Musikalische Sehnsucht nach dem Fliegen

Musikalische Sehnsucht nach dem Fliegen

Wie Flugträume in der Musik verarbeitet werden

Von  Viktoria Molnar
Spannend, schockierend oder traurig oder alles gleichzeitig - Künstler*innen verarbeiten ihre Sehnsüchte nach dem Fliegen ganz unterschiedlich.


Pink Floyd: Learning to Fly

Der Abschied

Ob dieser Abschied hasserfüllt war oder angstbesetzt, so genau kann man es nicht sagen. Doch sicher ist, dass Pink Floyd damit ein Statement setzten: Eine neue Ära sollte beginnen. Eine, ohne den exzentrischen Roger Waters, den Begründer, den Texter, den vermeintlichen Motor der Band. 1985 hatte sich Waters dazu entschieden Pink Floyd zu verlassen, wegen seiner andauernden Rivalität mit dem Gitarristen David Gilmour, den er gute 20 Jahre zuvor selbst angeworben hatte. Waters dachte, die Band könne ohne ihn nicht weiter existieren.

"So muss es damals gewesen sein, als Stalin starb. Es dauerte eine ganze Weile, sich davon zu erholen. Es war eine drei- oder vierjährige Phase." - Drummer Nick Mason über den Ausstieg Waters

Pink Floyd jedoch machten weiter. Wohl um den Verlust des Masterminds zu verarbeiten schrieb Gilmour, der Hobby-Pilot, einen neuen Song über das Fliegen. "Learning to fly" als Metapher für einen Neuanfang, eine starke Veränderung und eine zerbrochen Freundschaft. Der Song und das Album wurden ein Erfolg und Pink Floyd erholten sich von dem Ausstieg Waters. Und auch dieser schrieb Jahre danach selbst einen Lied über das Fliegen. Bis heute konnten Waters und Gilmour ihren Streit nicht beilegen. Vielleicht wäre ein gemeinsamer Song über das Fliegen eine Idee. So als Neuanfang.
 
 

Reinhard Mey: Über den Wolken

Das Volkslied

Von der B-Seite seiner sechsten Platte zum bekanntesten Volkslied der Nation. Reinhard Mey, der Liedermacher des Volks, hatte nie damit gerechnet, dass "Über den Wolken" so ein Erfolg wird. Der Regisseur Christian Petzold sagte einst, wir Deutschen würden das Lied so lieben, weil wir nur über den Wolken frei atmen können, nicht auf dem "nassen Asphalt". Dabei ist es so eingängig, so greifbar, so üblich für Mey: "Über den Wolken" handelt von der Freiheit und der Luft nach oben.

Mey vereint seine Leidenschaften und erwirbt einen Flugschein. Er lässt sich zum Kunstflieger ausbilden und hat ein Zeit lang sogar sein eigenes Charterflug Unternehmen Rent and Fly. Das Fliegen inspiriert ihn immer wieder: 1975 erscheint sein Album Ikarus und hält sich für 26 Wochen auf Platz 1.

Mey schreibt ein weiteres Lied über seine Leidenschaft. Dieses Mal über seinen ersten Alleinflug. Kaum einer schafft es, das Fliegen so greifbar zu machen wie Mey. Oder wie es Journalist Hilmar Klute einmal sagte: Allein für das Reimpaar Jacke/Luftaufsichtsbaracke müsste man Reinhard Mey den Hölderlin-Preis geben. Dem gibt es aus unserer Sicht nichts hinzuzufügen. Außer vielleicht: "Und dann würde was uns groß und wichtig erscheint plötzlich nichtig und klein."
  • Der Abschied
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  • Das Volkslied
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  • Ins All
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  • Der Traum, der zum Albtraum wird
    Musikalische Sehnsucht nach dem Fliegen
  • Das Jet Age
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David Bowie: Space Oddity

Ins All

Gagarin, Armstrong, Siegmund Jähn: Die 70er sind als das Jahrzehnt des Weltraums, geprägt von den ersten Reisen ins All. Ein Ort der Faszination, der Sehnsucht, der Unendlichkeit. Am 21. Juli 1969 betritt der Astronaut Neil Armstrong als erster Mensch den Mond. Gut eine Woche zuvor stellt David Bowie 1969 mit seinem Song "Space Oddity" die Figur vor, die ihm zum Durchbruch verhelfen wird. Der Sender BBC unterlegt die Mondlandung mit Bowies Lied und ignoriert den Text des Liedes gekonnt. Denn der Astronaut Major Tom schafft es nur mit Ach und Krach in den Weltraum, gerät in Schwierigkeiten und mag nicht so recht zurückfinden zur Mutter Erde. 

