Anna ist der Meinung, dass man unbedingt ehrlich mit Kindern über Themen wie Fleischverzehr, Zoos und Zirkusse reden sollte. Denn Speziesismus ist antrainiert, wie eine Studie zeigt.
Wie kann man Kindern erklären, dass man kein Fleisch isst?
Ich liebe diese Frage. Weil mir dazu gleich ein Monolog von einem sehr schlauen Autor einfällt - von Jonathan Safran Foer. Neben Romanen wie Everything Is Illuminated und Extremely Loud & Incredibly Close veröffentlicht Foer hier und da auch Sachbücher, wie zum Beispiel Eating Animals, in dem er sich unter anderem mit den Problemen der Massentierhaltung auseinandersetzt. Er selbst ist Vegetarier und bekommt oft die Frage gestellt, wie er dies denn seinen Kindern erkläre. Seine Antwort darauf:"Wie erklärst du deinen Kindern, dass du Tiere isst?"
Das ist so schon so simpel, so schlau. Doch Foer führt es noch näher aus: Dadurch, dass fast alle Held*innen in Kinderbüchern Tiere sind, sei es unglaublich unkompliziert Kindern weis zu machen, dass man sie nicht isst. Tiere zu essen stünde seiner Meinung nach im völligen Gegensatz dazu, wie man die Kleinen eigentlich erziehen will - empathisch und freundlich - und er für seinen Teil würde sich recht beschissen fühlen, solche gegensätzlichen Werte zu vermitteln, wenn er Fleisch essen würde:"It's interesting, people saying to me: 'How do you explain to your kids that you don't eat meat?' To me it's: 'How do you explain to your kid that you do?' [...] And this has nothing to do with whether it's right or wrong by the way. This only has to do the way that meat fits into all the other lessons that we teach kids. Nine out of ten of the books that I read to [my son] at night have animals for heroes, he's got stuffed animals, we have a family dog - he kicks it, he gets in trouble. But we do dismember these things when we're hungry and also keep them in these little cages and we cut off their appendages without anaesthetic and so on and so forth... [...] - it is totally, totally and totally out of sync with everything else we teach kids about what it means to be a responsible, kind person in the world. [...] So when people say: 'How do you explain to your kid you're a vegetarian...' - how do we explain that we don't kill animals to eat them? Very easy: 'We don't kill animals to eat them'. You know, how does the parent who feeds his kid that stuff explain it? I think that's harder. And I think it's something I'm really grateful that I don't have to do because I know what that would be like and I would feel crappy with the stories that I would tell." - Jonathan Safran Foer im Gespräch über sein Buch Eating Animals*.
Es ist keine große Wissenschaft, Kindern einen Lebensstil zu erklären, bei dem Tieren nicht nur nicht geschadet wird, sondern sie gar geschützt werden. Denn Kinder sind von Natur aus empathisch, auch gegenüber Tieren. Das zeigen die Ergebnisse einer Studie...
Empathie wird abtrainiert, Speziesismus anerzogen
Moment mal: "Spezi...was?" Speziesismus beschreibt eine moralische Herabsetzung bestimmter Lebewesen. Diese Stufe gibt es einmal zwischen Mensch und Tier und dann auch noch mal zwischen Tier und Tier, zum Beispiel zwischen Hund und Huhn. Hier wird das Ganze genauer erklärt.Beim Speziesismus handelt es sich um eine Einschätzung, mit der Menschen nicht geboren werden, sondern die erst anerzogen wird. Eine Studie von Forscher*innen der Universitäten von Exeter und Oxford* lässt vermuten, dass dies erst in der Pubertät passiert.
Für die Studie sollten Kinder, Jugendliche, Erwachsene und alte Menschen verschiedene Tiere entweder als "Nahrung", "Haustier" oder "Objekt" kategorisieren. Kinder waren fast ausschließlich der Meinung, sogenannte "Nutztiere" (den Begriff sollten wir eigentlich auch nicht mehr verwenden, siehe weiter unten warum) würden es verdienen, genauso behandelt zu werden wie Menschen. Der Studie zufolge finden es Kinder außerdem weniger moralisch vertretbar, Tiere zu essen. Jugendliche fangen hingegen schon an, von diesem Empfinden abzurücken und einen Unterschied zwischen der Behandlung von Tier und Mensch zu machen.
