Wenn man seine Sexualität nicht ausleben darf

Wenn man seine Sexualität nicht ausleben darf

Im Gespräch mit egoHörer Sven

egoHörer Sven konnte seine Sexualität lange nicht offen ausleben. Er hat uns von seinem Leidensweg erzählt und davon, wie er jetzt anderen hilft.

Svens Leidensweg

Sven wurde im Alter zwischen sechs und vierzehn Jahren von seinem Stiefvater missbraucht, überlebte einen Suizidversuch, sollte beim Psychiater von seiner Homosexualität geheilt werden und überlebte einen zweiten Suizidversuch. Nach 30 Jahren konnte er sich akzeptieren, wie er ist, und offen dazu stehen.
  • egoHörer Sven teilt seine Geschichte
    Das komplette Interview zum Nachhören

In Therapie

Svens Mutter schickte ihn mit 20 zu einem Psychiater, der gleichzeitig ein katholischer Priester war. Für den Priester war die Homosexualität eine schlimme Sünde. Die Vergewaltigung wollte Sven damals gar nicht ansprechen.
"Der [Psychiater] hat dann nur gesagt, das sucht man sich selber aus [...]. Das waren ganz schwierige Sitzungen, ich bin immer schweißgebadet nach einer Stunde da raus gekommen."
Um damit klar zu kommen, fing Sven in dieser Zeit an zu trinken. Und er orientierte sich an Männlichkeitsidealen.
"Ich habe dann versucht, in Kinofilme zu gehen, wo man meint, man ist ein richtiger Mann."

Gefälschte Freundin

Um Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen, täuschte Sven zeitweise vor, eine Freundin zu haben. Der Priester gab ihm neben dem Rosenkranzgebet folgenden schrecklichen "Tipp" in der Therapie:
"Einfach hergehen und Frauen benutzen, so hat er das auch gesagt, um mit denen Sex zu haben, um zu lernen, dass ich nicht schwul bin."
Schwul hat der Priester nie so gesagt, er nannte es immer die "widerwärtige Sünde Homosexualität". Sven bemühte sich sogar Frauen kennenzulernen.
"[Eine Frau] hat dann auch etwas Gefühle entwickelt, aber ich konnte dann nicht."

All Out

Diese schlimme Zeit hat Sven zum Glück hinter sich gelassen, jetzt will er anderen Menschen in ähnlichen Situationen Kraft geben. Er ist Botschafter der "All Out"-Bewegung.
Die weltweite Gruppierung setzt sich dafür ein, dass Personen aus der LGBTQI+-Community ihr Coming-out haben können und Hilfe bekommen.
"Die Hilfe geht überall da hin, wo es eben sehr vonnöten ist." 
- zum Beispiel nach Tschetschenien, wo viele Schwule auf Anweisung der Regierung ermordet wurden, oder nach Polen, wo sich manche Regionen als LGBTQ-frei erklären.
"Wir haben zum Beispiel 40 bis 50 Tschetschenen eine Aufnahme in europäischen Ländern gegeben. Die heimlich aus Tschetschenien heraus transportiert, die eben vom Tode bedroht waren."



Heute ist Sven glücklich mit einem Mann verheiratet. Wir danken ihm dafür, dass er seine Geschichte geteilt hat und anderen damit Mut gibt.

Design ❤ Agentur zwetschke