Loyle Carner: hugo

Loyle Carner: hugo

Das Album der Woche

Von  Vitus Aumann
Deutlich düsterer, aber nicht weniger großartig präsentiert sich Carners drittes Album.

Es gab mal eine Zeit, da hatte Hip Hop für manche Menschen einen richtig schlechten Ruf.

Reine Protzmusik, einziger Inhalt wildgewordene Angeberei und manche Politiker*innen machten das Genre sogar für die Kriminalität auf den Straßen verantwortlich. Moment, die gibt es immer noch? Ach herrje….

Aber gegen dieses lange herrschende Vorurteil gibt es natürlich mehr als genug Gegenbeweise. Ein ganz Beeindruckendes liefert mal wieder Loyle Carner ab.

Sein drittes Album hugo erzählt eine Geschichte, die sich wirklich jeder Mensch zu Gemüte führen sollte.




Vom Wunderkind zum Wunder.

Loyle ist ein ziemliches Unikat. Seine Texte sind so persönlich, dass man nach zwei Alben oft schon gar nicht mehr den Rapper gehört hat – Loyle war irgendwie schon ein Freund den man schon ewig kannte.  Die Liebe zu seiner Familie zog sich immer wie ein roter Faden durch seine Songs. Dazu ist er noch leidenschaftlicher Koch und sein ADHS bezeichnet er immer gerne als Superkraft. Wer sich einmal mit ihm im Raum aufgehalten hat, weiß, dass seine positive Energie hochgradig ansteckend ist. Mit diesem Vorwissen war der erste Vorgeschmack auf hugo fast schon ein Schock:

Denn "Hate" ist kein irreführender Titel, sondern der vielleicht intensiv-düsterste Song, den Loyle je veröffentlicht hat.


Statt sonst so sanfter Melancholie spricht dieses Mal der pure Zorn aus ihm. Hass auf die Gesellschaft die ihn einengt, Groll gegen Menschen die ihn wegen seiner Hautfarbe in Schubladen stecken und eben auch Frust darüber, sich nirgendwo richtig zugehörig zu fühlen. Fast schon ironisch, dass ihm die neue Energie in der Stimme unheimlich gut steht.

Gesellschaftskritischen Themen ist Loyle bisher zwar nicht direkt aus dem Weg gegangen, aber für hugo stellen sie sich mehr in den Vordergrund. Das Persönliche kommt trotzdem nicht zu kurz: Über die zehn Songs des Albums macht sich der Rapper auch auf die Suche nach seiner eigenen Identität in einer zerrütteten Welt. "Nobody Knows" und "Georgetown" erzählen vom Leben eines schwarzen Jungen mit weißer Mutter – täglich Rassismus ausgesetzt, ohne komplett in die schwarze Community zu passen.


 

Perspektivenwechsel


Soundtechnisch besinnt sich Loyle immer noch auf die Stärken, die seine ersten Platten so großartig gemacht haben. Jazzige Instumentals, Soulige Samples und vertrackte Grooves die je nach Stimmung auch stärker in den Vordergrund rücken. Aber vor allem beim Storytelling hat sich Loyle beeindruckend weiterentwickelt. Je länger man zuhört, desto mehr merkt man nämlich, wie die Texte von hugo eine zusammenhängende Geschichte erzählen. Und die Figur im Zentrum ist nicht Loyle – sondern sein Sohn.

Das Vatersein hat für den jungen Engländer natürlich alles in ein neues Licht gerückt. Vor allem aber die Beziehung zum eigenen leiblichen Vater musste er komplett neu denken. Und so erzählt hugo von einem beeindruckenden Wandel, von Frust und Enttäuschung zur Versöhnung und der Akzeptanz der eigenen Identität.

Loyle Carner schafft es in gerade einmal 10 Tracks den Hass zu Verdrängen und einen trotzigen, aber ehrlichen Frieden mit der Vergangenheit zu finden – und die ganze Geschichte wirklich meisterhaft zu vertonen.





Tracklist: Loyle Carner - hugo

  1. Hate
  2. Nobody Knows (Lada's Road)
  3. Georgetown
  4. Speed Of Plight
  5. Homerton
  6. Blood On My Nikes
  7. Plastic
  8. A Lasting Place
  9. Polyfilla
  10. HGU

hugo von The Loyle Carner wurde am 21. Oktober 2022 via Universal veröffentlicht.

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