Eins vorweg: Schweden ist und bleibt ein Streber.
Wir haben uns mal in Europa nach Bräuchen, Trends und Gesetzen umgeschaut, von denen wir uns auf jeden Fall etwas abschauen könnten.
Schweden
Rauchfrei bis 2025
Wer sich nach dem Essen eine Zigarette genehmigen möchte, dürfte in Schweden künftig ein Problem bekommen. Am Montag trat hier nämlich ein Gesetz in Kraft, das sich gegen das Rauchen an öffentlichen Plätzen ausspricht. Alle möglichen Orte, wie auch öffentliche Spielplätze, Bushaltestellen und Bahnsteige fallen demnach ebenfalls unter das ausgeweitete Rauchverbot. E-Zigarettenraucher*innen aufgepasst: Auch ihr bleibt von dem Verbot nicht verschont. Die schwedische Gesundheitsbehörde sieht darin einen wichtigen Schritt für die Gesundheit der Bevölkerung, weil so auch das passive Rauchen verhindert wird.Übrigens - während den Rauchern in Schweden buchstäblich die Kippe ausgedrückt wird, durfte man in Österreich bis vor kurzem noch in Restaurants rauchen. Ab November gilt nun ein Rauchverbot für Gaststätten - das hat der Nationalrat am Dienstag in Wien beschlossen.
Joggen und Müll sammeln kombinieren
Wir fangen gleich mal mit einem schwedischen Trend an, den wir selbst schon hier übernommen haben: das Plogging! Das Wort Plogging setzt sich aus dem Wort plocka (Schwedisch für aufheben) und Jogging zusammen und ist auch genau das. Grundsätzlich geht es darum, eine Kombination aus Spaß und Arbeit zu machen. Für viele ist Sport schon die Arbeit, jedoch wäre es doch super, das Ganze auch noch mit etwas zu kombinieren, um uns einen Schritt näher an eine bessere Welt zu bringen.Auf Fliegen verzichten oder schämen
Die Schweden lieben es, gegenwärtige Entwicklungen mit Themen gebenden Wortkombinationen zu benennen. Der Trend Flygskam, der vor ein paar Monaten das erste Mal in den Medien auftauchte, setzt sich aus den schwedischen Wörtern flyg und skam zusammen, übersetzt: Flug und Schande. Ausgelöst hat das Ganze der ehemalige Biathlet und Olympiasieger Björn Ferry, als er vom schwedischen öffentlich-rechtlichen Fernsehen eingeladen wurde die Wintersportsaison zu kommentieren und daraufhin forderte ausschließlich mit dem Zug zu reisen.Der Trend zeigt auch schon erste Effekte: Von Januar bis September verzeichneten die Fluggesellschaften drei Prozent weniger innerschwedische Flugreisen. Bei den Nachtzügen sei es umgekehrt: Die Strecke zwischen Malmö und Stockholm beispielsweise wurde deutlich mehr gebucht. Ab Dezember solle es daher neue Verbindungen geben.
Viele bewerten die Social Media Trends vielleicht als unnötig, weil sie vergleichsweise einfache Aktionen, wie Müll aufsammeln oder eben auf Flugreisen zu verzichten, beschreiben. Trotzdem bewirken sie ein Umdenken in den Köpfen der Menschen und das auch außerhalb von Schweden.
Picknick im Himmel
In Stockholm kann man sein Picknick in mehreren Metern Höhe genießen. Weil das Abbauen der Masten zu teuer gewesen wäre, riefen die Betreiber einen Architektur-Wettbewerb aus. So kam es zur Picknick-Idee, die aus den alten Strommasten ein Wendeltreppenwerk mit Aussichtspunkten macht. Am Eingang befinden sich zusätzlich Kioske, die die Spontan-Picknicker*innen mit den passenden Snacks versorgen. Ein tolles Konzept, das sicher auch hierzulande umsetzbar wäre.Niederlande
"Carnivore? Let us know"
In Amsterdam beschloss der Gemeinderat standardmäßig in der hauseigenen Kantine vegetarische Mahlzeiten anzubieten. Die Idee zur Initiative "Carnivore? Let us know" wurde von Johnas van Lammeren einem Mitglied der Partij voor de Dieren (deutsch Partei für die Tiere) vorgestellt. Die Partei setzt sich vorrangig dafür ein, im niederländischen Grundgesetz Tierrechte zu verankern. Lammerens sah anfangs noch vor, grundsätzlich Veganes in der Kantine anzubieten - jedoch nahmen die Milch, beziehungsweise Käse liebenden Holländer die Empfehlung eher schlecht an.Die vier Koalitionsparteien der Stadt, die die meisten Sitze belegen, nahmen den Vorschlag an und werden im Juni in einer offenen Ratswahl darüber abstimmen. Wenn die neue Küche ausgewählt ist, werden die Gemeinderäte ab nächstem Jahr dann Tofu, Käsebällchen und vegetarische Snacks zu essen bekommen.