Weil Kinder also scheinbar per se noch nicht so moralisch verkommen sind, ist es meiner Meinung nach besonders wichtig, ehrlich mit ihnen über Themen wie Tierschutz und deren Ausbeutung zu reden. Die Frage ist nur:
Wie kann man diese bedrückenden Themen kindergerecht ansprechen?
Meinem Empfinden nach haben wir oft ein etwas verqueres Denken über die Aufnahmefähigkeit von Kindern, weswegen wir sie fern halten von wichtigen gesellschaftlichen Themen. Dieses Verhalten führt dazu, dass Kinder überhaupt erst mit vielen negativen Vorurteilen sozialisiert werden - sei es die Art und Weise, wie die meisten Erwachsenen über Tierwohl denken oder andere Probleme wie Sexismus, Ableismus oder Rassismus. Dadurch, dass wir nicht ordentlich mit Kindern über diese Ungerechtigkeiten reden, werden sie von ihnen verinnerlicht, wodurch sich Vorurteile und Klischees fest in ihrem Denken verankern. Das macht es schwer, ein reflektierter Erwachsener zu werden, der eigene Privilegien erkennt, hinterfragt und für generelle Gerechtigkeit kämpft. Genau deswegen ist es so wichtig, Kinder nicht von schwierigen Themen fernzuhalten.Überhaupt kann ich mir vorstellen, dass es weniger die Kinder sind, die mit diesen Themen ein Problem haben, sondern eher man selbst als erwachsener Mensch, der mit seinem verinnerlichten ungerechten Verhalten konfrontiert und zur Selbstreflektion erst gezwungen wird. Das kann weh tun. Aber hat zum Vorteil, dass dein Kind nicht dieselbe schmerzhafte Erfahrung wie du machen muss, wenn es groß ist. Weil es von vornherein über problematische Denkweisen aufgeklärt wurde und diese gar nicht erst antrainiert wurden.
Doch auch wenn Kinder mehr verstehen, als wir ihnen oft zubilligen: Aufklärung muss trotzdem kindsgerecht sein. Einem Kind brutale Videos vom Schlachthof zu zeigen wird wahrscheinlich eher zu sehr vielen, schlimmen Alpträume führen, als dass es sich ernsthaft noch damit auseinandersetzen will. Also: Es folgen ein paar Tipps für eine kindergerechte Aufklärung...
Einfach nicht lügen oder die Wahrheit verherrlichen
Steigen wir mit etwas sehr Einfachem ein: Du musst Kindern keine große Geschichte auftischen, damit sie sich für eine pflanzliche Ernährung entscheiden. Viel mehr muss man Kindern Verherrlichungen oder gar Lügen servieren, damit sie Tierfleisch essen. Zum Beispiel indem man ihnen Aufschnitt aus Schweinefleisch kredenzt, der aussieht wie ein süßes Teddybärchen (wie pervers ist das überhaupt?) oder indem man das Lebewesen von der Nahrung entfremdet, beziehungsweise den Zusammenhang auslöscht, sodass es im Kopf des Kindes zwei völlig verschiedene Dinge sind.“Is chicken the animal spelled the same as chicken the food?”
— kidversations (@kidversations_) September 20, 2022
- my child, about to be shook
Sag stattdessen einfach die Wahrheit: "Kind, du kennst doch Kühe, Schweinchen, Lämmer und Co. aus deinen Kinderbüchern und Serien? Naja, manche Menschen töten diese Tiere, um sie zu essen". Wenn du deinem Kind sagst, dass man sich durchaus auch dagegen entscheiden kann und es viele, mittlerweile sehr tolle Ersatzprodukte gibt, kannst du ja mal schauen, welche Meinung es dazu hat.