Dabei wusste Bowie zum Zeitpunkt seines Musenkusses noch nichts von der bevorstehenden Mondlandung, denn die lag damals noch in der Zukunft. Den Song hatte er bereits Jahre zuvor geschrieben, nachdem er Stanley Kubricks 2001: Odyssee im Weltraum, gesehen hatte. Eine Mission zum Jupiter, die schief geht. Doch das Lied wird zum Hit.

Die Geschichte des verlorenen Astronauten will auch der deutsche Peter Schilling in seiner Version "Major Tom" nicht ändern. Major Tom bleibt also gestrandet im All und wird nie zur Erde zurückkehren. Ähnlich einem David Bowie, der sich stets als Alien gefühlt hat, weit entfernt von seinen Mitmenschen.

 

Buddy Holly

Der Traum, der zum Alptraum wird

Im Februar 1958 touren die aufstrebendsten Musiker des Rock'n'Rolls durch den Mittleren Westen der USA. Zu dieser Zeit war es nicht unüblich, Musiker*innen in maroden Bussen durchs Land zu karren. Doch im tiefsten Winter war die Heizung des Tourbusses ausgefallen. Der 22-jährige Buddy Holly beschließt daraufhin eine kleine Bonanza Maschine mit drei Sitzen zu chartern. Zu wenig Plätze für alle Musiker. Also werfen sie eine Münze. Es fliegen Ritchie Valens, The Big Bopper und Buddy Holly. Einer der Verlierer, Waylon Jennings scherzt noch: "I hope your plane crashes".

Eine Aussage, die ihn noch Jahre später verfolgen sollte, denn die Maschine startet und stürzt keine fünf Minuten später ab. Die drei Musiker und der Pilot sterben. Der 3. Februar 1959, der Tag an dem die Musik starb, wie Don McLean in seinem Lied "American Pie" singt. Das mag pathetisch klingen, doch allein Buddy Holly war trotz seines jungen Alters Inspiration für viele Künstler*innen wie die Beatles, Paul McCartney und auch für die Rolling Stones. Der Absturz brannte sich in das kollektive Gedächtnis ein. So ranken sich auch um den Stones Song "Flight 505" viele Mythen. Die 505 steht vermeintlich für den ersten Flug, den die Stones nach New York genommen haben. Aber vielleicht ist das auch nur ein Mythos.

Frank Sinatra: Come Fly With Me

Das Jet Age

Das Amerika der 50er Jahre ist bodenständig, karriereorientiert und mitten im Baby-Boom. Der American Dream wird gelebt: als Wohlstand in der Vorstadt. Und doch ist da dieser unbewusste Wunsch der Amerikaner*innen, ihrem sicheren, aber doch langweiligen Leben zu entfliehen: Die Menschen sehnen sich nach exotischen Ländern, Reisen und dem Fliegen. Frank Sinatras Album Come Fly With Me, das 1958 veröffentlicht wurde, ist ein ganzes Album nur über das Reisen und lässt die Hörer*innen in einen romantischen, glamourösen Lifestyle entfliehen.

Im selben Jahr wird der erste Transatlantikflug angeboten. Wer sich die Sitze, die meist so teuer wie ein Monatsgehalt sind, leisten kann, der wird die Welt entdecken. Die Otto-Normal-Amerikaner*innen aber müssen vorerst noch zu Hause bleiben und sich mit der Musik begnügen. In zwölf Songs nimmt Sinatra die Amerikaner*innen mit auf einen musikalischen Trip um die Welt. Ob Mondschein in der Themse, Tempelglocken in Rangun oder Kaffee in Rio. So weit weg vom American Dream wie möglich. Wer sich damals also das Flugticket nicht leisten konnte, der kaufte sich einfach eine Sinatra Platte.

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