Es gibt viele Situationen, in denen sich Dinge irgendwie falsch anfühlen. Doch woher kommt dieses Gefühl? Ist uns das Gerechtigkeitsempfinden vielleicht angeboren oder macht uns erst die Gesellschaft zu einem gerechten Menschen?
Die Sache mit der Gerechtigkeit
Ob sich Platon in seiner Philosophenschule, der Akademia, auch schon Gedanken über ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen gemacht hat? In seinen Werken, zum Beispiel der Politeia, setzte sich der griechische Philosoph mit der Frage auseinander, was genau Gerechtigkeit in einem Staat ausmacht.
Für Platon war Gerechtigkeit die Kardinaltugend, um Harmonie in die Seele zu bringen. Alle sollten tun, was ihren Fähigkeiten entspricht, um gerecht zu leben.
Gerechtigkeitssinn
Wann empfinden wir etwas als (un)gerecht?
Aber was bedeutet das - gerecht leben?
Sollten wir alle gleich behandeln, nach dem Gleichheitsprinzip? Oder nur nach Leistung würdigen, ganz nach dem Leistungsprinzip? Die eine, richtige Antwort gibt es da vermutlich nicht. Doch Gerechtigkeit ist und war schon immer ein zentrales Thema in unserer Gesellschaft:
Wir Menschen sind soziale, kooperative Wesen und wir brauchen die Gesellschaft, wir sind auf ihr Wohlwollen angewiesen. Wenn sich nun Einzelne mehr nehmen oder mehr bekommen als die anderen… dann schadet das der gesamten Gruppe. Also wird die Gruppe dieses Verhalten sanktionieren. Laut dem Sozialpsychologen Dr. Hans-Werner Bierhoff geht dieses Denkmuster so weit, dass wir Menschen, die sich nicht gerecht verhalten, bestrafen wollen, selbst wenn wir daraus einen Nachteil erleiden.
Wenn wir auf die Frage kommen, was durch die Evolution bestimmt ist, dann können wir sagen: Es scheint hauptsächlich so zu sein, dass wir die Idee mitbringen, dass gleiche Leistung in gleicher Weise belohnt werden sollte. Menschen und andere Primat*innen haben also ein Bedürfnis nach Fairness, zumindest, wenn es darum geht, dass wir Gerechtigkeit herstellen wollen. In Studien haben Bierhoff und seine Kolleg*innen herausgefunden, dass Affen ihre Nahrung verweigern, wenn das Essen unter ihnen ungerecht verteilt wird.
Was wir aber als gerecht empfinden, das wird uns angelernt.
Andere Kinder beim Spielen, unsere Eltern - alles spielt eine Rolle. Die Gesellschaft lebt es uns vor. Das Gerechtigkeitsgefühl bildet sich bei menschlichen Kindern ab einem Alter von sieben Jahren heraus. Bis dahin handeln Kinder oftmals rein egoistisch. Das haben Forschende der Universität Zürich in Experimenten festgestellt. Doch auch Dreijährige teilen bereits, aber nur, wenn sie sich etwas gemeinsam erarbeitet haben, zumindest nach Studien der Anthropolog*innen vom Max-Planck-Institut in Leipzig. Wir Menschen wollen also Teilen - aber nicht uneingeschränkt.
Aus einer Studie der Universität Berkeley von 2022 geht hervor, dass Menschen aus bevorzugten Gruppen Angst um ihren Wohlstand haben, wenn es darum geht, umzuverteilen. Sie nahmen in Kauf selbst weniger zu haben, nur um einen größeren Abstand zwischen sich und der Vergleichsgruppe zu halten. Spannend hierbei: Eine Umverteilung innerhalb der Gruppe wurde als angenehmer wahrgenommen als nach außen. Vielleicht könnte es also helfen, wenn sich die gesamte Gesellschaft stärker als Einheit, als Gruppe sieht, um die Ungleichheit abzuschwächen?
Doch macht uns Gerechtigkeit wirklich glücklich?
Studien zufolge sind Versuchsteilnehmer*innen, die benachteiligt werden, verständlicherweise nicht glücklich. Die, die ungerechtfertigt mehr bekommen, die Überprivilegierten, sind es aber ebenfalls nicht.
Am Glücklichsten sind wir Menschen also, wenn wir fühlen, dass wir bekommen, was wir verdient haben. Ganz nach Platon also: denn für ihn führt nur die Gerechtigkeit zur Eudaimonia - der Glückseligkeit.
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