Auf eine Sprache achten, die Tiere nicht degradiert
Das fängt schon bei dem Gebrauch des Wortes "Nutztier" in Bezug auf Kühe, Schweine, Hühner und Co. an. Der Begriff impliziert, dass der Nutzen für den Menschen über dem Leben des Wesens steht und es "okay" ist, Tiere für den Menschen auszunutzen. Kleiner Reminder: Wir leben im Jahr 2022 - es gibt reichlich Alternativen für Fleisch, Gelatine, Leder, Fett, etc. pp., sodass wir eigentlich keine tierischen Produkte mehr wirklich brauchen.Zudem gibt es noch viele weitere Ausdrücke, die bestimmten Tieren schlechte Eigenschaften zuschreiben. "Dumme Kuh / Ziege / Gans", "dreckiges Schwein", "Sauerei" oder "sich zum Affen machen". Wir werden Ausdrücke wie diese nicht mir nichts dir nichts aus unserem Sprachgebrauch streichen können, aber wir können es uns erstmal bewusst machen und dann bestenfalls auf andere Begrifflichkeiten kommen. Wenn du deinem Kind ordentliches Fluchen beibringen willst, empfehle ich sowas wie das gute, alte "Arschloch". SPASS!!! (Kein Spaß).
Verherrlichende Inhalte oder Spielzeuge vermeiden
Wir haben ein Buch über das Bauernhofleben vererbt bekommen. In diesem Buch sieht man, wie Schweine gefüttert, Kühe gemolken und deren Kälber (für die die Muttermilch der Kühe ja eigentlich bestimmt ist) in einem anderen Teil des Stalls von Kindern gestreichelt werden. Das wird als etwas völlig Normales dargestellt, nur fehlt dabei eine Menge Kontext - wenn man davon ausgeht, dass es sich um einen landwirtschaftlichen Betrieb und nicht einen Lebenshof handelt (einiges spricht jedoch für Ersteres). Zum Beispiel wird nicht erklärt, dass die Schweine gefüttert werden um sie für die Schlachtung zu mästen. Es wird nicht erklärt, dass die Kühe vorher künstlich geschwängert wurden, damit sie Muttermilch produzieren, die aber nicht für ihre Babys gedacht ist, sondern letztlich unter anderem im Kaffee erwachsener Menschen landet. Und es wird auch nicht erwähnt, dass die Kälber letztlich ein "Nebenprodukt" dieser Milchproduktion sind und alsbald zum Schlachthof gebracht werden, um als Wiener Schnitzel auf dem Teller verwertet zu werden.Dies ist nur ein Beispiel, wie Kindern über Bücher, Serien oder ähnliches eine völlig verquere Welt vorgestellt wird. Wenn du Interesse daran hast, deinem Kind keine Scheiße beizubringen, muss jedes Medium, das dein Kind konsumiert, vorher überprüft werden. Dann kannst du dich entscheiden, ob du lieber ein besseres Buch besorgst oder du erklären willst, warum die vorhandene Version problematisch ist. Je nachdem, wie alt dein Kind ist, ist das eine oder andere sinnvoller.
Das Gleiche gilt natürlich auch für Spielsachen: Bevor du das Zoo-, Zirkustier- oder Pferdespringreitset kaufst, könntest du lieber schauen, ob es bessere Alternativen oder themenunspezifische Tiersets gibt. Oder du nimmst einfach Zäune, Käfige, Peitschen und ähnliches aus der Packung raus... oder spielst sowas wie "Aufstand der Zootiere" oder so. Was auch immer.
Kindergerechte Aufklärung mit Büchern
Wenn wir schon beim Thema "Problematische Medien für Kinder" waren, gehen wir am besten gleich über zum Thema "Unproblematische Aufklärung". Mittlerweile gibt es nämlich zum Glück schon einige Bücher, die sich mit Themen wie Tierwohl, Tierschutz und Artenvielfalt beschäftigen und zwar auf kindergerechte Art und Weise. Viele davon kannst du über den Veganen Kinderbuchverein finden, der es sich zur Aufgabe macht, Kinder aufzuklären, ohne ihnen Angst mit brutalen Gepflogenheiten zu machen."Wir machen freudvolle vegane Kinderbücher und streben ein neues »Normal« in Kinderbüchern an." - Der Vegane Kinderbuchverein
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Beibringen, jedes Leben wertzuschätzen
