Zehn Jahre nach ihrem genialen Debütalbum spricht Moderatorin Sandra mit Melody Prochet alias Melody's Echo Chamber über Nostalgie, das Wiederfinden einer Balance und einer gewissen Umwelttrauer.
radiowelt
02.05.2022
Chelsea Hotel: Melody's Echo Chamber im Interview
Das komplette Gespräch zum Anhören
Am 29. April 2022 ist das (offiziell) dritte Album der französischen Musikerin Melody Prochet erschienen. Moderatorin Sandra konnte schon im Vorfeld reinhören - und war hin und weg. Groß war also die Freude, dass sie die Künstlerin bei sich im Chelsea Hotel zum Interview begrüßen und über quasi alles, was in der Zwischenzeit so passiert ist, reden konnte.
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Melody's Echo Chamber im InterviewChelsea Hotel mit Sandra Gern
Das musikalische Werk als eine kleine Nostalgiebüchse
2012 erschien das selbstbetitelte Debütalbum von Melody's Echo Chamber, für das Prochet mit dem Tame Impala-Frontmann Kevin Parker zusammenarbeitete und dessen einzigartigen Fingerabdruck man an der ein oder anderen Stelle auch bestens hören kann. Für die Musikerin selbst ist das Werk wie eine kleine Konservendose, in der die eindrücklichen Erlebnisse von damals kompakt zusammenpresst sind. Wenn sie heute reinhört, kommen all die Erinnerungen wieder hoch, wie sie im Interview erzählt:"I see it like a very special bubble of time and space - very salty and beautiful, one of my first great escape into some distorted other world. I really, really have great memory of this period of time and this record ist kind of timeless for me. And if I listen to it, I just travel back there." - Melody Prochet
Tatsächlich haben Prochet und Parker danach noch an einem zweiten Album gearbeitet, das allerdings - bis dato - nie veröffentlicht wurde. Bon Voyage, das zweite Album von Melody's Echo Chamber, kam genau aus diesem Grund auch etwas später raus - 2018 - weil ein geheimes Werk dazwischen war. Ob das jemals noch das Licht der Welt erblickt? "Vielleicht zum Jubiläum", sagt Melody Prochet.
Das Wiederfinden der Balance
Nachdem sich die Musikerin im hektischen Paris nicht mehr frei entfalten konnte und sich das grausame Attentat im Bataclan, in dessen Nähe sie damals lebte, schwer verarbeitet ließ, zog es Melody Prochet nach Schweden. Dort konnte sie endlich wieder atmen, wie sie selbst sagt.Irgendwas schien allerdings trotz der neuen Umgebung nachhaltig aus dem Gleichgewicht geraten zu sein. Das hört man auch an Bon Voyage. Im Vergleich zum sehr stimmig, selbstbewusst klingenden Debüt war das zweite Album eher wild, experimentell. Prochet selbst sagt, die Arbeit daran habe sie in eine Art Delirium versetzt, von dem sie sich erst mal lösen musste. Und nicht nur das: Auch das Musikgeschäft ist einfach nicht so ihres. Der große Druck, das Rampenlicht, das Touren und die Tatsache, mit der eigenen Kunst hausieren gehen zu müssen - das alle schreckt Prochet ab. Stattdessen will sie lieber eine freie Künstlerin sein, unabhängig vom Musikbusiness.
Sie sei sich gar nicht mal so sicher gewesen, danach noch mal ein Werk zu veröffentlichen. Zeit musste vergehen, Abstand gewonnen und Orientierung neu gefunden werden. Was Prochet dabei half, war nicht nur die Natur um sich herum, sondern auch ein strukturierter Alltag.
"I need a slow rhythm, pace of live. I've also realised I needed to study and feed my brain and go to a regular work a little bit to distract myself [...]. A simple way of living, a real one, that I had lost contact with in the musical world." - Melody Prochet
Melody hat also angefangen, Kunsttherapie zu studieren und in einem Altenheim zu praktizieren. Ein Job, der ihr viel Freude bereitet - durch den Kontakt zu den alten Menschen habe sie einiges lernen können. Ihre wiedergefundene Balance kann man nun auf Emotional Eternal hören.
Ecological Grief
Ecological Grief beschreibt eine tiefe Trauer, die manche Menschen empfinden, wenn sie den katastrophalen Zustand der Welt beobachten. Melody selbst kennt das Gefühl und wird wegen des respektlosen Umgangs der Menschheit mit der Natur sogar richtig wütend. Im Pressetext zum neuen Album sagt die Künstlerin:"When I listen to the record, I can imagine being an explorer moving gently in a hot-air balloon, watching and listening to whales chanting in a sky of fireflies. I personally need to imagine living in a different world. I get so angry about the way things have turned out in this one." - Melody Prochet
Besonders wütend macht sie dabei die Tatsache, dass ihre Kinder in einer Welt groß werden, in der die Menschheit nicht in Harmonie mit der Natur leben. Deswegen ist es ihr umso wichtiger, ein gewisses Umweltbewusstsein an die nächste Generation weiterzugeben. Der Gedanke, dass wir uns als Menschheit zerstören, aber dass die Natur auch danach noch da sein wird, tröstet Prochet immer ein wenig. Um doch mal wieder ab und zu etwas Energie und Optimismus zu tanken, geht die Musikerin übrigens sehr gern mit ihren Kindern im Wald spazieren.
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