Hozier macht mit seinem neuesten Album Schullektüre salonfähig.
Buch raus, Stift spitzen!
Jetzt wird Satz für Satz Text markiert und analysiert! Denn mit Hozier geht es – eigentlich rein aus logischer Konsequenz zehn Jahre nachdem er uns zur Kirche gezerrt hat, um institutionalisierte Religion zu kritisieren – in den Abgrund hinab. In die Hölle. Und auch ein bisschen zurück in die Schulzeit, was für manch einen Menschen aber ja eh das Gleiche ist. Denn der irische Musiker hatte eine sehr poetische Inspiration zu seinem dritten Album Unreal Unearth: das Buch Dante's Inferno. Emsige Deutsch-Schüler*innen werden jetzt "say no more" einwerfen und bereits fleißig Songlyrics mit Textpassagen vergleichen. Alle anderen könnten etwas überfordert sein bei der Ansage. Daher hier eine kleine Zusammenfassung von Dante's Inferno beziehungsweise Dantes Göttlicher Komödie.Der grobe Inhalt von Dante's Inferno
Dantes Versepos handelt von der Läuterung des Icherzählers, der dafür durch die drei Reiche des Jenseits reisen muss: Hölle (Inferno), Fegefeuer (Purgatorio) und Paradies (Paradiso). Das Werk ist in drei Bücher mit jeweils 33 Gesängen unterteilt, ergänzt durch einen Prolog, was der "vollkommenen Zahl" 100 huldigen soll. Überhaupt ist in Dante's Inferno alles sehr geordnet und folgt strenger Mathematik. So gibt es neun Höllenkreise des Infernos und jeweils neun Räume des Purgatoriums und des Himmels.Auf seiner Reise begegnet der Icherzähler biblischen Figuren, antiken Mythologien, Philosophen und historischen Personen. Während er den Berg der Tugend anstrebt, wird er allerdings erst mal von einem Panther (der Wollust symbolisiert), einem Löwen (Hochmut) und einer Wölfin (Habgier) in ein finsteres Tal gedrängt.
Wie findet sich Dante's Inferno in Unreal Unearth wieder?
Während die meisten von uns gepuzzelt und Bananenbrot gebacken haben, hat sich Hozier während der Pandemie-Lockdowns Dantes Göttlicher Komödie gewidmet und ist darin völlig aufgegangen. Inspiriert davon behandelt er in Unreal Unearth die neun Höllenkreise: Vorhölle (Limbus), Lust, Völlerei, Gier, Zorn, Häresie (Ketzerei), Gewalt und Betrug.Im Interview mit dem Rolling Stone erklärt der Musiker, dass das Album eine Reise abbilden würde – zunächst begeben wir uns in die Tiefen der Hölle, um am Ende wieder als andere Person aufzusteigen. Für Hozier ist diese Heldengeschichte eine prima Analogie für die Zeit während der Pandemie. Wir alle hätten uns währenddessen auf die ein oder andere Weise verändert.
"The album can be taken as a collection of songs, but also as a little bit of a journey. It starts with a descent and I've arranged the songs according to their themes into nine circles, just playfully reflecting Dante's nine circles and then an ascent at the end [...] Because I think everyone went on a little bit of a journey over the last two years, everybody went through something changed, something about their lives, something about their work, something about themselves and came out the other side, slightly changed in some way, shape or form and that, it was sort of, that was just, that's just how the album is arranged." - Hozier gegenüber dem Rolling Stone
Damit bleibt Hozier seinem Stil treu
Schon für frühere Werken zieht sich der Singer / Songwriter Inspiration aus Literatur oder Religion. Neu hinzu kommt sein Stolz auf seine irische Herkunft: Zum ersten Mal singt Hozier auch auf Irisch, zu hören in "De Selby (Part 1)". Zudem bedient er sich auch inhaltlich an Elementen der irischen Sagenwelt.Der reichhaltige Klang von Unreal Unearth
Solltest du gerade neue Kopfhörer zum Geburtstag geschenkt bekommen haben und diese nun ausgiebig testen wollen, dann können wir Unreal Unearth als Einstieg nur empfehlen. Das Werk kommt mit einer üppigen Instrumentalisierung und Sounds daher: eine Vielzahl von Streichern und Percussions, mal brummende, mal zart gezupfte Gitarren, vollmundige Bässe, melancholisches Piano, wabernde Synthesizer und nicht zuletzt Hoziers beeindruckendes Stimmspektrum, das vom hohen Tenor bis zum tiefen Bass reicht. Sowohl große Hymnen, als auch gefühlvolle Balladen gibt es hier zu hören und auch Genre technisch wird hier von Folk, Soul und Gospel bis hin zu Alternative Rock und Stadionpop alles geboten.Das könnte auch die Schwachstelle von Unreal Unearth sein: die schlichte Breite des Klangangebots. Liebhaber*innen moderner Klassik (zum Beispiel "Son of Nyx"), könnten vom puren Pop ("Damage Gets Done") verschreckt werden – und umgekehrt.
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