Amsterdam: Luftballon-Verbot im Freien
Ein Luftballon ist ein elastischer Hohlkörper, quietschbunt und immer nervig, wenn es um das Aufblasen geht. Und noch was: Es ist nicht besonders toll für die Umwelt. Weil Tiere die Plastikreste fressen oder sich in ihren Schnüren verheddern, verbieten immer mehr niederländische Gemeinden das Steigenlassen von Luftballons. Amsterdam war 2015 Vorreiter, um so ein Verbot auszusprechen. Seitdem haben sich mittlerweile rund 60 niederländische Kommunen dem Vorbild nach angeschlossen. Feste funktionieren auch ohne Luftballons und wenn ein Verbot bedeutet, dass dadurch weniger Tiere an den Plastikresten verenden, erst recht!Österreich: Totalverbot von Glyphosat
Die FPÖ hat die Unterstützung des SPÖ-Antrags zum Verbot des umstrittenen Pflanzenschutzmittels Glyphosat im Nationalrat angekündigt. Das generelle Verbot von Glyphosat könnte dem EU-Recht widersprechen. Denn in der EU-Pflanzenschutzverordnung, die auch für Österreich gilt, ist der Einsatz von Glyphosat nämlich noch bis Ende 2022 erlaubt. Trotzdem ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung!Norwegen: Ab 2025 keine Neuzulassung von Benzin- und Dieselfahrzeugen
Weil das Rumdüsen mit Elektromotoren in Skandinavien mit Steuererleichterungen belohnt wird und man damit auch Busspuren befahren darf, ist heute schon jeder vierte Norweger mit einem Elektroauto unterwegs - was dem Land allerdings noch nicht genug ist. Norwegen hat es sich nämlich zum Ziel gesetzt, ab 2025 keine Autos mit Benzin- und Dieselfahrzeugen mehr neu zuzulassen. Die Umweltbelastung durch den Verkehr soll damit bis 2030 halbiert werden! Hierzulande ist man noch etwas zögerlich, was die neue Autotechnik angeht, die Grünen haben lediglich vorgeschlagen, ab 2036 keine Diesel- und Benzinschlucker mehr zuzulassen.Frankreich & Italien: Lebensmittelverschwendung, arrivederci und adieu!
Italien wurde vom Vorbild Frankreich dazu ermutigt, Supermärkten gesetzlich zu verbieten Lebensmittel wegzuwerfen. Einem entsprechenden Gesetzentwurf hat das italienische Abgeordnetenhaus im März 2016 zugestimmt. Jährlich werden nämlich rund fünf Millionen Tonnen Lebensmittel verschwendet. Seither wurde diese Zahl auf eine Million Tonnen reduziert. Italien will - anders als Frankreich mit Sanktionen - durch Anreize wie Steuererleichterungen Unternehmen dazu zu bewegen, Lebensmittel nichts zu verschwenden.Wir finden: Frankreich und Italien verdienen noch mehr Nachahmer. Besonders Deutschland kann sich da an der eigenen Nase packen. Dass das Thema immer mehr Menschen beschäftigt, zeigt die Diskussion um Caro und Franzi, die wegen Containern auf Grund von "besonders schweren Diebstahls" vor Gericht verantwortlich gemacht wurden. In Deutschland können Händler die Ware, die sie nicht verkaufen, sogar steuerlich absetzten. Dadurch fällt der Verlust, wenn sie etwas wegwerfen, nicht so stark ins Gewicht. Nur ein Gesetzt könnte etwas an dieser Misere verändern.
