Der Skandal um eine feiernde Politikerin zeigt gerade mal wieder besonders gut, dass für Frauen strengere Regeln gelten als für Männer.
Der Skandal um Sanna Marin: Was ist passiert?
Sanna Marin ist Finnlands Premierministerin und mit 34 Jahren bei Amtseintritt war sie auch noch die jüngste der Welt. Aktuell ist Sanna Marin mal wieder in aller Munde, aber nicht wegen ihrer Politik, sondern wegen ihres Privatlebens. "Mal wieder", weil es tatsächlich nicht das erste Mal ist, dass sich Menschen darüber echauffieren, dass eine Politikerin auch ein Mensch ist. So kursierten schon diverse Bilder von ihr in der Klatschpresse, in der Sanna Marin Konzerte besucht, mit Freund*innen zu Hause feiert oder sich doch tatsächlich herausnimmt, in ihrem Amtssitz selbst zu putzen. Gerade ist es ein privates Partyvideo das durch die Medien geht, man sieht Sanna Marin darin mit Freundinnen tanzen. Vielleicht wäre es sogar noch verständlicher, wenn Sanna Marin eine absolute Katastrophe als Premierministerin und deutlich wäre, dass ihr Privatleben negative Auswirkungen auf ihre Arbeit hätte - so ist das aber nicht. Sie konnte ihr Land schon durch einige Krisen führen, zum Beispiel die Corona-Pandemie und den aktuellen NATO-Beitrittsprozess.Es scheint also fast so, als ob die Leute und die Medien nur darauf warten, dass Sanna Marin abseits ihrer politischen Arbeit die kleinste Kleinigkeit macht, um dies gleich als Fehler zu bezeichnen. Dabei regnet es dann nicht nur Schlagzeilen, sondern auch massenhaft Beleidigungen, was auch eine Studie des NATO Strategic Communications Centre of Excellence im Jahr 2021 zeigt: Sanna Marin und ihre weiblichen Kolleginnen erhalten eine unglaubliche Anzahl beleidigender Nachrichten.
Die Intensivität des Skandals zeigt zwei Dinge, die besonders schief laufen.
- Politiker*innen – also ganz egal welchen Geschlechts – sind und sollten vor allem auch ganz normale Menschen sein. Menschen, die auch mal gerne feiern, die nicht jede Sekunde ihres Lebens einen Stock im Hintern haben und völlig entfernt von der Realität des normalen Bürger*innentums wandeln. Wir wollen immerhin lebendige Menschen die uns leiten, keine emotionslosen Puppen.
- Für Frauen gelten einfach andere Maßstäbe als für Männer.
Ich glaube, bei alten weißen Männern in entsprechender Position wird über soviel hinweggesehen, weil sie Männer sind.
— Birka Obi (@BirkaObi) August 19, 2022
Aber bei einer jungen, attraktiven Frau wird aus allem ein Skandal gezimmert, weil es vielen nicht ins Weltbild passt, dass sie dieses Amt inne hat. #SannaMarin
Wäre das auch ein Skandal, wenn sie ein Mann wäre?
Wenn es nicht gerade um illegale Feiereien in 10 Downing Street geht: nein. Immerhin blicken wir (fast) jährlich auf allerlei Politiker, wie sie sich beispielsweise beim Münchner Oktoberfest das Bäuchlein mit Bier vollpumpen und danach munter auf den Bänken rumpoltern. "Männer fürs Volk" sind das dann. Auf Augenhöhe mit dem Pöbel. Nahbar, ehrlich, echt.Wie schön wäre es allein schon, wenn männliche Politiker wenigstens für richtige Scheiße auch richtige Konsequenzen erleben würden?
Wenn Politiker von Unternehmen bezahlt werden, zu deren Gunsten sie im Anschluss politische Entscheidungen treffen? Wenn Politiker mehrere Hundert Millionen Euro der Steuerzahler*innen einfach so aus dem (Auto-)Fenster werfen? Oder Politiker, die andere Menschen sexuell missbraucht haben?Aber nein, oder? Lasst uns lieber weiterhin Frauen dafür kritisieren, wenn sie nur mal in die falsche Windrichtung pupsen...
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