Über den Tellerrand: Beerdigungsbräuche

Über den Tellerrand: Beerdigungsbräuche

Weißt schon: "Andere Länder, andere Sitten"

Ist ja bekannt, dass wir Westler meist eigentlich so gut wie gar keine Beziehung zum Ableben haben. Trotzdem ist der Tod das, was jeden Menschen der Welt miteinander verbindet und gleich macht...

...egal, ob aus Afrika oder Russland, ob einen dicken Mercedes oder eine Rikscha fahrend oder ob Allah oder Buddha verehrend. Wie Angehörige das Lebensende eines Nahestehenden jedoch praktizieren, unterscheidet sich in bestimmten Kulturen grundlegend.

Wir haben uns das mal genauer angeschaut...


Madagaskar

Was man aus Madagaskar wohl am Ehesten kennt, sind die Vanilleschoten mit denen Magnum immer wirbt - das ist aber natürlich eine sehr oberflächliche Verbindung zur Insel östlich vom afrikanischen Kontinent. Besonders im Hinblick auf die Beerdigung hat das madagassische Volk mehr zu bieten.

Von wegen "Ruhe in Frieden" - traditionell werden die Verstorbenen alle fünf bis sieben Jahre (je nachdem wann sie einem ihrer Angehörigen im Traum erscheinen) aus den Gräbern geholt, um einem ganz besonderen Familientreffen beizuwohnen.

Die "Famadihana" ist ein riesiges Fest: es wird gesungen, gelacht, getanzt und sich ausgetauscht, die Toten sollen alle Neuigkeiten erfahren, die seit ihrem Ableben auf der Welt so vor sich gegangen sind. Darüber hinaus sind sie die einzigen Vermittler zwischen dem Irdischen und Gott – eine gute Beziehung zu den Ahnen ist also wichtig. Nach der Party werden sie in frische Leintücher eingeschlagen, damit sie im darauffolgenden Winter nicht frieren müssen – und nicht gleich wieder zitternd im Traum erscheinen.



New Orleans, Louisana

Freunde des Jazz: Wer selbst nach seinem Ableben musikalisch gefeiert werden will, muss nach New Orleans!

Die Blues Brothers haben uns die Stadt schon in den 90ern im Kino wieder groß gemacht und auch uns die verstaubten Jazz- und Blues-Platten aus dem Keller holen lassen. Die Einwohner der Stadt begleitet der Jazz ihr ganzes Leben – und darüber hinaus: Wenn jemand stirbt begleitet eine Jazz Brass-Band die Trauernden mit trauriger Marschmusik und traditionellen Gospel-Klageliedern von der Kirche zum Grab. Nach der Bestattung und der Prozession spielt die Truppe dann fröhlichere Melodien, um den Leichenschmaus zu begleiten, bei dem das Leben des Verstorbenen noch einmal gefeiert werden soll.

Der am häufigsten gespielte Song kommt übrigens von der Jazz-Legende Louis Armstrong


Die Tradition ist eine Fusion europäischer Bräuche und Cajun-Einflüsse der Sklaven in den Südstaaten und war früher eigentlich nur unter Afro-Amerikanern verbreitet.



Ghana

Hier in Deutschland ist das eigene Auto ja fast heiliger als Jesus selbst und wer seinen BMW so sehr liebt, könnte sich in Ghana sogar in einem begraben lassen – also gut, einem BMW aus Holz natürlich, der Umwelt zu Liebe.
Wer sich eben von seinem Liebsten Ort auch nach seinem Tod nicht trennen will, kann sich seine letzte Ruhestätte selbst gestalten und hat dabei völlig freie Hand.

Meistens haben die verschiedenen Formen aber etwas mit der im weltlichen Leben vollbrachten Arbeit zu tun.

Der Fischer lässt sich in einem Fisch begraben, der Lehrer in einem Kugelschreiber, der Pilot in einem Flugzeug, oder der Sportler im Nike-Schuh. Alles originale Markenteile natürlich.

Man kann seiner Fantasie ganz freien Lauf lassen - die Sargkunst ist eine sehr hoch angesehene Fertigkeit in dem westafrikanischen Staat. 



Philippinen

Im Volk der Sagada auf den Phillipinen beißt man nicht ins Gras, wandert unter die Erde oder schaut die Radieschen von unten an. Sondern gerade im Gegenteil...

Der Sarg wird aufgehängt, um besonders nahe dem Himmel zu sein. Je höher, desto näher auch zum Paradies.

Die Holzsärge werden an einer steilen Felswand befestigt, wo die Angehörigen ihre Ahnen besuchen können. Die Seele soll unter der Erde nicht ersticken, glauben die Ureinwohner. Lieber in luftigen Höhen auf das irdische Treiben runtergucken.
Heutzutage werden jedoch so gut wie alle frisch Verstorbenen christlich bestattet. Kulturimperialismus bis in den Tod…
 


Tibet

Bei einer Himmelbestattung kommen ja eher Assoziationen von etwas Schönem, Ruhevollen und natürlich sehr Feierlichem, der Name täuscht jedoch. Bei der Himmelbestattung werden die Verstorbenen nach einem mehrtägigen Ritual auf einer Ebene in freier Natur mit einer Axt zerteilt und den Geiern ausgeliefert.

Deswegen auch Himmelsbestattung – die Reste der Leiche fliegen in den Bäuchen der Vögel gen Paradies.

Für uns klingt das erstmal wie eine Folge American Horror Story, für die Buddhisten hingegen ist jedoch ein heiliger Zustand zwischen Tod und Wiedergeburt. Und praktisch ist das Ritual sowieso – in den höhen Tibets gibt es kaum Feuerholz und das Vergraben ist durch die kalten Temperaturen so gut wie unmöglich, die Erde ist einfach zu hart.



Falls sich jetzt jemand über die Riten anderer Völker aufregt, der bedenke, dass es natürlich nicht viel zivilisierter ist, in einem Loch in der Erde von Würmern zerfressen zu werden...

Design ❤ Agentur zwetschke