Großbritannien
Das erste Zero Waste-Restaurant
In Brighton eröffnete das erste Restaurant, das gar keinen Müll produziert. Wie das funktioniert? Mit selbst angebauten Lebensmitteln, recycelten Möbeln und Respekt vor der Natur. Eine Stunde von London entfernt kocht der Sternekoch Douglas McMaster im "Silo" ausschließlich mit Lebensmittel, die entweder selbst angebaut wurden oder von vertrauensvollen Händlern stammen. Das Restaurant setzt zu 100 Produzent auf Nachhaltigkeit. Weil jeden Tag viele Lebensmittelreste von den Tellern der Gäste in die Tonne wandern, hat sich die Küche auch hier etwas einfallen lassen. Im "Silo" handelt es sich dabei nämlich um eine ganz besondere Tonne, die sogar einen eigenen Namen hat. "Bertha" ist eine Kompostiermaschine, die aus Essensresten eine lockere Paste macht, die im "Silo" zum Würzen und Räuchern verwendet wird.Das Berliner Restaurant "Good Bank" konzentriert sich ebenfalls auf nachhaltige Gastronomie. Hier wächst der Salat direkt am Tisch oder in Glaskästen an den Wänden des Restaurants. Das ist mehr als gute Deko. Damit sollen Fahrtwege gespart und der Verzehr von regionalen Lebensmitteln revolutioniert werden.
Die Plastiksteuer
Plastik braucht etwa 450 Jahre, bis es zersetzt ist. Trotzdem landen jedes Jahr Millionen Tonnen an Verpackungen, Folien und Kleinstteilchen im Müll – und schaden der Umwelt.2015 führte die britische Regierung eine Plastiktütensteuer ein. Seither ging der Verkauf der Tüten um 86 Prozent zurück. Bis 2042 soll Plastik komplett verboten werden, derzeit werden einzelne Produkte verboten oder besteuert. Außerdem will Großbritannien umgerechnet 70 Millionen Euro in die Hand nehmen, um nach Ideen zu forschen, mit denen sich Plastikmüll vermeiden lässt.
Portugal
Von Platz 27 auf Platz 1
Im Spartacus Gay Travel Index werden mehr als 190 Länder in puncto Toleranz gegenüber Homosexuellen unter die Lupe genommen. Erstmals schafft es Portugal von Platz 27 auf Platz 1 und wird zum schwulenfreundlichsten Reiseland mit Schweden und Kanada zusammen. Wie es zu so einem großen Sprung kommt? Der Westen der Iberischen Halbinsel hat es sich zum Ziel gemacht, durch gesetzliche Verbesserungen sowie Initiativen gegen Hasskriminalität für ein besseres Klima für Menschen der LGBTQ-Gruppe zu sorgen.Deutschland hingegen rutsch von Platz 3 auf Platz 23. In Deutschland ist eine Gewaltzunahme gegen LGBT zu verzeichnen. Außerdem beeinflussen das Fehlen einer modernen Gesetzgebung gegenüber Trans- und Intersexuellen sowie ein mangelnder Aktionsplan bei Gewalt gegenüber Homosexuellen die Studie. Nehmen wir uns da besser mal ein Vorbild an Portugal: aus Fehlern lernt man.
Der alternative "Krieg gegen die Drogen"
Am 1. Juli wird Portugal den 18. Jahrestag begehen, an dem das Gesetz 30/2000 in Kraft getreten ist. Zu dieser Zeit kämpfte das Land mit gravierendes Heroinproblem in der Bevölkerung - beinahe 1 Prozent der Allgemeinheit war abhängig. Seit der Entkriminalisierung sowohl von "harten Drogen" wie Heroin als auch "weichen" Drogen wie Cannabis ist der Drogenkonsum generell und besonders bei jungen Menschen stark gesunken. Es wurden Horrorszenarien ausgemalt, dass sich Portugal zu einem „Drogenparadies“ entwickeln würde. Doch genau das Gegenteil trat ein. Die Zahl der Drogentote sank und ein Bewusstsein im Umgang mit Drogen stellte sich sein.Es bleibt wohl abzuwarten, wie lange sich unsere Drogenbeauftragte Marlene Mortler vor diesen Tatsachen noch verstecken will, wenn man auf die Erfolge der neuen Drogenpolitik in Portugal, bei der auf Prävention und Aufklärung anstatt auf Verschärfung und Verfolgung gesetzt wird, schaut.
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