Fahrradmassen, Tulpen, Coffee-Shops, Mühlen und 'ne schreiende Fratze - das ist Holland bildlich auf den Punkt gebracht. Aber wie sieht es musikalisch aus? Wir spielen's vor.
Anfang eines jeden Jahres pilgern tausende Musikentdecker*innen und Fritzen und Fritzinnen aus der Branche nach Groningen, Holland. Anfang eines jeden Jahres findet dort nämlich eines der kompetentesten Festivals in Sachen "Der nächste große Scheiß" statt - das Eurosonic Noorderslag.
So entdecken eben nicht nur Normalsterbliche neue Lieblingsbands vor allen anderen, auch die Branchenfritzen - seien es Musikjournalist*innenn oder Festivalbooker*innen - halten ihre Öhrchen dort wachsam in jeden Konzertsaal um einschätzen zu können, auf welche Künstler*innen sie sich im neuen Jahr konzentrieren, beziehungsweise schmeißen sollen.
Der Fokus liegt dabei freilich auf internationaler Musik - bis auf den letzten Abend. Dann kriechen all die lokalen Bands aus den Grachten und übernehmen die Bühnen des Noorderslags. Auf diesen Weg haben wir auch die Interpreten unseres Lieblingstonträgers der Woche kennengelernt, das Neo-R'n'B-Duo Klyne.
Da müsste man nun denken, dass es also überhaupt ein leichtes ist, aus dem Stand fünf holländische, aktuelle Künstler*innen zu nennen - ist es aber gar nicht. Deswegen nehmen wir unseren Bildungsauftrag ein weiteres Mal wahr und stellen ein paar vor....
Klyne
Klyne hießen nicht immer Klyne. Das Duo, bestehend aus dem Produzenten Ferdous und dem Sänger Nick Klein sind uns das erste Mal vor zweieinhalb Jahren untergekommen, als sie ihren Song "Paralyzed" als Free Download verschenkt haben. Damals allerdings unter dem Namen Nick Klein, dem Namen des Sängers. Weil mit Y aber alles besser aussieht, ist daraus Klyne geworden.Die Jungs aus dem kleinen niederländischen Städtchen Helmond, die in der Vergangenheit neben der Musik auch Qualitäten als Medizinstudent und Pizzeria-Manager vorweisen können, haben uns jetzt ein Debütalbum geliefert, das uns so überzeugt hat, dass wir es zum Lieblingstonträger der Woche gekürt haben: sinnlich aufgeladene Synths, ästhetische Produktionen und eine starke R'n'B Stimme, verpackt in eingängige Songs. Vielleicht haben Disclosure damit ernstzunehmende Konkurrenz bekommen?
Kovacs
"Sie ist wie die gesunde Variante von Amy Winehouse."Das hat mal einer unserer Musikredakteure gesagt, als er Kovacs vor gut zwei Jahren das erste Mal in der Milla in München live gesehen hat. Doch die 27-jährige Niederländerin bleibt nicht nur wegen ihrer außergewöhnlich vollen Stimme, die tatsächlich an die verstorbene Amy Winehouse erinnert, im Gedächtnis, sondern auch optisch: Glatze, Nasenring, große Augen und nicht selten trägt Kovacs, die im echten Leben Sharon Kovacs heißt, einen Kapuzenpulli mit Ohren. In dieser Erscheinung bringt sie uns authentisch die Gänsehautwirkung von Jazz-Pop und Neo-Soul nahe und hinterlässt uns mit Refrains im Ohr, die wir selbst am Tag nach dem Konzert noch locker mitsingen können.
Jacco Gardner
Dreimal war der Vintagemusiker Jacco Gardner bereits beim Eurosonic Noorderslag zu Gast - der große internationale Fame blieb allerdings bis dato aus. Schade, der Typ kann einiges, gerade an Instrumenten: Cembalo, allerlei Streicher, Flöten beherrscht er ebenso wie psychedelisch klingende Synthesizer.Zu hören ist diese irre Mischung auf seinen zwei Studioalben: Cabinet of Curiosities (2013) und Hypnophobia (2015).
Amber Arcades
Bei dieser Künstlerin sollte man aufmerksam sein - hier ist Großes im Kommen. Auch wenn sie sich ordentlich Zeit lässt: Annelotte de Graaf, wie Amber Arcades mit bürgerlichem Namen heißt, schreibt bereits seit sieben Jahren Songs, veröffentlichte bis heute allerdings gerade mal ein Album (Fading Lines (2016)). Grund dafür könnte definitiv sein, dass Amber Arcades zunächst nicht so ganz genau wusste, wo sie mit ihrem Sound hin will - vom melancholischen Folk fand sie über die Jahre langsam zu treibenderem Gitarren-Dream-Pop, der unter anderem von einem längeren Aufenthalt in New York und der Zusammenarbeit mit Künstlern wie Kevin Morby und Real Estate beeinflusst wurde.Im Juni dieses Jahres kam ihre letzte EP raus, Cannonball. Unbedingt reinhören. Lohnt sich.
Son Mieux
Entdeckt haben wir das Kollektiv aus Den Haag um den Sänger Camiel Meiresonne vorletzte Woche beim Surfana Festival (darunter kann man sich folgendes vorstellen: viele Surfer*innen, viel Liebe, viele Hippies). Könnte sein, dass die blumige Laune dazu beigetragen hat, dass die Klangmischung aus Singer/Songwriter, sanften Gitarrenakkorden, interessantem Panflötengedudel und vereinzelten elektronischen Elementen sich fest und nachhaltig ins Gehör gebrannt hat. Könnte aber auch sein, dass Son Mieux einfach die Art Musik machen, die wie eine Packung Gummibärlis auch die schlechteste Laune mindern.Bis jetzt gibt es von den Niederländern allerdings gerade mal eine Handvoll Songs via Vice Versa EP zu hören, die 2016 veröffentlicht wurde.
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