Warum spielen wir eigentlich?

Warum spielen wir eigentlich?

Spielforscher Prof. Dr. Jens Junge im Interview mit egoFM Max

Wie hilft uns Spielen im realen Leben weiter und was passiert im Gehirn, wenn wir spielen? Diese und viele weitere Fragen klärt Spielforscher Professor Jens Junge.


Ludologie: Die Spielforschung

42.000 Brettspiele – eine stolze Sammlung, die das Institut für Ludologie in Berlin hat. Gegründet hat es Prof. Dr. Jens Junge im Jahr 2014. Ludologie, das ist die Spielwissenschaft beziehungsweise -forschung. Die Spielforscher*innen dokumentieren aber nicht nur sämtliche Spiele, ob analog oder digital. Sie schauen sich auch an, welche Spiele welche Spielmechaniken und Themen bespielen und in welche anderen Bereiche sich spielerische Elemente einbauen lassen - Stichwort Gamification.
  • Spielforscher Prof. Dr. Jens Junge bei egoFM
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Warum haben wir überhaupt angefangen zu spielen?

Als die Menschheit sesshaft wurde und es darum ging, sich mit Fremden zu sozialisieren, anstatt sich die Köpfe einzuschlagen, begannen wir zu spielen. Viele Spiele sind laut Prof. Dr. Jens Junge parallel mit den Religionen entstanden, deshalb geht es in den ersten Brettspielen auch um spirituelle Themen. Auch bei Mensch ärgere Dich nicht, das an ein altes indisches Spiel angelehnt ist: Das Spielziel ist es, alle vier Figuren ins Haus zu bringen – oder eben auch raus aus dem schrecklichen Leben, hinein ins Paradies, in das schmerzfreie Nirvana.

Ist das ganze Leben nur ein Spiel?

Spiele sind immer ein Dialog mit der Welt, erzählt der Spielforscher - und die Welt begreifen wir am besten spielerisch. Und wir spielen oft: ob mit Gedanken, unserem Körper oder ein Instrument. Sich das Leben als Spiel vorzustellen, sei manchmal auch ein bisschen eine Erleichterung:
"Es entspannt total, wenn man dann auch merkt, dass unsere ganze Kultur auf Spielen basiert. Dass das alles erfundene Ordnungen sind mit regulativen Ideen. […] Also Spiel ist eben da zum einen eben Adaption, ich kann mich anpassen an etwas, aber genauso ist das Spannende halt und das Innovative, Kreative, etwas zu variieren. Und das kann Spiel alles. Von daher: Ja, für mich ist also das Leben auch als Spiel zu betrachten." – Prof. Dr. Jens Junge

Spielen ist auch Ausgleich oder Entspannung. Aber eben nicht nur – Mensch ärgere Dich nicht heißt ja nicht ohne Grund so. Man könne auch angestrengt spielen, nicht selten wird auch mal geflucht -das alles hilft uns aber für unser reales Leben, erzählt der Ludologe.
"Wir brauchen alle Spielkompetenzen, um mit diesem Leben klarzukommen." – Prof. Dr. Jens Junge



Kinder sind besser im Memory

Ob jung oder alt – immerhin sind viele Spiele von Null bis 99 deklariert (übrigens nicht, um die 100-Jährigen Uromas und Uropas auszugrenzen, sondern um zu zeigen, dass das Spiel für alle Altersklassen geeignet ist) – wir spielen alle. Im Kopf von Kindern passiert dabei allerdings etwas anderes, als bei Erwachsenen.
"Bei Kindern ist es halt so – das merken viele Erwachsene, wenn sie versuchen, gegen Kinder im Memory zu gewinnen - dass Kinder halt schon ein ganz anderes Gehirn eben haben, wenn sie visuell sich viel besser erinnern können. Wo wir schon an 25.000 Probleme unseres Alltags weiterhin denken und unsere Synapsen fest verdrahtet sind, schaffen es Kinder viel viel leichter, mit Memory uns zu schlagen, auch wenn wir uns noch so anstrengen." – Prof. Dr. Jens Junge


Die Zukunft der Brettspiele

Klar gibt es mittlerweile auch eine riesige digitale Spielwelt. Dass deshalb Brettspiele irgendwann in unseren Schränken verrotten, glaubt der Spielforscher aber nicht.  
"Die wird es auf jeden Fall immer weitergeben, weil nämlich genau Menschen halt diese Vorteile von Brettspielen schätzen und lieben. […] Tatsächlich einfach mal den Angstschweiß des Mitspielers gegenüber auch auf der Stirn entdecken kann, Gestik und Mimik spürt und Menschen in ihrer vollen Fülle eben erlebt und nicht nur eben so am Bildschirm." – Prof. Dr. Jens Junge

Und so wird wohl auch die Brettspielsammlung des Instituts für Ludologie immer weiter wachsen.

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