Zu unserem Wochenthema Freiheit hat Moderatorin Elise mit dem Ex-Häftling Volkert Ruhe gesprochen.
Wenn Jugendliche straffällig werden und sich die Delikte häufen, ist der einzige Weg meistens nur das Gefängnis. Dass es dazu kommt, geht oft schneller als man zunächst vermuten würde. Danach stellt der Weg aus der Kriminalität heraus eine große Herausforderung dar. Jeder zweite jugendliche Häftling wird rückfällig. Die Gründe dafür sind vielfältig - problematische soziale Strukturen, Misstrauen gegenüber Ex-Straftätern*innen und fehlende Perspektiven. 1996 hatten drei Insassen der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel in Hamburg schließlich eine Idee. Das Ziel: jugendliche Kriminelle von Gewalt und Verbrechen nachhaltig abzubringen.
Gefangene helfen Jugendlichen: Ein Projekt mit Tiefgang
Volkert Ruhe ist einer der drei Ex-Häftlinge und der Geschäftsführer von Gefangene helfen Jugendlichen. Im Mittelpunkt des Projekts steht der Wille, den jungen Erwachsenen die Konsequenzen ihrer Kriminalität bewusst zu machen. Neben der präventiven Arbeit mit auffällig gewordenen Jugendlichen, hilft der Verein auch ehemaligen Inhaftierten bei der Resozialisierung."Wir machen keinen Schultourismus." - Volkert Ruhe von Gefangene helfen Jugendlichen
Volkert Ruhe besucht mit ausgewählten Gruppen - beispielsweise Jungen und Mädchen, die in der Schule regelmäßig negativ auffallen - Gefängnisse und gibt ihnen so die Möglichkeit, einen Einblick in das Leben der Inhaftierten zu bekommen. Man müsse den Jugendlichen einfach mal die Realität vor Augen führen.
In Medien und Filmen werde oft ein ganz falsches Bild des Gefängnisalltags vermittelt, das Jugendliche eher zur Verherrlichung von Kriminalität verleitet.
Bei dem Besuch stehen vorab geschulte Gefängnisinsassen den Jugendlichen für ein Gespräch zur Verfügung. Mit ihnen verbringen die Besucher dann einen halben Tag. Der Selbstversuch, für 15 Minuten hinter Gitter eingeschlossen zu sein und sich vorzustellen, wie sich 15 Monate oder 15 Jahre Inhaftierung anfühlen müssen, steht jeder oder jedem der Besucher*innen frei - die meisten machen es aber dann doch, meint Volkert Ruhe.
So läuft der Besuch im Gefängnis ab
Eine Woche vor dem Gefängnisbesuch tritt der Verein mit den Jugendlichen in Kontakt, um ihr Erlebnis gemeinsam zu besprechen. Nach der Durchsuchung und Abgabe der privaten Dokumente sowie der Mobiltelefone folgt der Gang durch die Zellenräume, die für Filmaufnahmen und das Projekt selbst frei sind. Ein Mittagessen hinter Gittern darf auch nicht fehlen und eine ausführliche Besprechung mit den Insassen als auch mit den Ex-Häftlingen selbst, sollen die meist bereits vorbestraften Jugendlichen zum Nachdenken anregen. Volkert Ruhe weiß, dass sie damit nicht jede*n, der oder die zu kriminellen Handlungen neigt, erreichen können:"Wenn wir drei von zehn Jugendlichen davon abhalten können, zukünftige Inhaftierte zu werden, ist damit schon viel gewonnen." - Volkert Ruhe von Gefangene helfen Jugendlichen
Wie fühlt sich Freiheit für dich an?
Klar, dass ein Ex-Häftling vielleicht eine andere Vorstellung von Freiheit hat als so manch andere*r - oder? Für Volkert Ruhe hat Freiheit heute eine sehr tiefe Bedeutung. Das völlige Fehlen sozialer Kontakte war für ihn eines der härtesten Dinge während seiner Inhaftierung. Damit gefährdete Jugendliche nicht dasselbe erleben müssen, spricht er im Rahmen des Projekts mit ihnen darüber, wie es sich anfühlt, unter Freiheitsentzug zu leben."Freiheit ist für mich das höchste Gut. Sie bedeutet Selbstvertrauen und am Leben teilnehmen zu können. Gefängnis hingegen bedeutet täglicher Frust, Abstumpfung und psychische Probleme. All das müssen sich Jugendliche nicht antun." - Volkert Ruhe
Gefangene helfen Jugendlichen ist ein Projekt, das über herkömmliche pädagogische Ansätze weit hinausgeht. Bisher konnte die Initiative über 5.000 Jugendliche durch den Besuch in den Justizvollzugsanstalten und über 11.500 Schüler durch den Präventionsunterricht erreichen.
Volkert Ruhe hat mit Elise über das Thema Freiheit gesprochen. Hier kannst du das ganze Interview mit ihm nachhören:
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