Arlo Parks: Collapsed In Sunbeams

Arlo Parks: Collapsed In Sunbeams

Der Lieblingstonträger der Woche

Zwischen Retro Soul, 90s Pop und melancholischer Gitarre liefert Arlo Parks einen frühen Anwärter auf das Album des Jahres.


Wie klingt die Musik der Jugend, die mit der "größten Impfkampagne aller Zeiten" aufwachsen muss?


Ziemlich chaotisch, voller elektronischer Störgeräusche und TikTok-Trends könnte man meinen. Aber Moment: Nicht ohne Grund schwemmt eben jene Plattform gerade nicht nur in die Jahre gekommen Klassiker von Fleetwood Mac, sondern sogar historische Sea Shanties zurück in die Gegenwart.

Nostalgie und Flucht vor der Realität sind mittlerweile fester Bestandteil der Jugendkultur – eigentlich kein Wunder, wenn man seit jeher eingetrichtert bekommt, dass ja früher sowieso alles besser war und die Welt da draußen ganz gerne mal Gefahr läuft in Flammen aufzugehen.

So gesehen nur logisch, dass junge, vielversprechende Künstler*innen gerne mal die Greatest Hits der Vergangenheit entstauben und sie mit neuen Trends aufpolieren – Arlo Parks ist mit genau dieser Mischung ein ganz großes Werk gelungen.




Erwartungshaltung: Gigantisch


Es hatte sich sowieso schon ein bisschen angedeutet: Die noch ziemlich junge Britin hat ja schon eine ziemlich prominente Fangemeinde, von den Glass Animals über Michelle Obama bis hin zu Romy von The xx. Und außerdem hat sie schon mit ihren ersten Songs bewiesen wie unglaublich wandlungsfähig sie sein kann:

Die Lockdownhymne "Black Dog" traf mit sanfter Elliot Smith Gitarre und starker Mental Health-Botschaft genau den Nerv der Zeit. Mit "Hurt" kam dann später eine von den Supremes inspirierte Soul Nummer, die sich mit hypnotischer Gesangsmelodie sanft aber kompromisslos in den Gehörgang einbohrt. Ihr Debütalbum sucht sich sogar noch mehr Stilrichtungen:

Collapsed in Sunbeams klingt wie eine Collage aus Genres, aufeinandertreffenden Emotionen und persönlichen Geschichten.


Egal ob Radiohead, Mike Skinner oder Phoebe Bridgers: Man kann die Vorbilder der jungen Songwriterin ziemlich gut raushören. "For Violet" fängt die Portishead Melancholie erstklassig ein, "Eugene" versprüht In Rainbows Gefühle und "Hope" baut auf einen Drumsound, der sogar Kevin Parkers Augen zum Leuchten bringen würde


Urbanes Poesiealbum


Arlo Parks zitiert aber längst nicht nur: "Too Good" ist zum Beispiel 90s-Pop-Throwback und Dichterlesung gleichzeitig – und "Porta 400" zerstückelt eine Soulband plötzlich zurück in einzelne Samples, während Arlo über Dogensucht und zerfasernde Beziehungen sinniert.

Über die ganze Platte hinweg wechselt sie zwischen poetischen Lautmalereien und tagebuchartigen Beobachtungen hin und her – und sie schafft es jedes Mal den richtigen Ton zu treffen.


So fasst sie zum Beispiel den Kampf eines Freundes gegen die inneren Dämonen in berührend direkte Worte, während sie in "Bluish" eine dysfunktionale Beziehung in blumige Poesie verwandelt.

Collapsed in Sunbeams hat also durchaus düstere Momente, aber Arlo schafft es immer noch diesen einen kleinen hoffnungsvollen Sonnenstrahl einzustreuen – man taucht kurz in die Melancholie ein, ohne in ihr zu Ertrinken. Zusammen mit ihrem lyrischen und musikalischen Talent hat sie es geschafft ein Debütalbum rauszuhauen, dass die fast schon gigantischen Erwartungen absolut zurückzahlt.

Den Spruch, dass Musik angeblich früher so viel besser war, kann man sich dank Arlo Parks jetzt eigentlich verkneifen.


Tracklist: Arlo Parks - Collapsed In Sunbeams

01 Collapsed In Sunbeams
02 Hurt
03 Too Good
04 Hope
05 Caroline
06 Black Dog
07 Green Eyes
08 Just Go
09 For Violet
10 Eugene
11 Bluish
12 Portra 400


Collapsed In Sunbeams von Arlo Parks wird am 29. Januar 2021 via PIAS veröffentlicht.

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