Ekkstacy: misery

Ekkstacy: misery

Das Album der Woche

Von  Anna Taylor
Wenn du blumigen Pop liebst, solltest du dieses Album hören. Nicht, weil es dir gefallen wird, sondern weil es dir eine völlig neue (Klang)Welt zeigt. Eine mit Tiefe und sehr düsteren Ecken.



Content Warning: In diesem Artikel und dem Album geht es um Tod und suizidale Gedanken. Informationen und Adressen rund um das Thema Depression sowie einen Selbsttest bietet die Deutsche Depressionshilfe. Außerdem findest du jede Menge Beratung und Unterstützung bei der Deutschen DepressionsLiga und dem kostenfreien Info-Telefon: 0800 33 44 5 33.



Die Rückkehr des Danse Macabre

Der Dance Macabre - zu Deutsch: Makabertanz oder auch Totentanz - findet seinen Ursprung im 14. Jahrhundert und zeugt von der wachsenden Faszination über die Macht des Todes und andere okkulte Kräfte auf den Menschen und das Leben. Diese fesselnde Wirkung manifestierte sich in Bildern, Musik und Literatur und hatte schon diverse Revival mit unterschiedlichen Strömungen - Ende des 18. Jahrhunderts, Mitte der 80er, Mitte der 00er und jetzt wieder. Während Horror-Regisseur Tim Burton zuletzt zu Emo-Zeiten in den 00ern groß gefeiert wurde, kann er sich nun wieder mit der Gruselpop-Serie Wednesday über erneuten Hype freuen. Auch der wiedergeborene Hype um Emo-Bands wie My Chemical Romance sprechen für sich - das Horror-Genre floriert und mit ihm wächst auch wieder die Anziehungskraft von makaberen Themen. Die Darstellungsweise ist mal eher niedlich, mal düsterer.

Der kanadische Musiker Ekkstacy zeigt recht düstere Auswüchse dieser Faszination

Zum Einen. Zum anderen sind seine Songs, die Titel wie "I want to die in your arms", "Wish I was dead" oder "I want to sleep for 1,000 years" haben, eine offene Art und Weise, mit einem der größten Tabuthemen umzugehen. Dabei noch mal der Hinweis: Gedanken über Suizid dürfen nicht im Sinne der Popkultur verharmlost werden, sie sind gefährlich und müssen ernst genommen werden. Gleichzeitig können Werke, die sich mit dem Thema befassen, durchaus eine tröstende Wirkung auf Betroffene haben. "Du bist mit deinen Gedanken nicht allein". Genau das macht Ekkstacys Musik eben nicht zu einem Tabu, sondern zu einem Nachfolger anderer großer Künstler*innen und Bands, die sich mit ihren inneren Dämonen künstlerisch auseinandersetzen. Nehmen wir The Cure als Beispiel, die ihr 1982 erschienenes Album Pornography mit der Zeile "It doesn't matter if we all die" eröffnen. Heute wissen wir, wie wichtig genau diese Offenheit für viele Menschen war, die sich mit ähnlichen psychischen Problemen durchschlagen mussten. 

Inspiration findet Ekkstacy allerdings eher bei anderen Bands

Weniger The Cure und Joy Division haben den Musiker inspiriert, als die US-amerikanische Deathrock / Goth Wave Band Christian Death, denen Ekkstacy auch ein Titel auf misery widmet. Diese Band war es auch, die die Weiterentwicklung seiner Musik zu verantworten hat - der Künstler selbst bezeichnet sein Debütalbum NEGATIVE (2021) als zu lasch, irgendwie langweilig. Der große Erfolg des Werks hat ihn sogar eher unglücklich gemacht, wie er in einem Interview gegenüber Northern Transmissions gesteht. Der Sound von Christian Death inspirierte Ekkstacy dazu, auf misery heftigere Themen zu behandeln und dezent härtere Töne anzuspielen. Doch auch wenn das Tempo generell im Vergleich zum Vorgänger hochgeschraubt wurde - arges Gewummer und ausschließlich harte Riffs gibt es auf misery allerdings nicht auf die Ohren.


Post Punk Pop par excellence

Hallender Gesang, mal sirenenhafte, mal eher schrammende Gitarren und dazu ein stets autoritäres Schlagzeug: Mit misery liefert Ekkstacy ein Album ab, das Post Punk sowie New Wave Fans gleichermaßen abholt und zum Makabertanz einlädt.
Nicht nur auf dem schwarz-weißen Albumcover, sondern auch klanglich spielt Ekkstacy auf misery mit allerlei Kontrasten: Gesäusel steht Geschrei gegenüber, treibende Rhythmen folgend auf langsame Beats und die düstersten Lyrics sind meist gebettet auf einlullenden Melodien.

Der Abstieg lohnt sich

Es geht tief hinab in die Seele eines sehr jungen Künstlers. Düster, aber eindrucksvoll. Sich mit den Dämonen anderer zu beschäftigen ist nicht immer schön, kann aber durchaus einen kathartischen Effekt haben und mehr Klarheit bringen. Zum Beispiel, dass das Makabere auch schöne Seiten hat. Ekkstacy bringt sie auf misery zur Geltung.




Tracklist: Ekkstacy - misery

  1. i just want to hide my face
  2. i'm so happy
  3. i wish you were pretty on the inside
  4. christian death
  5. i want to die in your arms
  6. i gave you everything
  7. wish i was dead
  8. eyeliner
  9. i want to sleep for 1,000 years
  10. ausgang (feat. herhexx)
misery von Ekkstacy wurde am 30. September 2022 via Ekkstacy / UnitedMasters veröffentlicht.

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