Auf die Gefahr hin, dass sich jetzt die ein oder andere Person über mich lustig macht, sage ich es trotzdem: Ich finde es wirklich sinnvoll, Kindern von klein auf beizubringen, dass jedes noch so kleine verdammte Leben wichtig ist. Nein, ich bin da nicht perfekt. Ja, ich zertrete am Tag bestimmt auch zwei bis 100 Ameisen - aus Versehen. Und das ist der springende Punkt. Wenn Kinder absichtlich Regenwürmer zerteilen, Vögel aufscheuchen, Ameisen ankokeln oder Spinnen die Beine ausreißen, dann sollten wir dazwischen gehen und sagen, dass das nicht geht. Denn sobald wir Erwachsene es zulassen, dass Kinder einen Unterschied zwischen der Lebenswertigkeit einer Ameise und der eines Eichhörnchens machen, ist speziesistisches Gedankengut bereits im Hirn festgesetzt. Und genau das sollten wir vermeiden.Mit gutem Beispiel voran gehen
Wissen wir ja eh alle: Taten zählen mehr als Worte. Oft ist es also einfach besser, Moral vorzuleben, anstatt sie nur zu predigen. Geiles veganes Essen zu servieren kann eine Möglichkeit sein. Spinnen in der Wohnung in ein Glas schieben und nach Draußen befördern - statt sie zu zertreten und wegzuschmeißen - eine andere.Natürlich ist das Arbeit
Jedes Buch muss vorher akribisch untersucht werden, ganze Filme bestenfalls angeschaut werden oder man muss sich nebenher Zeit nehmen, um auf problematische Stellen hinzuweisen. Auch über Ernährung müssen sich Eltern schlau machen. Vegetarische oder gar vegane Ernährung für Kinder wird oft kritisiert, nur leider hauptsächlich aufgrund von Unwissenheit und festgesetzter Mythen. Eltern sollten sich in jedem Fall mit den Inhaltsstoffen ihrer Nahrung auseinandersetzen und sich über die menschlichen Bedürfnisse informieren - und zwar egal, wie sie ihre Kinder ernähren, denn nur weil die Sprösslinge Tierfleisch vorgesetzt bekommen heißt das noch lange nicht, dass es sich um eine ausgewogene Ernährung handelt. Also, um zurück zum Punkt zu kommen: Ja, es ist Arbeit, ein Kind zu erziehen. Aber das sollte es in jedem Fall sein - egal ob es darum geht, dass Kinder alle Lebewesen schätzen sollen oder man schlichtweg will, dass die eigenen Nachkommen keine kompletten Arschlöcher werden.Und wenn die Kinder sich trotzdem gegen die eigenen Wertvorstellungen richten?
Was, wenn das Kind sich dann doch irgendwann dazu entscheidet, ein Hot Dog mit einem Würstchen aus Schweinefleisch zu essen? Wenn das Kind liebend gerne in den Zoo geht? Oder es von der Oma ein Zirkustier-Spielset geschenkt bekommt und damit auch unbedingt spielen will? Well, dann ist das so. Bestenfalls wird dadurch lediglich Neugierde befriedigt, was wiederum unterstützen kann, dass das Kind nicht etwas Anerzogenes einfach durchzieht, sondern fähig ist, selbst Entscheidungen zu treffen, die es für richtig hält.Wenn du dein Kind vorher darüber aufgeklärt hast, wie Schweinefleisch gemacht wird, wie Tiere im Zoo oder Zirkus leben, dann hast du dein Bestes getan. Du wirst es nicht zwingen können, genau so zu leben, wie du es für richtig hältst, denn das sorgt in den allermeisten Fällen lediglich für das gegenteilige Verhalten. Dazu nochmal ein passendes Zitat von Jonathan Safran Foer, der oft gefragt wird, was er denn tun würde, falls sein Sohn gerne mal Tierfleisch essen will:
"When he's old enough to make decisions for himself, he will make decisions for himself. I think if I prevent him from doing so it would be the very quickest way to encourage him to do so. It's not that I want him to force him into my mold. It's just that I want him to think about these decisions to recognize that there's a decision and to do the things that he thinks are right." - Jonathan Safran Foer
Deine Meinung?
Wie findest du, sollte man mit Kindern über Tierwohl betreffende Themen sprechen? Schreib uns dazu eine Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! oder via WhatsApp an die 089 360 550 460.*Unten findest du eine Linksammlung der Quellen. Gerade das Gespräch mit Jonathan Safran Foer kann ich nur ans Herz legen, einmal komplett anzuschauen - auch wenn es um pflanzliche Ernährung an sich geht und das Thema mit der Kindererziehung nur kurz angeschnitten wird. Der Autor ist eine wahnsinnig beeindruckende Person, die typische Argumente des Anti-Veganismus so einfach und verständlich entkräftigt, dass ich nur hochachtungsvoll meinen Hut ziehen kann.
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