. Für die Initiative des Bundesverbands Deutscher Bestatter e.V. (BDB) und der Handwerkskammer Das Handwerk haben Designer*innen Särge für deutsche Prominente wie Henning Wehland, MC Fitti oder Ronja von Rönne entworfen. Die Särge sehen so funky und instagrammable aus, dass sich die Fotos - so die Hoffnung der Macher - auf Social Media wie von selbst verbreiten und die Diskussion über das Tabuthema Tod vorantreiben. Wir finden: cool!
Die Berliner Künstlerin Ju Schnee hat zum Beispiel einen Sarg für den Tattoo-Artist Philipp Eid designt:
Artikel teilen: