Warum können wir nichts richtig machen?

Warum können wir nichts richtig machen?

Meinung: Über die inflationäre Nutzung von Kritik

Von  Anna Taylor
Egal, was man macht, man macht es falsch. Alles wird kritisiert, meistens auch noch von Menschen, die's eigentlich nichts angeht. Die Lösung: Einfach mal den Mund halten.

Es fängt schon mit der Geburt an

Da kommst du gerade frisch auf die Welt und weil man das wohl irgendwie schon immer so gemacht hat, werden direkt Daten an die Bekanntschaft weitergegeben. Gewicht: 3.000 Kilo. Größe: 58 Zentimeter. Dauer der Geburt: sechs Stunden. Prompt folgt dann auch schon die erste Kritik: "So leicht?", "So schwer?", "So klein?", "So groß?", "So lang?", "So kurz?" und so weiter und so fort und besser wird es eigentlich nie, auch nicht wenn du älter wirst. Denn egal, was du machst, scheint es nie so wirklich richtig zu sein, vor allem fällt Kritik der anderen immer so kontrovers aus, dass man nicht wirklich was daraus lernen kann. "Hör auf, wie ein Wasserfall zu reden" steht "Nun sei nicht so schüchtern und erzähl mal!" gegenüber. Entweder du wäschst dich zu selten oder badest zu oft. Einerseits sollst du alles aufessen, aber wenn du dir ein paar Mal nachschlägst (weil's so lecker ist), ist es auch schon wieder nicht toll. Mimimi, blablabla.

Aber die Eltern haben's auch nicht leicht

Entweder sie erziehen ihre Kinder zu streng, zu lieb, zu viel oder halt gar nicht. Und wehe man will mal ein paar Minuten Ruhe genießen von diesem unglaublich anstrengenden Job oder ansatzweise entspannt im Restaurant was essen und drückt dem Kind sowas wie ein Tablet in die Hand - Hände hoch, wer in der Situation schon mal Augen verdrehende oder empört tuschelnde Fremde erblickt hat! Doch wenn man das wiederum nicht macht und das Kind im Restaurant, Café oder in der Bahn aus Unmut, in einer kinderfeindlichen Erwachsenenwelt gefälligst ruhig auf den vier Buchstaben hocken zu müssen, etwas völlig Normales tut - sich (lauthals) zu beschweren - dann ist die Entrüstung der anderen eigentlich noch größer. "Boah! Die Eltern haben ihr Kind ja gar nicht unter Kontrolle!!!!"
Aber achso, pardon, ansprechen darf man das eigentlich nicht. Also dass der Elternjob ein ziemlich harter ist. Denn wer das macht, der "sollte doch am besten gar keine Kinder kriegen!!!!", denn: "Immerhin hat man sich ja dafür entschieden, Knecht eines launischen, unberechenbaren Wesens zu werden!!!!" Und sowieso sind sich ganz viele Menschen, die sich ein Bild über fremde (!) Eltern machen, sicher: "Manche Menschen sollten einfach keine Kinder kriegen".

Apropos Job

Nicht nur in der Care-Arbeit, auch in der Lohnarbeit kann man eigentlich nur alles falsch machen. Also entweder arbeitest du zu stur auf eine Karriere hin oder eben bist zu unambitioniert und arbeitest nur so viel, wie du es für deinen Lebensstil benötigst, weil du mehr Wert auf Zeit als Geld legst. Oder du erledigst Aufgaben viel zu schnell ("Nimmst die Arbeit wohl nicht ernst") oder lässt dir ausgiebig Zeit ("Hast wohl geträumt währenddessen?!"). Und was ist, wenn du Kopfschmerzen hast? Na, dann hast du eine 50 / 50 Chance, 100 Prozent falsch zu machen: Entweder du meldest dich krank und bist rücksichtslos, weil deine Kolleg*innen dann mehr arbeiten müssen oder du bist verantwortungslos, weil man krank nunmal nicht arbeiten sollte. Tja.

Hurt people hurt people

Ach, aber wir wollen mal nicht so sein, denn dieser Kalenderspruch, dass gerade Menschen, die verletzt wurden, auch andere Menschen verletzen, stimmt nur allzu sehr. Und bestimmt wurden die Menschen, die meinen, zu jeder minimalen Gelegenheit ihren Senf auf andere zu spucken, selbst schon von klein auf wegen den unmöglichsten Dingen kritisiert. Immerhin können wir - scheinbar - einfach nichts richtig machen. Egal, wie wir es oder was wir machen. Ein paar Beispiele:

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Ein Drang stärker als der Tod

Diese elendige Kritik an allem zieht sich durchs Leben und all unsere Tätigkeiten, bis wir irgendwann sterben. Wer aber denkt, dass dann wenigstens Ruhe ist - ne ne. Dann heißt es: "Sie hätte nicht so viel rauchen sollen", "Er hätte sich einfach mehr bewegen müssen", oder: "Tja, ich hab ja gesagt, dass das Eier-Sandwich bestimmt nicht mehr gut ist".

Was ist nun die Lösung?

Also ich bin bei weitem keine Expertin, aber weil es dadurch so schön zum Thema passt, haue ich jetzt auch einfach mal mein Feedback raus: einfach mal den Mund halten! So oft es geht. Außer man wird eben explizit nach Kritik gefragt oder es handelt sich um Feedback, dem man easy peasy innerhalb von fünf Minuten nachgehen kann oder man hat wirklich konstruktive Kritik an eine Person, die einem selbst oder der Allgemeinheit wirklich Schaden zufügt.

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Die Dos and Don'ts zum Kritisieren

Spaß beiseite. Dafür, was man überhaupt kritisieren darf, gibt es natürlich keine universelle Anleitung, dazu zählen viel zu viele individuelle Elemente. Um aber zumindest ein bisschen Klarheit darüber zu bekommen, haben wir mit einer Expertin gesprochen. Das Interview mit der Diplompsychologin Laura Ritthaler kannst du hier nachlesen und -hören.



Welchen Stuss haben andere Leute an dir schon so kritisiert?

 Diese Frage haben wir auch unseren Facebook-Follower*innen gestellt. Die verstörenden Antworten kannst du dir hier durchlesen.

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