Kevin Parker lässt gerne auf sich warten. Aber es ist jede Sekunde wert.
Zeit ist ein sehr dehnbares Konstrukt.
Ein Jahr kann zum Beispiel ziemlich schnell vergehen, wenn man eine gruselige Arbeit vor sich herschiebt. Der letzte Monat vor der Deadline verstreicht dann quälend langsam, wenn man noch alles hineinquetschen muss - du kennst das sicherlich.Ekelhaft langsam vergeht die Zeit natürlich auch, wenn man auf neue Musik von Tame Impala warten muss. Seit letztem Frühling hat Kevin Parker ständig kleine Hoffnungsschimmer abgegeben – aber das Album, das eigentlich schon im März 2019 da sein sollte, wollte einfach nicht rauskommen.
Der altbekannte Perfektionismus von Kevin Parker hat wieder zugeschlagen. Schon irgendwie folgerichtig, dass das vierte Tame Impala Album bei der langen Wartezeit den Namen The Slow Rush verpasst bekommen hat.
Zurück in die Zeitreise
Während die Tame Impala Fans versucht haben, die Zeit bis zum Albumrelease totzuschlagen, hat Kevin Parker scheinbar versucht das Mysterium der Zeit an sich zu entschlüsseln.
Instant, Posthumous, Tomorrow, Yesterday, Time, Hour, Year – so gut wie jeder Songtitel macht wage Zeitangaben.
Und auch die Texte von Kevin gehen auf Zeitreise. Jetzt geht es darum, schlechte Erinnerungen endlich mal in der Vergangenheit zu lassen, zu akzeptieren dass man nicht mehr der gleiche Mensch wie früher ist und über die Fehler von Heute, die die schlechten Erinnerungen von Morgen werden.
Auch die Grundstimmung ist etwas positiver geworden: Die typische Tame Impala Melancholie ist schon noch da, aber im Vergleich zum resignierenden, sich selbst isolierenden Kevin von früher wirkt der neue Parker schon erstaunlich hoffnungsvoll und selbstsicher. Eventuell haben die Lobeshymnen von Rihanna, A$ap Rocky und Kanye West (!) wohl doch einen gesunden Selbstbewusstseinsschub gegeben.
Soundfreak am Abtanzen
Der Sound von Tame Impala macht auf The Slow Rush ebenfalls den ein oder anderen Zeitsprung – ohne aber einfach nur die alten Klänge von früher wieder aufleben zu lassen. Im wilden Zickzack springt die Tame Impala Zeitmaschine nicht nur durch alle möglichen musikalischen Dekaden, sondern auch durch die eigene Bandgeschichte.Über die glitzernden Synthies vom Vorgängeralbum Currents hat sich eine sympathische Staubschicht aus den ganz alten Innerspeaker-Tagen gelegt.
So verschmelzen auf The Slow Rush Discosound und Psychedelic Rock noch stärker als jemals zuvor. Auch wenn manche Songs mal mehr nach Lonerism ("Instant Destiny", "One More Hour") klingen, passen sie dann doch perfekt zu den Currents-mäßigen Tracks wie "Is It True" oder "Breathe Deeper".
Den Klang vom Album als vielschichtig zu beschreiben, wäre außerdem die Untertreibung des Jahrhunderts: Man hört deutlich raus wie Kevin Parker bis zur allerletzten Sekunde vor dem Release noch die Frequenzgänge der einzelnen Instrumente aufeinander abgestimmt und den Schlagzeugsound perfektioniert hat. Vor allem deswegen macht es immer wieder von neuem Spaß, sich dem langsamen Ansturm hinzugeben und immer wieder neue herrliche Klänge zu entdecken.
Denn am Ende ist das mit diesem Perfektionismus halt so ein zweischneidiges Schwert: Wenn man auf das Endergebnis warten muss ist es noch ziemlich nervig – aber wenn dann das fertige Album durch die Kopfhörer rieselt, ist alle Warterei vergeben.
Tracklist: Tame Impala - The Slow Rush
01 One More Year02 Instant Destiny
03 Borderline
04 Posthumous Forgiveness
05 Breathe Deeper
06 Tomorrow’s Dust
07 On Track
08 Lost In Yesterday
09 Is It True
10 It Might Be Time
11 Glimmer
12 One More Hour
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