ADHS bei Erwachsenen bleibt oft unerkannt – eine Erfahrung, die auch unser egoFM Hörer Philip Gruber gemacht hat. Erst mit 39 erhielt er die Diagnose, die ihm half, sich und sein Verhalten besser zu verstehen. Im Gespräch mit egoFM Elise teilt er seine Reise und zeigt, wie man trotz Herausforderungen einen positiven Umgang mit ADHS finden kann.
Späte Diagnose – Frühes Stigma
Philip erzählt uns von seiner Kindheit: ein intelligenter Schüler, der jedoch immer wieder aneckt. Während andere Kinder mit Leichtigkeit gute Noten schreiben, kämpft er – trotz enormen Wissens – mit Konzentration und Struktur. Die Diagnose ADHS war zwar schon damals da, doch die Unterstützung blieb aus. Stattdessen hieß es oft: "Du bist schlau genug, du schaffst das auch so."
Das Ergebnis? Ein Leben im ständigen Gefühl, nie genug zu sein – und die Frage: "Warum kriegen andere das hin und ich nicht?" Die Antwort und die Diagnose mit 39 Jahren brachten Klarheit – mehr dazu erfährst du hier im Interview:
Mit 39 zur ADHS-Diagnose
egoFM Hörer Philip über seine Erfahrung
Der Wendepunkt: ADHS als Erwachsener verstehen
Mit 37 Jahren kehrte ADHS als Thema in Philips Leben zurück. Nach einer schwierigen Phase – beruflich wie privat – suchte er erneut ärztliche Unterstützung. Die Diagnose war diesmal nicht nur ein Label, sondern eine Offenbarung. Philip beschreibt diesen Moment als den Augenblick, in dem er endlich verstand, warum sein Leben so verlaufen war, wie es eben war.
Alltag mit ADHS: Herausforderungen und Strategien
Wie merkt man ADHS im Alltag? Auf den ersten Blick kaum. Doch in der Zusammenarbeit wird es sichtbar: ein chaotischer Arbeitsplatz, vergessene Aufgaben und das permanente Bedürfnis nach neuen Reizen. Für Philip bedeutet das, bewusste Mechanismen zu entwickeln.
ADHS im Alltag: Die unsichtbaren Zeichen
Du triffst Philip auf einen Kaffee, und alles wirkt ganz normal. Freundlich, witzig, tiefgründig – der Typ, mit dem du gerne stundenlang quatschen würdest. Doch bei der Arbeit oder in stressigen Situationen zeigt sich die andere Seite:
Chaos auf dem Schreibtisch
"Vergessenes" wie Jacken, Schlüssel oder Aufgaben
Ein Hang zum Prokrastinieren, wenn die Aufgabe nicht genug reizt
Hyperfokus auf Themen, die ihn faszinieren
Philip nennt es ein "interessenbasiertes Nervensystem". Alles, was ihn packt, wird zur Leidenschaft – was nicht interessiert, bleibt liegen.
Strategien: Leben mit einem "Ferrari-Gehirn"
ADHS bedeutet für Philip nicht, ständig gegen sich selbst zu kämpfen. Vielmehr hat er Mechanismen entwickelt, die seine Denkweise unterstützen:
1. Musik als Unterstützung
Musik ist Philips Dauerbegleiter. Egal ob egoFM oder persönliche Playlists – sie helfen ihm, seinen Kopf zu ordnen und Routinen zu schaffen. Lieblingsplaylists oder chillige Sounds begleiten ihn durch den Alltag.
2. Pausen und Bewegung
Kurze, bewusste Pausen füllen Philipps Dopamin-Tank wieder auf: Ein Spaziergang, ein bisschen Bewegung, frische Luft – das hilft ihm, den Kopf freizubekommen.
3. Struktur schaffen
Termine und Deadlines sind Philips größte Herausforderungen. Er setzt deshalb auf klare Zeitpläne und To-Do-Listen, die ihm dabei helfen, den Überblick zu behalten. Unterstützung durch Kolleg*innen oder Partner*innen spielt dabei eine entscheidende Rolle.
4. Selbstakzeptanz
Der wohl wichtigste Mechanismus: sich selbst nicht ständig mit anderen vergleichen. Philip betont, wie wichtig es ist, die eigenen Stärken zu erkennen und zu feiern. Sein Motto: "Die Welt läuft auf Windows, aber ich bin ein Mac – und das ist okay."
Nicht nur Nachteile
Philip ist überzeugt: ADHS ist keine Krankheit. Es sei eine andere Art zu denken, die oft unterschätzt wird. Menschen mit ADHS können kreativer, empathischer und visionärer sein. Viele der großen Köpfe der Geschichte – von Albert Einstein bis Walt Disney – zeigen Eigenschaften, die stark an ADHS erinnern. Für Philip bedeutet die Diagnose daher vor allem eines: Freiheit. Freiheit, sich selbst zu verstehen und sein Leben entsprechend zu gestalten.
Tipps für Betroffene und Angehörige
Philips Erfahrung zeigt, dass das Leben mit ADHS nicht einfacher, aber auch nicht unbedingt schlechter ist. Für alle, die selbst betroffen sind oder Angehörige unterstützen möchten, hat er ein paar Ratschläge:
Verständnis statt Kritik: ADHS ist keine Ausrede, sondern eine Erklärung. Hilfreich ist es, Betroffene zu unterstützen, statt sie für ihr Anderssein zu kritisieren
Information ist Macht: Philip empfiehlt das Buch Faster than Normal von Peter Shankman, das ihm half, seine Denkweise zu akzeptieren und besser zu nutzen
Struktur von außen: Wer ADHS hat, braucht oft klare Rahmenbedingungen. Regelmäßige Zeitfenster, Pausen und Unterstützung bei der Organisation sind entscheidend
Stärken fördern: ADHS kann auch bestimmte Talente mit sich bringen. Kreativität, Problemlösungsfähigkeit und ein besonderer Antrieb sind nur einige davon. Diese Potenziale gilt es zu fördern
Die ADHS-Diagnose als Bereicherung verstehen
Philip will zeigen, dass ADHS nicht das Ende, sondern auch der Anfang einer spannenden Reise sein kann. Es geht darum, diese Denkweise zu verstehen und als Stärke zu nutzen. Mehr zum Thema findest du in unserem Text "ADHS im Erwachsenenalter: Warum richtige Aufklärung wichtig ist".
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