Der kalifornische Meme-Lord läutet die neue Weltordnung ein.
Eigentlich haben wir uns dieses Jahr schon viel zu viele Gedanken über den Weltuntergang gemacht.
Immerhin liefert uns 2020 jetzt zur Abwechslung mal einen schönen Grund, um darüber nachzudenken – der heißt Punisher und kommt von Phoebe Bridgers. Ihr zweites Album dreht sich um die ganz kleinen, aber auch um die alles zerstörenden Apokalypsen. Und zeigt sogar, dass man auch dem Weltuntergang mit einem lockeren Grinsen entgegentreten kann.
Tourleben und andere Katastrophen
Punisher beginnt ziemlich ähnlich wie das hochgelobte Debüt Strangers in the Alps: Nach kurzem Intro haucht Phoebe im "Garden Song" sanfte Zukunftsvisionen ins Ohr, die gleichermaßen träumerisch wie albtraumhaft rüberkommen. Den ersten klaren Bruch zum Debüt liefert das flotte "Kyoto" mit seinem euphorischen, fast schon geschrienen Chorus. Hier zeigt Phoebe Bridgers auch gleich ihre größte Stärke:Sie schafft es scheinbar mühelos zwischen unberührbarer Coolness und gnadenlos ehrlicher Verletzlichkeit hin und herzuwechseln.
"Kyoto" beginnt locker entspannt mit einem freien Tag auf Tour, bis Phoebe plötzlich von der Vergangenheit - wahrscheinlich vom entfremdeten Vater - wieder eingeholt wird. Und während Phoebe im Chorus das Drama noch locker abschüttelt, gesteht sie sich schon ein paar Takte später ein, dass sie wohl doch nicht so weit damit abgeschlossen hat wie sie das gerne hätte.
Große Hemmungen vor zwischenmenschlichen Unannehmlichkeiten hatte Phoebe sowieso nie, ihr größter Hit "Motion Sickness" war ja schon ein offensichtlicher akustischer Mittelfinger an Ex-Freund/Stalker Ryan Adams.
Auf Punisher geht sie aber sogar noch kompliziertere Beziehungskonstellationen an. Für ihren Exfreund Marshal Vore hat Phoebe in "I See You" viele nette, aber auch einige gemeine Wörter übrig – und richtig merkwürdig wird es, wenn man bedenkt, dass genau dieser Typ immer noch in Phoebes Band Schlagzeug spielt.
Reunion Party im Studio
Punisher hat aber noch mehr apokalyptische Themen zu bieten: Phoebe singt auch über Drogentrips mit Bandkollegen, Diskussionen über das Leben nach dem Tod und grausame Morde auf dem Parkplatz eines Baseballstadions. Das fesselt nicht zuletzt wegen der fantastischen Produktion des Albums. Phoebe saß dieses Mal zusammen mit ihrem Stammproduzenten Ethan Gruska am Mischpult und hat eine düstere, verhallte Soundkulisse aus Reverseffekten, dumpfen Streichern und verschwommenen Drums komponiert, die wie ein dunkler Gegenpart zu ihrer sanften Stimme wirken.Und selbstverständlich sind auch sämtliche Kollaborateure aus der jüngeren Vergangenheit mit am Start: Better Oblivion Community Center-Mitgründer Conor Oberst wird in "Halloween" zum Duett gebeten und die Boygenius Kolleginnen Lucy Dacus und Julien Baker dürfen auf "Graceland Too" liebevoll Herzen in kleine Stücke zerfetzen.
Während die ersten zehn Songs sich eher um persönliche Weltuntergänge drehen, fährt "I Know The End" dann schwere Geschütze auf:
Ein Tornado reißt die gesamte Welt in den Abgrund, bis am Ende nur noch Phoebes stimmloses Schreien übrig ist. Trotzdem hat auch das blutrünstig Finale von Punisher fast schon wieder etwas Aufbauendes.
Wirklich jeder Song hat eine leichte, aber spürbare Ambivalenz: Jeder schöne Moment kommt mit einem Hauch Melancholie daher, jede tragische Situation schimmert trotzdem noch hoffnungsvoll.
Mit Punisher hat Phoebe Bridgers ein Album abgeliefert, das einen je nach Stimmung sehr glücklich, aber auch ziemlich traurig machen kann.
Tracklist: Phoebe Bridgers - Punisher
01 DVD Menu02 Garden Song
03 Kyoto
04 Punisher
05 Halloween
06 Chinese Satellite
07 Moon Song
08 Savior Complex
09 I See You
10 Graceland Too
11 I Know The End
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